Hamburg, im Mai 2013 – Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit und einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Doch oft gelingt es einfach nicht, den Blutdruck allein mit Tabletten in den Griff zu bekommen. Mit einem ganz neuen Behandlungsansatz, der renalen Denervation, können Radiologen bei Patienten den Blutdruck senken, bei denen Medikamente an ihre Grenzen stoßen. Wegweisend auf diesem Gebiet sind Radiologen des Universitätsklinikums Düsseldorf, die auf dem 94. Deutschen Röntgenkongress die neue Methode vorstellen.
Die Entstehung von zu hohem Blutdruck ist ein komplexer Prozess, der längst noch nicht in allen Details verstanden ist. Eine wichtige Bedeutung kommt den Nieren mit verschiedenen Mess- und Regelsystemen zu. Viele der Medikamente, die heute beim Bluthochdruck eingesetzt werden, zielen auf die eine oder andere Weise drauf, die Muskulatur der Gefäßwände vor allem in den arteriellen Blutgefäßen zu „entspannen“ und so den Blutdruck zu senken.
Heiße Methode gegen hohen Druck
Einer der Einflussfaktoren auf den Blutdruck, der sich mit Medikamenten bisher eher schlecht beeinflussen lässt, ist das Nervensystem, und hier insbesondere das vegetative Nervensystem der inneren Organe. „Für die Blutdruckregulation besonders wichtig ist ein dichtes Netz an Nervenfasern, das sich um die Nierenarterien rankt“, betont Privatdozent Dr. Dirk Blondin, leitender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf.
Dieses Nervengeflecht liegt in der äußeren Gefäßwand, der sogenannten Adventitia. Seine Nervenfasern aktivieren einerseits die Muskelzellen in der Blutgefäßwand. Sie sind außerdem an der körpereigenen „Blutdruckmessung“ und damit über verschiedene Regelkreise an der Blutdruckregulation beteiligt. Das neue Verfahren der renalen Denervation, über das beim Deutschen Röntgenkongress 2013 intensiv diskutiert werden wird, zielt darauf ab, das Nervengeflecht im Umfeld der Nierenarterien durch Hitze teilweise zu beseitigen und dadurch eine Absenkung des Blutdrucks zu erreichen.
Mit Hitze geht‘s an die Nervenfasern
Dazu wird über die Leistenarterie – ähnlich wie bei Herzkatheteruntersuchungen – ein Katheter eingeführt und dann zunächst in die eine, danach in die andere Nierenarterie vorgeschoben. Dort erfolgt eine so genannte Ablation: „Wir bringen mit Hilfe unterschiedlicher Systeme Hitze in die Gefäßwand, die so dosiert wird, dass wir im Bereich des Nervengeflechts eine Temperatur von 60 bis 70 Grad erreichen“, so Blondin. Das ist heiß genug, um die feinen Nervenfasern zu zerstören, aber nicht so heiß, dass der Rest des Gewebes Schaden nehmen würde.
Der Effekt dieser Behandlung ist teilweise sehr eindrucksvoll: „Wir haben mittlerweile Erfahrungen mit weit über 80 Patienten und sehen im Mittel eine Verringerung des systolischen Blutdrucks um 22 mmHg und des diastolischen Blutdrucks um 12 mmHg.“ Für viele Patienten wird die renale Denervation damit zum entscheidenden Schritt, der in Ergänzung zur medikamentösen Behandlung eine Normalisierung des Blutdrucks erlaubt.
Gewinner sind auch Herz und Nieren
Beim Röntgenkongress stellen Blondin und seine Kollegen eine neue, retrospektive Studie vor, bei der sie anhand eines der derzeit zur Verfügung stehenden Kathetersysteme bei 39 Patienten untersucht haben, wie umfangreich die Ablationen in den beiden Nierenarterien sein sollten. „Anfangs galt, dass vier Ablationspunkte pro Nierenarterie ausreichend sind. Wir können aber zeigen, dass die Ergebnisse besser sind, wenn die Zahl der Ablationspunkte erhöht wird“, so Blondin.
In der Studie hatten Patienten mit durchschnittlich 15 Ablationen (rechte und linke Nierenarterie zusammen gezählt) nach sechs Monaten signifikant niedrigere Blutdruckwerte als Patienten mit durchschnittlich nur zehn Ablationen. „Wir empfehlen deswegen, pro Nierenarterie mindestens sechs Ablationspunkte zu setzen, sofern die individuelle Anatomie der Blutgefäße das erlaubt.“
Besonders spannend ist, dass die renale Denervation neben der Blutdrucksenkung auch noch andere günstige Effekte auf das Herz-Kreislauf-System zu haben scheint. „Es gibt beispielsweise erste Daten, die darauf hindeuten, dass die Nierenfunktion günstig beeinflusst wird. Auch ein gewisser schützender Effekt auf das Herz wurde beobachtet“, betont Blondin. Daher ist weitere Forschung notwendig, um eine Ausweitung der Behandlungsindikation der Methode zu überprüfen.