Stuttgart – In Baden-Württemberg sind weniger Menschen von der koronaren Herzkrankheit (KHK) betroffen als im bundesweiten Durchschnitt: Mit einer Krankheitshäufigkeit von 7,1 Prozent in der Bevölkerung ab 30 Jahren liegt der Südwesten um mehr als ein Prozentpunkt unter dem bundesweiten Durchschnittswert von 8,3 Prozent. Das zeigt der aktuelle „Gesundheitsatlas Koronare Herzkrankheit“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), den die AOK Baden-Württemberg im Vorfeld des Weltherztages am 29. September veröffentlicht hat. Im Vergleich der Bundesländer liegt Baden-Württemberg damit gemeinsam mit Bremen auf Rang zwei hinter Hamburg. In der Hansestadt an der Elbe ist bei 6,3 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner KHK festgestellt worden.
Der Gesundheitsatlas stellt die regionalen Unterschiede in Baden-Württemberg bis auf die Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte dar. Der niedrigste Anteil an Patientinnen und Patienten mit einer KHK findet sich mit 5,8 Prozent in der Uni-Stadt Heidelberg. Im nicht weit entfernten Neckar-Odenwald-Kreis ist dagegen der höchste Prävalenzwert zu finden: Dort ist bei 9,2 Prozent der Menschen eine Koronare Herzkrankheit diagnostiziert worden.
537.000 Menschen in Baden-Württemberg an einer KHK erkrankt
Insgesamt waren im ganzen Land im Auswertungsjahr 2020 mehr als eine halbe Millionen Menschen über 30 Jahren an einer KHK erkrankt. Die Krankheitshäufigkeit steigt mit zunehmendem Alter deutlich an. Die höchsten Werte werden in Baden-Württemberg bei Männern in der Altersgruppe ab 85 bis 89 Jahren erreicht: Hier sind mehr als ein Drittel (35,8 Prozent) von KHK betroffen. Bei den Frauen sind knapp ein Viertel (24,4 Prozent) in der Altersgruppe ab 90 Jahren betroffen. Die KHK-Häufigkeit in Baden-Württemberg liegt sowohl bei Männern als auch bei Frauen und in allen Altersgruppen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.
„Dass Männer häufiger an KHK erkranken, ist neben biologischen Faktoren auch durch ein anderes Risikoverhalten wie zum Beispiel den höheren Raucheranteil zu erklären“, so Privatdozentin Dr. Sabine Knapstein, Ärztin bei der AOK Baden-Württemberg. Rauchen sei ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung einer KHK, und in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten war der Raucheranteil unter den Männern stets deutlich höher als unter den Frauen. Der Zusammenhang zwischen KHK und Rauchen spiegelt sich auch in der regionalen Auswertung des Gesundheitsatlas wider: In Regionen mit besonders vielen Raucherinnen und Rauchern liegt der Anteil der KHK-Patientinnen und -Patienten bei 9,3 Prozent, in Regionen mit wenigen Rauchenden dagegen bei nur 7,4 Prozent. Dieser Unterschied bleibt auch bestehen, wenn in einem „fairen“, also entsprechend standardisierten, Vergleich unterschiedliche Alters- und Geschlechtsstrukturen berücksichtigt werden. Analysen des Gesundheitsatlas bestätigen zudem, dass materiell und sozial benachteiligte Menschen häufiger von einer KHK betroffen sind als Menschen mit einem hohen sozialen Status.
Strukturierte Behandlung für eine bessere Kontrolle der Erkrankung
Die AOK Baden-Württemberg engagiert sich seit Jahren für eine bessere und strukturierte medizinische Versorgung ihrer Versicherten mit koronarer Herzkrankheit. So existiert bereits seit mehr als zwölf Jahren der Facharztvertrag Kardiologie, in den sich Versicherte und Fachärzte freiwillig einschreiben können. Der Vertrag hat eine optimale Versorgung von chronischen Herzerkrankungen wie KHK im Blick. Er setzt dabei auf regelmäßige vorausschauende Kontrolluntersuchungen für eine frühzeitige und bedarfsgerechte Anpassung der Therapie bei ersten Anzeichen einer sich verschlechternden Herzgesundheit. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass Haus- und Facharzt – in dem Fall der Kardiologe/die Kardiologin – eng zusammenarbeiten und sich gut abstimmen. Eine Evaluation des Facharztvertrages Kardiologie aus dem Jahr 2019 hat gezeigt, dass es signifikant höhere Überlebensraten für Versicherte mit chronischer Herzinsuffizienz (HI) und KHK gibt. Die Hochrechnung aus der Evaluation weist 343 vermiedene Todesfälle bei den selektivvertraglich Versicherten mit KHK aus. Außerdem treten deutlich weniger Krankenhauseinweisungen auf. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führen die Unterschiede auf die verbindliche Versorgungssteuerung, eine intensivere Patientenbetreuung und höhere Qualitätsanforderungen für die beteiligten Fachärzte zurück. Im Jahr 2020 waren rund 120.000 AOK-Versicherte mit einer KHK-Diagnosen in das AOK-FacharztProgramm eingeschrieben. Mehr als 200 Kardiologinnen und Kardiologen nahmen auf Arztseite daran teil.
