Berlin – Ob aus einer Blutstammzelle bei der Zellteilung erneut eine Stammzelle entsteht, oder ob sich aus ihr die verschiedenen Blutzellen entwickeln, hängt von einem chemischen Vorgang ab, der in der Fachsprache DNA-Methylierung genannt wird. Das haben jetzt Forscherinnen aus dem Labor von Dr. Frank Rosenbauer vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch in Zusammenarbeit mit dem Labor von Prof. Sten Eirik W. Jacobsen (Universität Lund, Schweden und Universität Oxford, England) zeigen können. Weiter wiesen sie nach, dass die DNA-Methylierung auch bei Krebsstammzellen eine entscheidende Rolle spielt (Nature Genetics, online, doi:10.1038/ng.463)*.
Eine Gruppe von drei Enzymen, die DNA-Methyltransferasen (Dnmt), kontrolliert das Anhängen von Methylgruppen an die DNA (DNA-Methylierung). Eines dieser Enzyme, das Dnmt1, ist verantwortlich dafür, dass die Markierungen mit den Methylgruppen, die DNA-Methylierungsmuster, erhalten bleiben. Die Verteilung der Methylgruppen auf der DNA entscheidet, welche Gene abgelesen und welche blockiert werden. Forscher sprechen in diesem Zusammenhang von epigenetischen Informationen, im Gegensatz zu genetischen Informationen.
Ob die DNA-Methylierung allerdings eine besondere Rolle in der Kontrolle von Blutstammzelleigenschaften spielt, war bisher unklar. Aus Blutstammzellen bilden sich sämtliche Blutzellen des Körpers. Da Blutzellen nur eine begrenzte Lebensdauer haben, muss der Körper immer wieder neue Blutzellen bilden. Das Reservoir dafür bilden die Blutstammzellen. Um zu sehen, welche Aufgabe die DNA-Methylierung bei Blutstammzellen hat, schalteten die beiden Doktorandinnen Ann-Marie Bröske und Lena Vockentanz aus dem MDC-Forschungslabor von Dr. Rosenbauer in Mäusen das Enzym Dnmt1 aus. Es zeigte sich, dass die Tiere aufgrund einer komplett gestörten Stammzellfunktion nicht lebensfähig waren.
Sorgten die Forscherinnen hingegen dafür, dass die Blutstammzellen noch etwas Dnmt1 bildeten, blieben die Tiere am Leben, die Stammzellen büßten aber ihr Potential der Selbsterneuerung ein. Auch konnten die Blutstammzellen keine B-Zellen und nur eingeschränkt T-Zellen (Blutzellen des lymphatischen Systems und wichtige Zellen des Immunsystems) bilden, dafür aber beispielsweise rote Blutzellen, die für den Sauerstofftransport wichtig sind und zu den Blutzellen des myeloerythoiden Systems gezählt werden. Mit anderen Worten, die Höhe der DNA-Methylierung reguliert, welche Blutzelllinien sich aus einer Blutstammzelle entwickeln oder nicht.
Krebsstammzellen
Methylierungsvorgänge spielen auch eine Rolle bei sehr vielen Krebserkrankungen. Die DNA-Methylierung durch das Enzym Dnmt1 kontrolliert, wie die MDC-Forscherinnen weiter zeigen konnten, auch die Entwicklung von Blutkrebsstammzellen. Ist die DNA-Methylierung sehr gering, können sich die Krebsstammzellen nur eingeschränkt selbst erneuern. Außerdem ist die Bildung von Leukämiezellen der B-Zell-Linie (akute B-Zell-Leukämie -ALL) blockiert.
Die Frage ist, ob erkrankte Stammzellen möglicherweise durch eine Blockade des Enzyms Dnmt1, ausgeschaltet werden können. Das will Dr. Rosenbauer in einem weitergehenden Projekt mit seinen Mitarbeiterinnen genauer untersuchen.
*DNA methylation protects hematopoietic stem cell multipotency from myeloerythroid restriction
Ann-Marie Bröske1*, Lena Vockentanz1*, Shabnam Kharazi2, Matthew R. Huska1, Elena Mancini3, Marina Scheller1, Christiane Kuhl1, Andreas Enns1, Marco Prinz4, Rudolf Jaenisch5, Claus Nerlov3, Achim Leutz1, Miguel A. Andrade-Navarro1, Sten Eirik W. Jacobsen2,6 and Frank Rosenbauer1
1 Max Delbrück Center for Molecular Medicine, 13125 Berlin , Germany
2 Hematopoietic Stem Cell Laboratory, Lund Strategic Research Center for Stem Cell Biology and Cell Therapy, Lund University, Lund, Sweden
3 European Molecular Biology Laboratory, Mouse Biology Unit, Monterotondo , Italy
4 Department of Neuropathology, University of Freiburg , Freiburg , Germany
5 The Whitehead Institute, 9 Cambridge Center, Cambridge , MA , USA
6 Haematopoietic Stem Cell Laboratory, Weatherall Institute of Molecular Medicine, John Radcliffe Hospital, University of Oxford, Oxford, England.
*These authors contributed equally to this work