Mainz – Als “Etikettenschwindel” hat Sozialministerin Malu Dreyer heute in Mainz den Entwurf für ein Pflege-Neuausrichtungsgesetz der Bundesregierung bezeichnet. “Es handelt sich bei dem Gesetz keinesfalls um eine Neuausrichtung der Pflege”, kritisierte die Ministerin aus Anlass der heutigen Befassung im Bundesrat und im Vorfeld des morgigen Tages der Pflege. “Die zentralen Probleme und Herausforderungen im Pflegebereich im Sinne einer umfassenden, solidarischen, gerechten und zukunftssichernden Pflege werden nicht angegangen”, sagte die Ministerin.
Einzelne Maßnahmen, wie höhere Leistungen für Menschen mit Demenz, gingen in die richtige Richtung, seien aber zu kurz gegriffen, weil sie sich nach wie vor nur auf die körperliche Pflege und nicht auf den Betreuungsbedarf des pflegebedürftigen Menschen bezögen. “Eine echte Neuausrichtung wäre ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, der sich daran orientiert, wie stark ein Mensch in seiner Selbständigkeit eingeschränkt ist. Das würde auch Menschen mit einer dementiellen Erkrankung umfassen, die zwar keinen Bedarf an Grundpflege, aber eine eingeschränkte Alltagskompetenz und damit erhöhten Betreuungsbedarf haben”, so die Ministerin. Seit dem Jahre 2009 lägen dazu klare Vorschläge auf dem Tisch, aber die Bundesregierung habe sie bis heute nicht aufgegriffen. “Die Leidtragenden sind die Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, für die wertvolle Zeit ungenutzt verstreicht”, so Malu Dreyer.
Ein weiterer Kritikpunkt der Ministerin ist die Finanzierung der Mehrkosten durch die Reform. “Die geplante Beitragserhöhung sichert die Pflegeversicherung nicht nachhaltig und deckt die Ausgaben lediglich bis zum Jahr 2015 ab. Wir brauchen eine grundlegende Finanzierungsstruktur, die nur durch eine solidarisch und paritätisch finanzierte Bürgerversicherung gewährleistet werden kann”, sagte die Ministerin. Mit der Bürgerversicherung, in der private und gesetzliche Pflegeversicherung miteinander verschmelzen, werde die Spaltung der Gesellschaft in zahlungskräftige und weniger zahlungskräftige Versicherte aufgehoben; die Pflegeversicherung würde insgesamt auf eine solide finanzielle Basis gesetzt.
Als ausgesprochen problematisch sieht die Ministerin die Einführung von Beratungsgutscheinen, wie sie die Bundesregierung vorsieht. Damit soll sich der Versicherte zukünftig auf dem freien Markt der Pflegeberatung die für ihn geeignete Pflegeberatung einkaufen können. “Für diese Beratungsleistung gibt es bislang keinerlei Qualitätsanforderungen, so dass der Versicherte kaum zwischen Scharlatanen auf der Suche nach dem schnellen Geld und einer fachlich fundierten Beratung unterscheiden kann”, so die Ministerin. Das Land Rheinland-Pfalz setze dagegen auf eine gut ausgebaute Struktur von Pflegestützpunkten, die in den vergangenen Jahren mit Hilfe von Landesmitteln eingerichtet wurden und die eine gute Beratung für alle Versicherten anbieten. “Diese Struktur würde durch Beratungsgutscheine ganz erheblich in Gefahr geraten”, so die Ministerin.