Mehr Reichweite im Gesundheitsmarkt

Schließen

Registrierung

Melden Sie sich noch heute an, um gezielt und effektiv Ihre Nachrichten in der Gesundheitsbranche verbreiten zu können.

Kontoinformationen

Ansprechpartner:in

Adresse

Kontakt

Es wurde eine E-Mail zur Bestätigung an Sie gesendet. Nach der Bestätigung sind Sie erfolgreich registriert.


Ist liberaler wirklich besser?

„Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland/ Die Apotheke hilft“, Ausgabe Oktober 2007

Essen – Das neue, kostenlose Medium von Apotheken für Patienten, die “Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland”, erscheint auch im Oktober mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren. Auf mehreren Seiten informiert sie Apothekenkunden einmal im Monat über interessante Gesundheitsthemen und gesundheitspolitische Hintergründe.

Die Titelseite der Oktoberausgabe stellt das deutsche Gesundheitssystem dem der USA gegenüber und verdeutlicht auf anschauliche Weise, welche Gefahren von einer Liberalisierung des Arzneimittelmarktes ausgehen. Bereits die neuen Vertragsmöglichkeiten zwischen Kassen und Pharmaherstellern drohen das einzuläuten, was in den USA seit Jahren bittere Realität ist: Stark überhöhte Arzneimittelpreise, die das System belasten und medizinische Leistungen für Versicherer und Patienten unbezahlbar machen.

LIBERALER = BESSER?

Daniel Rücker, Eschborn. Bei den meisten Wirtschaftsexperten steht der Wettbewerb hoch im Kurs. Die Qualität steigt, die Preise sinken, sagen sie. Doch so pauschal ist das nicht richtig. Im Gesundheitswesen und speziell bei Arzneimitteln funktioniert Wettbewerb nur bedingt. Das belegt auch ein Blick auf die Gesundheitsversorgung in den USA.

