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MDK-Reform: mehr Taktieren statt mehr QualitätInterview: SBK-Experte Martin Spegel über Aufrechnungsverbot und Prüfquoten im MDK-Reformgesetz
Martin Spegel, Leiter Stationäre Versorgung der SBK

MDK-Reform: mehr Taktieren statt mehr Qualität
Interview: SBK-Experte Martin Spegel über Aufrechnungsverbot und Prüfquoten im MDK-Reformgesetz

Pressemitteilung

München – Am heutigen Dienstag legt Jens Spahn das „Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen“ (MDK-Reformgesetz) im Bundestag vor. Der Gesetzentwurf bringt erhebliche Einschränkungen der Gestaltungsautonomie der sozialen Selbstverwaltung mit sich und bedeutet eine schwerwiegende Neuordnung der Krankenhaus-Abrechnungsprüfung. Am Ende wird das Gesetz nicht zu einer Entspannung der Abrechnungssituation beitragen, sondern zu einem weiteren Aufrüsten bei Kassen und Kliniken führen, schätzt Martin Spegel, Leiter Stationäre Versorgung in der SBK.

Was sind aus ihrer Sicht die Knackpunkte im Gesetzentwurf?

Zunächst ist gegen den Gedanken, die aktuell überkomplexe Abrechnung zwischen Kliniken und Krankenkassen zu vereinfachen und den MDK unabhängiger und transparenter zu gestalten, absolut nichts einzuwenden. Dass Kliniken zukünftig Rechnungen nicht mehr nachträglich ändern dürfen, sehe ich zum Beispiel positiv. Das erzeugt etwas mehr Rechtssicherheit. Gleichzeitig halte ich die Maßnahmen im Bereich der Komplexbehandlungen und der ambulanten Abrechnung für grundsätzlich sinnvoll, auch wenn noch unklar ist, ob diese Maßnahmen tatsächlich umsetzbar sind und die politisch erwartete Wirkung entfalten.

Deutlich kritischer sehe ich das Aufrechnungsverbot und die Einführung quartalsbezogener Prüfquoten. Meine Einschätzung: Es wird auf beiden Seiten noch mehr Taktieren geben als vorher. Gleichzeitig wird die Handlungsfähigkeit der Kassen gegen fehlerhafte Abrechnungen eingeschränkt. Gewonnen ist damit nichts – im Gegenteil.

Wie hat die SBK das Thema Aufrechnung bisher gehandhabt?

Grundsätzlich gilt: Wir zahlen jede Klinikrechnung zunächst zu 100 Prozent. Der Eindruck, dass Kliniken auf Geld warten müssten und dadurch in ihrer Liquidität beeinträchtigt sind, ist falsch. Auffällige Abrechnungen geben wir – sofern es sich nicht um formale Fehler handelt – an den MDK, da Kassen kein Einblick in die Behandlungsakten erlaubt ist. Bestätigt das Gutachten des MDK unseren Verdacht, fordern wir zu viel gezahlte Beträge wieder vom Krankenhaus zurück. 70 bis 80 Prozent der Kliniken zahlen falsch abgerechnete Beträge, zum Beispiel in Form von Gutschriften, freiwillig zurück. Für mich zeigt das: Man kann hart in der Sache sein, aber trotzdem eine gute Gesprächsbasis finden und auf diesem Weg zu einer Einigung kommen.

In 20 bis 30 Prozent der Rückforderungen kommt das Krankenhaus unserer Aufforderung nicht nach. Dann rechnen wir unsere Forderung mit neuen, unstrittigen Rechnungen des Krankenhauses auf. Ein in der Wirtschaft alltägliches Verfahren. In nur ca. 200 Fällen jährlich führt die SBK Gerichtsverfahren mit Kliniken in diesem Abrechnungskontext – bei über 260.000 Abrechnungsfällen pro Jahr. Mit dem Aufrechnungsverbot wird uns der unbürokratische Weg der Aufrechnung genommen. Ich gehe davon aus, dass Kliniken fehlerhafte Abrechnungen künftig deutlich später zurückzahlen werden. Von unkooperativen Kliniken wird die SBK den Fehlabrechnungsbetrag über den Weg der Klage erstreiten müssen – auch bei kleineren Beträgen. Das volle Prozessrisiko liegt dabei bei uns als Krankenkasse, auch wenn es ein erhebliches Informationsgefälle zu unseren Ungunsten gibt.

