München – Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet voran. ePA, eRezept und DiGA halten ganz aktuell Einzug in den Versorgungsalltag. In den nächsten Jahren werden Anwendungen wie elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Heil- und Kostenpläne beim Zahnarzt oder Impfausweise hinzukommen und so immer mehr Therapien und Dienstleistungen digital verfügbar sein. Das wird unser Gesundheitssystem verändern.
Die positive Entwicklung der voranschreitenden Digitalisierung wird durch ungeklärte Rahmenbedingungen konterkariert
Die voranschreitende Digitalisierung ist eine gute Sache, sie wird unser Gesundheitssystem verbessern. Darin sind sich fast alle einig. Aber: Aktuell werden die Potenziale für die Digitalisierung nicht ausgeschöpft. Projekte werden verschoben oder starten als Feldtests mit geringen Nutzerzahlen – wie zum Beispiel das eRezept, das derzeit in der Region Berlin-Brandenburg erprobt wird, oder die eAU, deren Start immer wieder nach hinten terminiert wird. Zudem sind viele Fragen rund um den Datenschutz ungeklärt und werden nun nachgelagert diskutiert, so bei der elektronischen Patientenakte (ePA). Das macht langfristige Planungen unmöglich und verunsichert die Versicherten.
Unsere Forderung: Es braucht mehr Klarheit für eine nutzerzentrierte Digitalisierung
Um die vollen Potenziale der Digitalisierung auszuschöpfen, braucht es eine Anpassung der Rahmenbedingungen:
1. Klare Zuständigkeiten statt Kompetenzgerangel
Aktuell gibt es keine klaren Zuständigkeiten bei der Weiterentwicklung. So sind die Krankenkassen die Anbieter der ePA, die gematik hat die eRezept-App entwickelt. Für jede Anwendung ist eine eigene App erforderlich. Das erschwert die nutzerzentrierte Weiterentwicklung und schafft eine zerstückelte Angebotslandschaft. Wir plädieren daher für eine klare Aufgabenverteilung.
- Der regulatorische Rahmen der TI wird durch Gesetzgeber und Bundesregierung gesetzt.
- Die Festlegung der für die TI notwendigen Spezifikationen liegt bei der gematik.
- Die Auftraggeber für die konkreten Anwendungen der TI sind die Kassen: Sie betreiben die ePA und gestalten die Angebote. Über eine anbieterneutrale (digitale) Schnittstelle stellen sie diese den Versicherten zur Verfügung. Dazu müssen die Kassen an die TI angebunden werden, denn nur so können sie zum Beispiel die für ihre Versicherten entwickelten Lösungen zum Einsatz bringen.
- Die Entwicklung der Angebote selbst (im Auftrag der Krankenkassen) liegt in den Händen von Industrieanbietern.
2. Gesundheitsschutz und Datenschutz in Balance
Gesundheitsdaten sind äußerst sensible Daten, die vor dem Zugriff von außen geschützt werden müssen. Allerdings ist der Datenschutz aktuell so geregelt, dass er einer nutzerfreundlichen und vernetzenden Weiterentwicklung der Digitalisierung im Weg steht:
- Der Zugriff auf die diversen digitalen Anwendungen ist jeweils unterschiedlich geregelt. Es gibt verschiedene Identifizierungs- und Authentifizierungsverfahren, sodass die Funktionsweise bei jeder App anders ist. Das macht den Zugang zu den Angeboten kompliziert. Wir plädieren daher für einen einheitlichen Zugriffsweg für alle Anwendungen des digitalen Gesundheitsnetzes, der TI. Die Verwaltung dieses Zugangs sollte bei den Krankenkassen liegen, die bereits heute die elektronische Gesundheitskarte ausgeben.
