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Körpereigenes Kontrollsystem für Wanderung von Immunzellen ins Gehirn entdeckt

Möglicherweise neue Zielstruktur für künftige Therapien

Berlin – Forschern in Berlin ist es gelungen, von Immunzellen ausgelöste Gehirnentzündungen bei Mäusen erheblich zu bessern. Schlüsselrolle spielt dabei ein auf den T-Zellen des Immunsystems im Zentralen Nervensystem (ZNS) von den Forschern entdeckter Rezeptor, der Bradykinin-Rezeptor-1 (B1). Er kontrolliert, wie sie jetzt zeigen konnten, die Wanderung von Immunzellen in das ZNS. Aktivierten sie bei den erkrankten Mäusen den Rezeptor, konnten sie die Wanderung der Immunzellen über die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn bremsen und die Entzündung ging zurück. Dr. Ulf Schulze-Topphoff, Prof. Orhan Aktas und Prof. Frauke Zipp (Cecilie Vogt-Klinik der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Max Delbrück Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und NeuroCure Research Center) haben damit möglicherweise eine neue Zielstruktur für die Behandlung chronischer Entzündungen wie der Multiplen Sklerose entdeckt (Nature Medicine, doi 10.1038/nm.1980)*.

Seit langem ist bekannt, dass fehlgeleitete T-Zellen körpereigenes Gewebe attackieren und dabei, wenn sie in das ZNS einwandern, Erkrankungen wie zum Beispiel die Multiple Sklerose auslösen können. Die T-Zellen zerstören dabei die von Gliazellen gebildete Schutzhülle (Myelinscheide) der Fortsätze von Nervenzellen (Neuronen). Dadurch ist die Weiterleitung der Erregung gestört. Die Folge sind unter anderem Bewegungsstörungen bei den betroffenen Patienten.

Auf die Spur des B1-Rezeptors hatte die Forscher unter anderem die molekulare Analyse entzündlicher Schädigungsgebiete im Gewebe von Patienten mit Multipler Sklerose gebracht. Die Auswertung der Daten ergab, dass zwei einander gegenläufige Systeme, die aus dem Herz-Kreislauf-Bereich bekannt sind, offenbar auch im ZNS eine wichtige Rolle spielen. Dabei handelt es sich zum einen um das Renin-Angiotensin-System, zum anderen um das Kallikrein-Kinin-System, auf das sich die Berliner Forscher konzentrierten.

Der B1-Rezeptor ist Teil des Kallikrein-Kinin-Systems. Die Berliner Wissenschaftler konnten in Zusammenarbeit mit Forschern in Montreal, Kanada, und Stanford, Kalifornien, USA, diesen B1-Rezeptor sowohl auf T-Zellen von Multiple Sklerose Patienten als auch auf T-Zellen von Mäusen mit Gehirnentzündung nachweisen.

Sie stellten fest, dass sich bei Mäusen die Erkrankung verschlimmert und die Behinderung verstärkt, wenn dieser B1-Rezeptor auf T-Zellen der Tiere fehlt. Sie steigerten deshalb die Aktivität des Rezeptors bei den Mäusen, die B1 auf den T-Zellen trugen, mit einer Substanz (Sar-[D-Phe]desArg9-bradykinin) und zeigten, dass sie damit die Wanderung der T-Zellen in das ZNS einschränken konnten. Die Krankheitssymptome besserten sich nachweislich.

„Wir haben damit ein körpereigenes Kontrollsystem entdeckt, das eine vom Immunsystem ausgelöste schädliche Reaktion mindert“, erläutert die Neurologin und MDC-Forschungsgruppenleiterin Prof. Zipp das Ergebnis der Arbeit. „Es bleibt abzuwarten, ob es gelingt, durch Modulation des B1-Rezeptors in Zukunft eine neue Behandlung für chronische Entzündungen im Zentralen Nervensystem wie der Multiplen Sklerose zu entwickeln.“

*Activation of kinin receptor B1 limits encephalitogenic T lymphocyte recruitment to the central nervous system Ulf Schulze-Topphoff1, Alexandre Prat2, Timour Prozorovski1§, Volker Siffrin1, Magdalena Paterka1, Josephine Herz1, Ivo Bendix1, Igal Ifergan2, Ines Schadock3, Marcelo A. Mori3, Jack Van Horssen2, Friederike Schröter1#, May Htwe Han4, Michael Bader3, Lawrence Steinman4, Orhan Aktas1§* & Frauke Zipp1*

(1) Cecilie Vogt Clinic, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Max Delbrück Center for Molecular Medicine and NeuroCure Research Center, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Germany (2) Neuroimmunology Research Laboratory, CHUM – Université de Montréal, Montréal, Canada (3) Max Delbrück Center for Molecular Medicine, Berlin, Germany (4) Department of Neurology and Neurological Sciences, Stanford University, Division of Immunology and Rheumatology, Stanford University School of Medicine, Stanford, California, USA

* OA and FZ contributed equally to this work