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Können Bildung und Beruf die Herz-Kreislauf-Gesundheit und Sterblichkeit beeinflussen?

Pressemitteilung

Mainz – Forschende der Universitätsmedizin Mainz untersuchen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und kardiovaskulären Erkrankungen sowie der Sterblichkeit

Forschende der Kardiologie I des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz haben im Rahmen der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) gezeigt, dass Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status (SES) ein höheres Risiko hatten, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Auch das Sterberisiko der Betroffenen war erhöht. Dabei spielten der Bildungsstand und der Beschäftigungsumfang eine größere Rolle als das Einkommen der Studienteilnehmenden. Die Studienergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift European Journal of Preventive Cardiology veröffentlicht.

Herz-Kreislauferkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sind weltweit die häufigste Todesursache. Rund 18 Millionen Todesfälle sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich auf sie zurückzuführen. Die Ursachen für kardiovaskuläre Erkrankungen sind vielfältig und komplex. Internationale Studien deuten darauf hin, dass unter anderem der sozioökonomische Status (SES) einen Einfluss auf die kardiovaskuläre Gesundheit haben könnte. Der SES wird über den Bildungsstand, den Umfang der beruflichen Tätigkeit und das Einkommen definiert.

Bisherige Studien zum Einfluss des SES auf die Gesundheit wurden jedoch vorrangig in Ländern durchgeführt, in denen der Zugang zur Gesundheitsversorgung vom Einkommen und Beruf abhängt, wie beispielsweise in den USA. Die Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) hingegen basiert auf Daten von Studienteilnehmenden aus Deutschland. Hierzulande ist eine flächendeckende Gesundheitsversorgung gegeben, sodass es diesbezüglich keine soziale Benachteiligung geben sollte. Dennoch haben die Mainzer Wissenschaftler:innen in ihrer Studie festgestellt, dass es mit Hinblick auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit von Studienteilnehmenden mit niedrigem versus hohem SES deutliche Unterschiede gab.

Das Forschungsteam hat im Rahmen der GHS den Einfluss von sozioökonomischen Faktoren auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit über einen Zeitraum von zehn Jahren umfassend untersucht. Rund 15.000 Frauen und Männer im Alter von 35 bis 74 Jahren aus dem Rhein-Main-Gebiet nahmen an der Studie teil. Der SES der Studienteilnehmenden wurde mithilfe eines Fragebogens im Rahmen eines computergestützten Interviews ermittelt.

Bei der Erstuntersuchung lag bei rund 4.000 Studienteilnehmenden eine Herz-Kreislauferkrankung, wie beispielsweise Vorhofflimmern, koronare Herzkrankheit oder Venenthrombose, vor. Die Wahrscheinlichkeit dieser Studienteilnehmenden, an einer bereits bestehenden kardiovaskulären Erkrankung zu leiden, war rund 19 Prozent höher als bei Teilnehmenden mit einem hohen SES.

„Bei der Folgeuntersuchung nach 10 Jahren wurde deutlich, dass Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status ein um 68 Prozent höheres Risiko hatten, eine kardiovaskuläre Erkrankung neu zu entwickeln. Auch die Sterblichkeit war in dieser Gruppe um 86 Prozent höher als bei Studienteilnehmenden mit einem hohen SES. Wir konnten interessanterweise feststellen, dass vor allem die Bildung und der Beschäftigungsumfang der Menschen entscheidend waren und weniger das Einkommen“, erläutert Dr. Omar Hahad, Erstautor der Publikation und Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Kardiologie – Kardiologie I der Universitätsmedizin Mainz.

Den Einfluss des SES auf die kardiovaskuläre Gesundheit konnten die Wissenschaftler:innen auch erkennen, wenn sie diesen unabhängig von Lebensstil-assoziierten Risikofaktoren wie Alkoholkonsum, Rauchen oder körperliche Aktivität betrachteten .

„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass dem sozioökonomischen Status mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss – sowohl bei der Betreuung einzelner Patientinnen und Patienten als auch in klinischen Studien. Daher sollten sozioökonomische Faktoren in Risiko-Scores mit einfließen, um die gesundheitliche Prognose zu verbessern und präventive Maßnahmen früher einleiten zu können“, so Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz.

Die 2007 gestartete Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) ist eine großangelegte, repräsentative Bevölkerungsstudie in der Rhein-Main-Region. Das Ziel ist es, die Risikofaktoren und Ursachen der großen Volkskrankheiten zu identifizieren. Basierend auf einer Bevölkerungsstichprobe wurden in den letzten 15 Jahren mehr als 18.000 Personen hinsichtlich ihrer Gesundheit untersucht. Alle fünf Jahre wird eine Verlaufsuntersuchung durchgeführt. Die Erkenntnisse sollen helfen, die medizinische Prävention, Diagnostik und Therapie zu verbessern.

Originalpublikation:
O. Hahad, D. A. Gilan, J. Chalabi, S. Al-Kindi, A. K. Schuster, F. Wicke, M. Büttner, O. Tüscher, K. J. Lackner, P. R. Galle, S. Konstantinides, A. Daiber, P. S. Wild, T. Münzel, Cumulative social disadvantage and cardiovascular disease burden and mortality, European Journal of Preventive Cardiology, 2023; zwad264.
DOI: doi.org/10.1093/eurjpc/zwad264

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich mehr als 345.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Mehr als 3.500 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie rund 670 Fachkräfte in den verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 8.700 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor.

Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de.