- Gleiches gilt für die Einwilligungen, die Versicherte für den Zugriff und die Nutzung von Daten geben müssen. Auch hier braucht es eine klare Regelung und kein Nebeneinander von verschiedenen Lösungen. Und: Die Versicherten müssen die Möglichkeiten haben, die Einwilligungen so zu vergeben, wie er oder sie das möchte. Das ist aktuell nicht der Fall. Ein Beispiel: Versicherte dürfen ihren Krankenkassen keinen Zugriff auf die Daten der ePA geben – selbst wenn sie dies möchten. Das erschwert die Beratung und macht vernetztes Arbeiten schwierig.
3. Eine gemeinsame, tagesaktuelle Datenbasis für alle
Gute Versorgung braucht Zusammenarbeit. Das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Akteuren im Gesundheitswesen sollte als ein fester Bestandteil in der Versorgungsgestaltung etabliert werden.
Ein Beispiel: Eine Versicherte hat Rückenschmerzen. Sie ist gerade frisch umgezogen und kennt an ihrem neuen Wohnort noch keinen Orthopäden. Sie ruft ihre Krankenkasse an und lässt sich beraten. Die Beraterin der Kasse empfiehlt einen Arzt, bei dem sie auch gleich einen Termin ausmacht. Der Arzt verordnet eine Physiotherapie, die Kasse gibt noch den Hinweis, die Physiotherapie mit einer DiGA zu ergänzen. So kann im Zusammenspiel zwischen Versicherter, Kasse, Arzt und Physiotherapeut die in diesem Fall beste Therapie gefunden werden.
Grundlage für eine solche Vorgehensweise ist eine gemeinsame Datenbasis für die Beratung der Versicherten durch Leistungserbringer*innen und Kassen. Denn nur mit dem gleichen Wissensstand können alle ihre Kompetenzen einbringen, um gemeinsam die beste und individuell geeignete Versorgung für den Versicherten zu realisieren.
Ein digitalisiertes Gesundheitswesen macht den Versichertenalltag einfacher und trägt zu verbesserter Versorgung bei
Versicherte und Patient*innen profitieren in zweifacher Hinsicht von konsequenter Digitalisierung im Gesundheitswesen:
- Digitalisierung macht den Alltag in vielen Dingen einfacher. Es ist natürlich für den Versicherten komfortabler, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung elektronisch an Krankenkasse und Arbeitgeber weitergeleitet wird, wenn sie Befundbriefe nicht von einem Arzt zum anderen tragen müssen oder das Rezept in der Apotheke online eingelöst werden kann.
- Digitalisierung kann Versorgung verbessern – und zwar indem sie die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren erleichtert. Wenn alle an einer Behandlung Beteiligten sich gleichberechtigt und auf Augenhöhe austauschen, ist das der beste Weg, um gemeinsam die beste und individuell geeignete Versorgung für den Versicherten zu realisieren.
Vertiefende Informationen
Wer ist wer im digitalen Gesundheitswesen – eine Auswahl wichtiger Akteure
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
Das BMG ist federführend im Bereich der Gesundheitspolitik und damit für die Ausarbeitung der entsprechenden Gesetzesvorhaben, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften zuständig. Das gilt selbstverständlich auch für die Weiterentwicklung des digitalen Gesundheitswesens.
Gesellschaft für Telematik (gematik)
Die Gesellschaft für Telematik, kurz: gematik, wurde 2005 gegründet. Der gesetzliche Auftrag der gematik umfasst die Einführung, den Betrieb und die Weiterentwicklung der Telematikinfrastruktur (der sicheren Datenautobahn für das Gesundheitswesen), der elektronischen Gesundheitskarte sowie zugehöriger Fachanwendungen und sogenannter weiterer Anwendungen für die Kommunikation zwischen Heilberuflern, Kostenträgern und Versicherten. Sie ist auch Anbieterin der eRezept-App.
