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Kleine Moleküle mit großer Wirkung

Pressemitteilung

Berlin – Der menschliche Organismus benötigt eine Vielzahl von kleinen Molekülen, wie etwa Zucker oder Fette, um richtig zu funktionieren. Die Zusammensetzung dieser so genannten Metaboliten und deren Zusammenspiel, der Stoffwechsel, ist dabei von Mensch zu Mensch individuell verschieden und nicht nur von äußeren Einflüssen, wie etwa der Ernährung, abhängig, sondern in bedeutendem Maß auch von natürlichen Variationen im Erbgut. In einer internationalen Studie haben Wissenschaftler*innen des Berlin Institute of Health (BIH) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie in Großbritannien, Australien und den USA Hunderte bisher unbekannte Variationen in Genen gefunden, die die Konzentration dieser kleinen Moleküle im Blut teils drastisch beeinflussen. Ihre Ergebnisse haben die Forscher*innen nun in der Zeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.

Die Konzentration und Zusammensetzung von Metaboliten, kleine Moleküle im Blut oder in der Gewebsflüssigkeit, geben Auskunft über biologische Vorgänge im menschlichen Körper. Sie dienen deshalb als wichtige Biomarker in der klinischen Medizin, etwa in der Diagnostik von Krankheiten oder zur Kontrolle, ob eine Therapie anschlägt oder nicht. Interessanterweise unterscheidet sich die Zusammensetzung der Metaboliten von Mensch zu Mensch, unabhängig von äußeren Einflüssen wie Krankheit oder Ernährung. Denn auch die Baupläne für die Eiweiße, die die Metaboliten-Konzentration beeinflussen, etwa Enzyme oder Transportproteine, sind individuell verschieden. Oft sind es kleinste genetische Varianten, die bewirken, dass ein Stoffwechsel-Enzym aktiver oder weniger aktiv, dass ein Transportprotein mehr oder weniger leistungsfähig ist und damit die Konzentration von Stoffwechselprodukten höher oder niedriger ausfällt.

Daten von 85.000 Menschen ausgewertet

Das Team von Claudia Langenberg, BIH Professorin für Computational Medicine, untersuchte nun den Effekt von Genvarianten auf 174 verschiedene Metaboliten. „Dabei fanden wir erstaunlich viele Zusammenhänge zwischen bestimmten Genvarianten und Veränderungen in der Konzentration der kleinen Moleküle im Blut. Meist verursachen die Genvarianten Änderungen im Bauplan von zentralen Regulatoren des Stoffwechsels, wie etwa Enzymen oder Transportern,“ berichtet die Epidemiologin.

Um diese Zusammenhänge herauszufinden, benötigten die Wissenschaftler*innen um Claudia Langenberg riesige Datenmengen. „Für unsere Untersuchungen haben wir große Datenbanken genutzt, in denen die Blutwerte und Erbinformationen von insgesamt rund 85.000 Menschen gespeichert sind“, erklärt Maik Pietzner, der Erstautor der Studie und Wissenschaftler in Claudia Langenbergs Labor. „Dabei konnten wir eindrucksvoll zeigen, dass es möglich ist, Daten aus verschiedenen kleinen Einzelstudien auch über Technologiegrenzen hinweg gemeinsam auszuwerten.“

Genvarianten können zu Volkskrankheiten beitragen

Die Arbeit der Wissenschaftler*innen ist medizinische hochrelevant, denn sie kann erklären, wie natürlich vorkommende Genvarianten, die den Stoffwechsel beeinflussen, zu Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus oder zu seltenen Erkrankungen beitragen. So scheinen hohe Spiegel der Aminosäure Serin im Blut vor einer seltenen Augenerkrankungen, der so genannten Makulären Teleangiektasie, zu schützen, was neue Optionen zur Therapie eröffnet. In einer weiteren Studie konnten die Autor*innen zudem zeigen, dass das persönliche genetische Risiko für einen veränderten Stoffwechsel von Serin die frühe Diagnose dieser schweren Augenerkrankung verbessert. Zudem haben sie einen neuen Mechanismus identifiziert, der erklärt, wie eine gestörte Weiterleitung von Signalen durch einen Rezeptor, (GLP2R), das Risiko erhöht, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.

„Eine Besonderheit unserer Studie sind die extremen Effekte, die wir gesehen haben, und deren potenzielle Relevanz für die medizinische Forschung. So konnten wir Genvarianten nachweisen, deren Einfluss auf den Stoffwechsel gut dreimal so stark ist wie bisher bekannte Effekte von häufigeren genetischen Variationen, zum Beispiel auf den Body Mass Index“, erklärt Claudia Langenberg.

Daten sind nur relevant, wenn sie genutzt werden.

Um Wissenschaftler*innen in aller Welt die Verknüpfung ihrer fachspezifischen Expertise mit ihren Daten zu ermöglichen, hat das Team eine interaktive Webseite auf www.omicscience.org eingerichtet. Denn Daten sind nur dann relevant, wenn sie auch genutzt werden können, ist Claudia Langenberg überzeugt. „Wir hoffen sehr, dass diese eindrucksvollen Beispiele andere Wissenschaftlerinnen und Ärzte dazu ermutigen, unsere Ergebnisse auf ihre speziellen Fragestellungen oder Erkrankungen anzuwenden.“

Luca A Lotta, Maik Pietzner, ……,Claudia Langenberg: „A cross-platform approach identifies genetic regulators of human metabolism and health“ Nature Genetics 2021 DOI 10.1038/s41588-020-00751-5 ;

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Über das Berlin Institute of Health (BIH)

Die Mission des Berlin Institute of Health (BIH) ist die medizinische Translation: Erkenntnisse aus der biomedizinischen Forschung werden in neue Ansätze zur personalisierten Vorhersage, Prävention, Diagnostik und Therapie übertragen, umgekehrt führen Beobachtungen im klinischen Alltag zu neuen Forschungsideen. Ziel ist es, einen relevanten medizinischen Nutzen für Patient*innen und Bürger*innen zu erreichen. Dazu etabliert das BIH als Translationsforschungsbereich in der Charité ein umfassendes translationales Ökosystem, setzt auf ein organübergreifendes Verständnis von Gesundheit und Krankheit und fördert einen translationalen Kulturwandel in der biomedizinischen Forschung. Das BIH wurde 2013 gegründet und wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zu zehn Prozent vom Land Berlin gefördert. Die Gründungsinstitutionen Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) waren bis 2020 eigenständige Gliedkörperschaften im BIH. Seit 2021 ist das BIH als so genannte dritte Säule in die Charité integriert, das MDC ist Privilegierter Partner des BIH.