Kein Gesundheitssystem der Welt ist so teuer wie das amerikanische – und kaum eines ist so wenig effizient. Nirgendwo kosten Arzneimittel so viel. Gleichzeitig haben fast 50 Millionen Menschen keine Krankenversicherung. Ein wesentlicher Grund für den katastrophalen Zustand sind fehlende staatliche Rahmenbedingungen. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es keine Versicherungspflicht. Jetzt regt sich langsam Widerstand. Gesundheitsexperten und vor allem demokratische Politiker fordern ein Umdenken. Vor allem die mögliche Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton setzt sich für eine allgemeine Krankenversicherungspflicht ein. Und eine mächtige Organisation, der Seniorenverband AARP (American Association for retired Persons) macht mit seinen fast 40 Millionen Mitgliedern der Politik Druck. Der Wettbewerb hat in den USA aber nicht nur beim Versicherungsschutz versagt. Er hat den Amerikanern auch die höchsten Preise für die meisten Gesundheitsleistungen beschert. Pro Kopf geben die Amerikaner doppelt so viel für Gesundheit aus wie die Deutschen – obwohl rund ein Sechstel nicht versichert ist. An den Arzneimitteln lässt sich gut nachvollziehen, warum freier Wettbewerb und fehlende Regulierungen die Preise nach oben treiben. In Deutschland werden die Arzneimittelausgaben durch zahlreiche Gesetze, Verträge und Richtlinien erfolgreich in Schach gehalten. Erstattungsobergrenzen, Rabatte der Apotheken an die Krankenkassen, staatlich festgelegte Spannen für Großhandel und Apotheken sowie eine Preisbindung verhindern einen starken Preisanstieg. Dank dieser Regelungen liegen die deutschen Arzneimittelpreise heute im europäischen Mittelfeld. In den USA gibt es diese Wettbewerbsbegrenzungen nicht. Für die meisten Medikamente legen die Pharmaunternehmen die Preise allein nach ihren Vorstellungen fest. Die Krankenversicherungen zahlen. Die Lehre, dass der Wettbewerb unter den Pharmaunternehmen auch die Preise reguliert, gilt hier nicht. Deshalb kosten manche Medikamente in den USA mehr als doppelt so viel wie in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Bei näherem Hinsehen ist das nicht einmal verwunderlich. Der Arzneimittelmarkt ist mit anderen Märkten nicht zu vergleichen. Es gibt keine vernünftige Balance zwischen Angebot und Nachfrage. Wer krank ist, der ist auf bestimmte Medikamente angewiesen. Ein Krebspatient kann nicht auf das beste Zytostatikum verzichten und der Onkologe kann es auch nicht. Es wäre unethisch, einem Schwerkranken ein Medikament zu verweigern, nur weil es teuer ist. Der Nachfrager hat keine Wahl, er muss kaufen. So kann Wettbewerb nicht funktionieren. Der Wettbewerb im Arzneimittelmarkt hat nicht nur bei den Herstellerpreisen Schwächen. Bei den Handelsstufen, also Großhandel und Apotheke, ist ein liberalisierter Markt ebenfalls nicht unbedingt ein Vorteil. Das gilt vor allem für den Apothekenmarkt. In den USA, aber auch in einigen europäischen Ländern, dürfen auch Kapitalgesellschaften Apotheken besitzen. In Deutschland ist dies verboten. Nur Apotheker dürfen eine Apotheke und maximal drei weitere Filialen betreiben. Leidvolle Erfahrungen mit der Deregulierung der Arzneimittelversorgung hat Norwegen gemacht. Bis zum Beginn dieses Jahrhunderts hatte es ähnliche Regelungen wie Deutschland. Im Jahr 2001 wurde der Apothekenmarkt völlig freigegeben. Ein Jahr später gehörten mehr als 80 Prozent der Apotheken drei Großhändlern. Sie teilen sich den Markt auf. Die Arzneimittelpreise sind seitdem nicht gesunken, sondern gestiegen. Gleichzeitig wurde die Versorgung schlechter. Da von Kapitalgesellschaften betriebene Apothekenketten immer eine Gewinnmaximierung im Blick haben, wurden weniger profitable Apotheken auf dem Land und in Kleinstädten ersatzlos geschlossen. Eine ähnliche Entwicklung gab es in Großbritannien. Dort unterstützt der staatliche Gesundheitsdienst nun 500 Apotheken auf dem Land mit einem Zuschuss, damit die Apotheker nicht Pleite gehen und die Arzneimittelversorgung aufrecht gehalten werden kann. Obwohl die Liberalisierung des Arzneimittelmarktes in den meisten Ländern keine Erfolgsgeschichte ist, hat sie auch in Deutschland Fürsprecher. Einige Ökonomen fordern, Apothekenketten zu erlauben und die Preisbindung bei Arzneimitteln aufzuheben. Verschiedene Handelskonzerne sähen das ebenfalls gern, denn sie möchten ins Arzneimittelgeschäft einsteigen. In der Politik haben diese Ideen bislang noch keine große Unterstützung. Bis auf die Grünen lehnen alle Bundestagsparteien einen freien Wettbewerb bei Arzneimitteln ab; sie kennen die negativen Erfahrungen anderer Länder. Die Frage ist nur wie lange. In Deutschland sind Gesundheitsreformen fast häufiger als Weihnachten. Spätestens 2009 steht die nächste an. Was dabei herauskommt, ist völlig ungewiss.

WETTBEWERB OHNE SINN Ein Kommentar von Daniel Rücker

Staatliche Eingriffe sind für viele Ökonomen Teufelswerk. Sie setzen auf den Wettbewerb. Auch negative Erfahrungen im amerikanischen Gesundheitswesen ändern daran nichts. Im Gegenteil: Sie beharren darauf, die Arzneimittelversorgung in Deutschland sollte liberalisiert werden, und können sich dem Applaus derer sicher sein, die daran verdienen möchten. Nicht wenige Handelskonzerne und Drogeriemärkte würden sich gerne ein Stück vom Arzneimittelkuchen abschneiden. Immerhin: Noch gibt es keine Mehrheit für ein Gesundheitswesen, das der Markt regiert. Dabei muss es auch bleiben. Die Fehler in den USA dürfen sich in Deutschland nicht wiederholen. Ohne regelnde Rahmenbedingungen funktionieren Gesundheitswesen und Arzneimittelversorgung nicht. Im freien Wettbewerb treiben die stärksten Leistungsanbieter die Preise nach oben, die Qualität steigt nicht. Es gibt also gute Gründe, den Wettbewerb nicht als Ziel an sich zu begreifen, sondern als selektives Mittel, bestimmte Ziele zu erreichen. Das deutsche System der Arzneimittelversorgung funktioniert insgesamt recht gut. Wer es verändern will, der muss nachweisen, dass er es verbessert. Das dürfte jedoch schwerfallen.