Berlin – Die knapp 70 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland haben im Jahr 2012 insgesamt 633 Millionen Arzneimittelpackungen von niedergelassenen Ärzten verordnet bekommen. In diesen Arzneimitteln waren 37,9 Milliarden Tagesdosen enthalten. Rein rechnerisch nimmt damit jeder Versicherte Tag für Tag 1,5 Arzneimittel ein. Am häufigsten wurden Bluthochdruckmittel verordnet, so eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).
Die Menge der verordneten Tagesdosen ist ausgehend von 26,1 Milliarden im Jahr 2004 um 45 Prozent auf 37,9 Milliarden im Jahr 2012 angestiegen. Damals reichte die Menge aus, jeden Versicherten an jedem Tag im Jahr mit nur einem Arzneimittel zu behandeln. Heute sind es bereits 1,5 Arzneimittel. „Dabei ist bekannt, dass der Arzneimittelverbrauch insbesondere bei älteren Menschen hoch ist und mit der Anzahl der Erkrankungen ansteigt. Außerdem haben Frauen generell einen um 20 Prozent höheren Verbrauch an Arzneimitteln als Männer“, sagte Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Die aktuellen Analysen des WIdO basieren auf der Klassifikation der deutschen Arzneimittel mit Tagesdosen, die helfen, die Reichweite von Arzneimittelverordnungen zu analysieren. Diese Klassifikation ermöglicht Experten aus Wissenschaft und Praxis herauszufinden, welche der knapp 68.000 verschiedenen verordneten Arzneimittelpackungen mit welchen der knapp 2.500 verschiedenen Wirkstoffen in welchen Mengen im Jahr 2012 verbraucht wurden.
Der Blick auf das Wirkstoffprofil des Jahres 2012 zeigt deutlich, dass die großen Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen oder Diabetes medikamentös therapiert werden. So vereinigen die 20 meistverordneten Wirkstoffklassen mit ihren 841 einzelnen Wirkstoffen bzw. Wirkstoffkombinationen bereits mehr als 86 Prozent aller verordneten Tagesdosen. 20,8 Prozent der im Jahr 2012 verordneten Tagesdosen entfielen allein auf die Bluthochdruckmittel mit ACE-Hemmern und Sartanen.
Seit 1981 analysiert das WIdO mit dem GKV-Arzneimittelindex den deutschen Arzneimittelmarkt. Ziel ist eine verbesserte Anwendungs- und Markttransparenz. Denn erst die eindeutige Zuordnung von Arzneimitteln mithilfe der ATC-Systematik und die Messung der verordneten Arzneimittelmenge mit definierten Tagesdosen (defined daily doses, DDD) ermöglicht eine tiefergehende und reproduzierbare Analyse der Verordnungsdaten in Deutschland. Hierfür stellt die aktuelle Klassifikation Kategorien für mehr als 7.000 Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen auf fünf verschiedenen anatomischen, therapeutischen und chemischen Ebenen sowie die zugehörigen Tagesdosen (DDD) als Maßeinheit zur Verbrauchsmessung zur Verfügung.
Das umfassende Klassifikationssystem basiert auf dem international geltenden anatomisch-therapeutisch-chemischen (ATC) System der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und wurde speziell an die Situation des deutschen Arzneimittelmarktes angepasst und erweitert. „Seit nunmehr zwölf Jahren wird die Systematik einschließlich der vollständigen Methodik der ATC-Klassifikation und DDD-Festlegung jährlich veröffentlicht und hat sich in der Fachwelt als methodischer „Goldstandard“ bei der Durchführung von Arzneimittelanalysen und in der Arzneimittelverbrauchsforschung etabliert“, so Schröder.
Zu den Nutzern zählen beispielsweise die GKV-Arzneimittelschnellinformation (GAmSI), die Ärzten Informationen über ihr Verordnungsverhalten zur Verfügung stellt. Seit 2009 dient die Klassifikation auch zur Identifikation erkrankter Versicherter im Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs. Die Klassifikation ist außerdem seit acht Jahren Grundlage für die Arbeitsgruppe ATC/DDD. In dem Verfahren erklärt das Bundesministerium für Gesundheit diese unter Einbindung von Krankenkassen, Ärzten und Pharmaindustrie jeweils zum 1. Januar für amtlich.
Die ATC-Systematik des GKV-Arzneimittelindex berücksichtigt sowohl die aktuelle internationale Systematik als auch nationale Anpassungen für Deutschland und bildet damit den gegenwärtigen Arzneimittelmarkt in Deutschland umfassend ab. Die vollständige Publikation des ATC-Index mit DDD-Angaben einschließlich der Methodik der ATC/DDD-Klassifikation ist ab sofort auf der Website des WIdO kostenfrei als Download abrufbar.
Mehr Infos im Internet: www.wido.de/arz_atcddd-klassifi.html