Berlin – Mit gedämpften Erwartungen geht die Diagnostikaindustrie in das Jahr 2020. Dies ist das Ergebnis der jüngsten Branchenumfrage, die der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) heute in Berlin vorstellt. Zu ihren wirtschaftlichen Erwartungen wurden die im Verband vertretenen Hersteller von In-vitro-Diagnostika (IVD) befragt. Sie bilden etwa 90 Prozent des deutschen Marktes ab.
„Die wichtigsten Stimmungsindikatoren der Branche sind rückläufig“, sagt Ulrich Schmid, Vorstandsvorsitzender des VDGH. „Fast 60 Prozent der befragten Unternehmen erwarten eine Stagnation oder Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation. Für den deutschen Markt sind die Umsatz- und Gewinnerwartungen vorsichtiger als im Vorjahr“, erläutert Schmid. Gründe hierfür liegen insbesondere in den restriktiven Vergütungen ärztlicher Laborleistungen und dem hohen Preisdruck auf die Hersteller, vor allem im automatisierten Massengeschäft. Drei Viertel der Unternehmen prognostizieren für den Inlandsmarkt eine schlechtere Entwicklung als für die Auslandsmärkte. „Die Rahmenbedingungen in Deutschland lassen der IVD-Branche wenig Spielräume für Wachstum“, kritisiert Schmid.
Echte Wachstumspotenziale bestehen bei erfolgreichen Innovationen. Mehr als 80 Prozent der Befragten wollen gleichbleibend oder sogar mehr als im Vorjahr in Forschung und Entwicklung investieren. Die Branche investiert etwa 10 Prozent ihres Umsatzes in F&E; sie liegt damit in der Forschungsintensität unter allen Industriezweigen in Deutschland auf dem zweiten Platz.
Die IVD-Branche beschäftigt hierzulande rund 25.000 hochqualifizierte Menschen. Die Beschäftigungsdynamik ist leicht zurückgegangen. „Unser Thema ist der Fachkräftemangel“, sagt Ulrich Schmid. Über 80 Prozent der Unternehmen signalisieren Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal, insbesondere für Verkauf, Marketing und Kundendienst, zu finden. Auch für die Umsetzung der verschärften regulatorischen Anforderungen durch das neue europäische Medizinprodukterecht braucht die Branche Experten. 70 Prozent der Befragten sehen hier zusätzlichen Personalbedarf, 95 Prozent der Unternehmen erwarten allgemein Kostensteigerungen. „Dramatisch wird es, wenn der Engpass bei den Benannten Stellen nicht zügig aufgelöst wird“, warnt der VDGH-Vorsitzende. Zwei Jahre vor Geltungsbeginn der neuen IVD-Verordnung sind erst drei Benannte Stellen nach den neuen Regelungen anerkannt – derzeit sorgen ca. 20 dieser unabhängigen Prüfinstitutionen für das EU-konforme Inverkehrbringen der Produkte.
Hoffnung setzen die IVD-Unternehmen auf die Digitalisierung des Gesundheitswesens und in die Entwicklung digitaler Gesundheitsanwendungen. Dazu gehören z. B. Apps, die als digitales Diabetestagebuch fungieren. Für 40 Prozent der IVD-Unternehmen spielt „Digital Health“ schon jetzt eine Rolle, perspektivisch werden es rund 90 Prozent sein. „Druck kommt hier auch von der Patientenseite ins System. Für digitale Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung muss es angemessene Vergütungspositionen und schnelle Bewertungsverfahren geben“, sagt Schmid auch mit Blick auf die laufenden Gesetzgebungsverfahren.
Rückblickend ist der deutsche IVD-Markt im Jahr 2019 leicht geschrumpft und beläuft sich auf 2,13 Mrd. Euro. Nach vorläufigen Zahlen beträgt das Umsatzminus 1,3 Prozent. Der Markt für das Zentrallabor verzeichnet ein leichtes Wachstum, getragen durch die Immunochemie und die Mikrobiologie. Deutlich zurückgegangen ist das Marktvolumen für Blutzuckerselbsttests. Hier findet auch ein technologischer Umbruch statt, der statistisch noch nicht erfasst werden kann. „In der Kombination herkömmlicher und neuer Technologien ist das Selbstmanagement der Diabetiker ein Wachstumssegment“, sagt Schmid. Nach jüngsten Expertenschätzungen dürften 9 Millionen Menschen in Deutschland von Diabetes betroffen sein.
Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) vertritt als Wirtschaftsverband die Interessen von rund 100 in Deutschland tätigen Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von fast 4,5 Milliarden Euro. Sie stellen Untersuchungssysteme und Reagenzien zur Diagnose menschlicher Krankheiten her, mit denen ein Umsatz von 2,2 Milliarden Euro erzielt wird, sowie Instrumente, Reagenzien, Testsysteme und Verbrauchsmaterialien für die Forschung in den Lebenswissenschaften, mit denen ein Umsatz von 2,3 Milliarden Euro erwirtschaftet wird.