Die Krankenkassen
Krankenkassen zahlen nicht nur digitale Gesundheitsanwendungen, sie sind Anbieter von digitalen Lösungen, Betreiber der ePA – und sie haben seit jeher als Einzige den Gesamtblick auf alle Abrechnungs-, Leistungs- und Versicherungsdaten. Sie überblicken so die individuelle Versorgungssituation ihrer Versicherten. Sie garantieren einen verlässlichen, reglementierten und hohen Datenschutz der Versichertendaten. Kassen können ohne kommerzielles Eigeninteresse im Sinne der Versicherten und der Versichertengemeinschaft agieren.
Aktuell wichtige Angebote im digitalen Gesundheitswesen
Elektronische Patientenakte (ePA)
Die ePA ist eine digitale Plattform, auf der gesetzlich Krankenversicherte ihre Gesundheitsdaten wie Arztbriefe, Medikationspläne oder Befunde sicher speichern und zukünftig auch mit ihren Ärzt*innen teilen können. Die elektronische Patientenakte nutzen die Versicherten in Form einer App auf ihrem Smartphone, die seit Anfang 2021 von ihrer Krankenkasse zur Verfügung gestellt wird. So haben sie die Möglichkeit, immer und überall ihre Gesundheitsdaten aufzurufen, ob bei ihren Fachärzt*innen vor Ort oder auch im Urlaub. Sie haben jederzeit den Überblick über ihre Daten und können sicher sein, dass alle ihre Ärztinnen und Ärzte immer auf dem aktuellen Stand sind. Die Daten sind geschützt abgelegt und jeder entscheidet selbst, mit wem er seine Daten teilt.
Elektronisches Rezept (eRezept)
Ab 2022 können gesetzlich Versicherte ihre Rezepte für Medikamente sicher und einfach per App erhalten, einlösen und verwalten. Das eRezept ersetzt den heutigen „rosa Zettel“ für alle Verordnungen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Das eRezept wird vom Arzt erstellt und im Gesundheitsnetz sicher und verschlüsselt gespeichert. Patient*innen haben Zugriff auf das Rezept über die eRezept-App der gematik. Dafür benötigen sie ein entsprechendes Smartphone, eine NFC-fähige Gesundheitskarte und eine PIN. Sie können aber auch einen Ausdruck von ihrem Arzt erhalten. Mit der App oder dem Ausdruck können sie dann das eRezept in der Apotheke einlösen.
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)
DiGAs sind zertifizierte Medizinprodukte zur Erkennung, Überwachung, Behandlung und Linderung von Krankheiten oder Behinderungen, wie beispielsweise digitale Tagebücher für Diabetiker, Migräne-Tracker oder digitale Anwendungen für Bluthochdruckpatienten. Patient*innen haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Apps zur Gesundheitsversorgung. Sie können vom Arzt oder Psychotherapeuten verordnet oder auf Antrag von der Krankenkasse genehmigt werden. Voraussetzung dafür ist, dass digitale Gesundheitsanwendungen ein Prüfverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgreich durchlaufen haben und in einem neu zu schaffenden Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA-Verzeichnis) gelistet sind.
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Über die SBK
Die SBK Siemens-Betriebskrankenkasse ist die größte Betriebskrankenkasse Deutschlands und gehört zu den 20 größten gesetzlichen Krankenkassen. Als geöffnete, bundesweit tätige Krankenkasse versichert sie mehr als eine Million Menschen und betreut über 100.000 Firmenkunden in Deutschland – mit mehr als 1.800 Mitarbeiter*innen in 86 Geschäftsstellen.
Seit über 100 Jahren setzt sich die SBK persönlich und engagiert für die Interessen der Versicherten ein. Sie positioniert sich als Vorreiter für einen echten Qualitätswettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung. Voraussetzung dafür ist aus Sicht der SBK mehr Transparenz für die Versicherten – über relevante Finanzkennzahlen, aber auch über Leistungsbereitschaft, Beratung und Dienstleistungsqualität von Krankenkassen. Im Sinne des Kunden vereint die SBK darüber hinaus das Beste aus persönlicher und digitaler Welt und treibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen aktiv voran.