Welche Gefahren sehen Sie in den Prüfquoten?

Derzeit geben wir 20 bis 25 Prozent der Rechnungen zur Prüfung an den MDK. Unsere Erfolgsquote lag 2018 bei knapp 57 Prozent, in 2019 erwarten wir eine ähnliche Quote. Das bedeutet: Im Bundesdurchschnitt sind bei der SBK aktuell 14,3 Prozent aller Abrechnungen fehlerhaft. Diese Quoten sind seit mehreren Jahren konstant. Im nächsten Jahr dürfen wir nur noch 10 Prozent aller Rechnungen zur Prüfung an den MDK geben. Bei allen weiteren Rechnungen sind wir handlungsunfähig und müssen ohne Prüfung bezahlen. Flankierende Maßnahmen oder Sanktionen gegen Falschabrechnungen sieht Spahn erst ab frühestens 2021 vor. Das Übergangsjahr 2020 wird für die GKV daher sehr teuer werden. Und die Differenz zahlt der Versicherte – ohne irgendeinen Mehrwert. Wer profitiert denn von Spahns Prüfquoten? Nicht Kliniken mit überdurchschnittlich hoher Qualität, nicht unsere Versicherten – sondern ausschließlich Kliniken mit mehr als 10 Prozent fehlerhafter Abrechnungen! Das finde ich besonders ärgerlich.

Gibt es langfristige Folgen, die aus Ihrer Sicht bedacht werden sollten?

Vor knapp zwei Wochen stellte Gesundheitsminister Laumann das aktuelle Krankenhausgutachten NRW vor. Das Fazit: Es gibt eine erhebliche Überversorgung und ebensolchen strukturellen Anpassungsbedarf in der Krankenhausplanung. Ich habe mir in diesem Kontext erlaubt, die Retaxierungsquoten auf Bundesland-Ebene gegenüberzustellen. Das Fazit: Wir sehen bei der Krankenhaus-Abrechnungsprüfung deutliche regionale Unterschiede. In überversorgten Gebieten wie etwa NRW kommen unnötige Krankenhausaufenthalte und überhöhte Abrechnungen deutlich häufiger vor als in ausreichend oder unterversorgten Regionen. Tatsache ist: Während bei Kliniken in NRW im Schnitt bis zu 9 Prozent der abgerechneten Beträge als fehlerhaft identifiziert werden, liegt dieser Wert in anderen Bundesländern nur zwischen 2 und 4 Prozent. Die Einführung der Prüfquote ist am Ende also eine Finanzspritze für überversorgte Regionen, da dort fehlerhaft abgerechnete Rechnungen von uns ohne Prüfung gezahlt werden müssen!

Was mich besonders ärgert: Es geht bei dieser Diskussion niemals darum, welche Klinik die bessere Qualität erbringt bzw. wo unsere Versicherten am besten versorgt werden. Da könnte ich eine bessere Finanzausstattung durchaus gutheißen. Am Ende geht es beim Gesetzentwurf leider nur darum, wer am geschicktesten taktiert. Das ist nicht mein Verständnis von Qualität und torpediert alle Bemühungen der SBK und vieler anderer Kassen um einen Qualitätswettbewerb zwischen Kliniken.


Über die SBK:
Die Siemens-Betriebskrankenkasse SBK ist die größte Betriebskrankenkasse Deutschlands und gehört zu den 20 größten gesetzlichen Krankenkassen. Als geöffnete, bundesweit tätige Krankenkasse versichert sie mehr als 1 Million Menschen und betreut über 100.000 Firmenkunden in Deutschland – mit mehr als 1.500 Mitarbeitern in 94 Geschäftsstellen.
Seit über 100 Jahren setzt sich die SBK persönlich und engagiert für die Interessen der Versicherten ein. Sie positioniert sich als Vorreiter für einen echten Qualitätswettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Voraussetzung dafür ist aus Sicht der SBK mehr Transparenz für die Versicherten – über relevante Finanzkennzahlen, aber auch über Leistungsbereitschaft, Beratung und Dienstleistungsqualität von Krankenkassen. Im Sinne des Kunden vereint die SBK darüber hinaus das Beste aus persönlicher und digitaler Welt und treibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen aktiv voran.