Auch das Disease-Management-Programm (DMP) „AOK-Curaplan“ für KHK-Patienten ist ein fester Bestandteil der Versorgung. Ziel des DMP ist es, bei den eingeschriebenen Patientinnen und Patienten durch regelmäßige ärztliche Behandlungen und die Vereinbarung individueller Therapieziele das Herzinfarkt-Risiko und die Sterblichkeit zu senken und die Lebensqualität zu erhalten. Krankheitsbedingte Beschwerden aufgrund von Angina pectoris-Anfällen wie Engegefühl in der Brust oder Luftnot sollen so weit wie möglich reduziert werden. Um das zu erreichen, stehe auch ein herzgesunder Lebensstil mit vermehrter Bewegung und gesunder Ernährung im Fokus des AOK-Behandlungs-programms. Dazu gehörten auch Beratungsangebote und Hilfen zum Rauchverzicht.
Innovatives Verfahren ermöglicht Aussagen auf lokaler Ebene
Für den Gesundheitsatlas ist ein Hochrechnungsverfahren zum Einsatz gekommen, das für diesen Zweck vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) in Zusammenarbeit mit der Universität Trier entwickelt worden ist. Es erlaubt auf Basis der Abrechnungsdaten der AOK-Versicherten zuverlässige Aussagen zu Krankheitshäufigkeiten in der gesamten Wohnbevölkerung Deutschlands bis auf die lokale Ebene. Unterschiede zwischen den AOK-Versicherten und der Gesamtbevölkerung in Bezug auf Alter, Geschlecht und Krankheitshäufigkeit werden dabei durch ein innovatives statistisches Verfahren herausgerechnet. Ziel der Analysen des Gesundheitsatlas ist es, den Akteuren vor Ort fundierte Informationen über das Krankheitsgeschehen in ihrer Region bereitzustellen. In die Analyse einbezogen wurden Personen ab 30 Jahren mit einer ärztlich dokumentierten KHK-Diagnose oder einem für die KHK spezifischen Eingriff an den Herzkranzgefäßen.
Der „Gesundheitsatlas Koronare Herzkrankheit“ steht auf der Website des WIdO unter www.gesundheitsatlas-deutschland.de zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Zum Hintergrund
Koronare Herzkrankheit: Was ist das?
Die koronare Herzkrankheit ist eine chronisch verlaufende Erkrankung, bei der atherosklerotische Ablagerungen zu einer Verengung in den Herzkranzgefäßen („Koronargefäßen“) mit der Folge eines verringerten Blutflusses führen. Daraus resultiert ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -angebot im Herzmuskel. Der dadurch entstehende Sauerstoffmangel im Herzmuskel zeigt sich klinisch in einem chronischen oder akuten Koronarsyndrom. Im akuten Zustand spüren Patientinnen und Patienten dies als Angina-pectoris-Anfall oder schlimmstenfalls als Herzinfarkt. Patientinnen und Patienten empfinden dabei ein Gefühl von Enge oder Druck in der Brust, Luftnot und Schmerzen hinter dem Brustbein, die in den Unterkiefer oder linken Arm ausstrahlen können, oder auch den sogenannten Vernichtungsschmerz. Daneben kommen unspezifische Zeichen wie Schweißausbrüche und Übelkeit vor. Bei Patienten mit Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Frauen oder älteren Menschen können die Leitsymptome deutlich geringer ausfallen oder sogar fehlen („stummer Infarkt“). Im Zweifelsfall sollte immer von einem Notfall ausgegangen und medizinische Hilfe gerufen werden.
Die Krankheit kann das Herz langfristig schädigen, sodass eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz), Herzrhythmusstörungen oder ein plötzlicher Herztod die Folge sein können. Die Sterblichkeit bei koronarer Herzkrankheit ist erhöht. Zudem ist die körperliche Belastbarkeit eingeschränkt und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten vermindert.
Risikofaktoren und Primärprävention
Neben einer genetischen Veranlagung, einem höheren Alter und dem männlichen Geschlecht gibt es verschiedene weitere Risikofaktoren, die die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit begünstigen. Dazu zählen Rauchen, Bluthochdruck (Hypertonie), Blutzuckerkrankheit (Diabetes mellitus), starkes Übergewicht (Adipositas), Fettstoffwechselstörungen (Dyslipidämien) und Lebensstilfaktoren (Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung). Die Prävention des Tabakrauchens kann daher zur Vermeidung zukünftiger KHK-Erkrankungen beitragen. Außerdem kann mit einer gesunden Ernährung und ausreichender körperlicher Aktivität das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen deutlich gesenkt werden. Diese Maßnahmen können zudem bei einer bereits bestehenden Herzerkrankung den weiteren Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen.
Die AOK Baden-Württemberg versichert über 4,5 Millionen Menschen im Land und verfügt über ein Haushaltsvolumen von über 20 Milliarden Euro.
Informationen zur AOK Baden-Württemberg unter www.aok.de/bw