Berlin – In den Apotheken werden heute die meisten Medikamente mit dem Wirkstoff Metoclopramid (MCP) aus dem Regal genommen und an die Hersteller zurückgeschickt. Denn die Arzneimittelbehörde BfArM hat die Zulassung für die Magentropfen in der bislang üblichen Dosierung widerrufen. Bis es Nachfolgepräparate mit geringerer Wirkstoffmenge gibt, werden Ärzte und Patienten auf andere Medikamente ausweichen müssen. Hunderttausende Patienten sind betroffen.
MCP wird jährlich 5,7 Millionen Mal von Ärzten auf Kassenrezept verordnet. Das Medikament gehört zur Gruppe der Antiemetika und wird eingesetzt bei Störungen des oberen Magen-Darm-Traktes. Der Wirkstoff vermindert Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen unter anderem bei Migräne, Leber- und Nierenerkrankungen, Schädel- und Hirnverletzungen und Arzneimittelunverträglichkeiten. Ein weiteres Einsatzgebiet sind Verdauungsstörungen bei Diabetikern.
Wegen der seit Jahren bekannten neurologischen Nebenwirkungen hatte die europäische Arzneimittelagentur EMA den Wirkstoff untersucht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass bei hoher Dosis und langer Behandlungsdauer die Risiken den Nutzen überwiegen. Deshalb müssen jetzt alle Tropfen mit mehr als 1 Milligramm Wirkstoff pro Milliliter vom Markt.
Bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) kann man die Entscheidung nachvollziehen: In der Vergangenheit sei der Wirkstoff allzu leichtfertig verordnet worden, sagt AkdÄ-Vorstandsmitglied Professor Dr. Bernd Mühlbauer. „Die Zulassungseinschränkung wäre nicht nötig gewesen, wenn die Ärzte mit MCP stringenter umgegangen wären.“
Die Lücke, die der Wegfall jetzt reißt, sehen die Mediziner jedoch auch. Einen standardisierten Ersatz gibt es aktuell nämlich nicht: Andere Wirkstoffe sind nur bei bestimmten Anwendungsgebieten zugelassen; die pflanzliche Alternative wiederum wird von den Kassen nicht erstattet.
Auch die meisten Apotheker sehen den Rückruf kritisch: Bei einer Blitzumfrage von APOTHEKE ADHOC gaben 70 Prozent der Teilnehmer an, der Widerruf der Zulassung sei überzogen, der Nutzen überwiege. Weitere 21 Prozent finden den Rückruf schlecht, weil er aus ihrer Sicht zu Engpässen in der Versorgung führen wird.
MCP ist nicht der erste Wirkstoff, bei dem auf Veranlassung der EU-Behörde die Anwendung eingeschränkt werden muss. Im vergangenen Sommer verschwand der Wirkstoff Tetrazepam komplett vom Markt, der jahrzehntelang zur Behandlung von Muskelverspannungen und Spasmen mit gesteigertem Muskeltonus eingesetzt worden war. Migränemittel mit Dihydroergotamin wurden am 1. Februar vom Markt genommen. Beim Wirkstoff Domperidon, der wie MCP gegen Übelkeit und Verdauungsstörungen eingesetzt wird, sollen demnächst die Dosierung sowie die Anwendungsdauer und -gebiete eingeschränkt werden.
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