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Isothiocyanate tragen zur Reduzierung der bakteriellen Resistenzentwicklung bei

Isothiocyanate tragen zur Reduzierung der bakteriellen Resistenzentwicklung bei

Aktuelle Studie der Universitäten London und Accra [Ghana]:

Eschborn – In Deutschland sterben jährlich etwa 2.400 Menschen an multiresistenten Bakterien[1]. Eine wesentliche Ursache für die Ausbreitung von Resistenzen ist die Fähigkeit der Erreger, durch direkten Kontakt von Zelle zu Zelle (Konjugation) genetische Informationen auszutauschen und so wirksame Mechanismen gegen Antibiotika zu streuen. Um die Ausbreitung resistenter Keime einzudämmen, fordern Experten daher seit vielen Jahren, bei einfachen unkomplizierten Infektionen wie akuten Harnwegsinfektionen den Einsatz von Antibiotika abzuwägen und bevorzugt be­währ­te und antibakteriell wirksame Pflanzenstoffe wie die Senföle (Isothiocyanate, ITC) einzusetzen[2]. Eine aktuelle britisch-ghanaische Studie liefert weitere Hinweise dafür, dass ITC einen Beitrag zur Entschärfung des Resistenzproblems leisten können[3]. Die Wissenschaftler untersuchten fünf verschiedene ITC – darunter Benzyl-ITC aus der Kapuzinerkresse sowie Phenylethyl- und Allyl-ITC aus dem Meerrettich – hinsichtlich ihres Potentials, den Austausch bakterieller Resistenzgene bei E. coli, dem Hauptauslöser von Blasenentzündungen, zu unterbinden. Benzyl-ITC zeigte in der Studie die größte Hemmwirkung auf die Konjugation und damit auf die Verbreitung der drei von vier getesteten Resistenzplasmide. „Die Ergebnisse könnten die Beobachtungen früherer Studien erklären, die gezeigt haben, dass es sich bei den Senfölen um Substanzen mit zahlreichen antimikrobiellen Wirkmechanismen an diversen Angriffspunkten handelt, sagt Prof. Uwe Frank, Freiburg, der die ITC-Grundlagen­forschung durchgeführt hat. „Auf Grund der multimodalen Wirkansätze dieser Pflanzenstoffe wird bei Bakterien die Entwicklung möglicher Resistenzmechanismen gegen die Senföle deutlich erschwert“, so Frank weiter.

Die Konjugation ist ein Mechanismus, der Bakterien erlaubt, in Plasmiden befindliches Genmaterial von einer Zelle in die nächste zu transferieren. Ziel ist es, das Überleben und die Widerstandsfähigkeit der Spezies bei sich verändernden Umweltbedingungen zu erhalten. Dieser Mechanismus trägt auch dazu bei, die für Bakterien schädlichen Wirkungen von Antibiotika abzuwehren. Der genetische Austausch darüber, wie die Wirkung eines Antibiotikums vermieden werden kann, führt zu resistenten Keimen.[2]

Allyl- und Benzyl-ITC hemmen Konjugation am stärksten

Um auf die Bildung von Resistenzen zu reagieren fokussierte sich die medizinische Forschung bislang darauf, immer wieder neuer Klassen von Antibiotika zu identifizieren, zum Beispiel solche, die die Biosynthese der Zellwand oder -membran hemmen[3]. Doch birgt jede neue Entdeckung die Gefahr, dass die Bakterien zügig und erneut Resistenzen hervorbringen. Die Entwicklung von Resistenzen scheint dabei ein zentrales, uraltes Wesensmerkmal dieser Organismen zu sein – denn Antibiotikaresistenzen wurden sogar bei Höhlenbakterien in New Mexico/USA gefunden, die seit vier Millionen Jahren isoliert lebten[4].

Um dem Resistenzproblem entgegenzuwirken, gilt daher die Hemmung der Konjugation als vielversprechender Forschungsansatz. Denn unter allen möglichen Übertragungswegen von Resistenzgenen kommt der Verbreitung plasmidvermittelter Resistenz durch Konjugation die größte Bedeutung zu[5]. Gelingt es, die direkte Übertragung von genetischem Material von einer Spenderzelle auf eine Empfängerzelle zu blockieren, so wäre dies ein bedeutender Schritt im Kampf gegen die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen. In der britisch-ghanaischen Forschungsarbeit wurde die Wirkweise der ITC aus Kapuzinerkresse und Meerettich in Bezug auf die Hemmung der Konjugation untersucht[3]. In der Studie zeigten Allyl-ITC aus dem Meerrettich und Benzyl-ITC aus der Kapuzinerkresse bereits in Lösungen unterhalb der minimalen Hemmkonzentration (MHK) eine ausgeprägte Wirkung; Benzyl-ITC vermochte unter allen getesteten Isothiocyanaten den Austausch von Resistenzgenen am stärksten zu verhindern. Das ebenfalls aus Meerrettich stammende Phenylethyl-ICT war bei grampositiven Bakterien am potentesten.

Komplexes Wirkspektrum, umfangreiches therapeutisches Potential

Die Forschungsarbeit liefert einen weiteren Nachweis für die ausgeprägte antibakterielle Wirksamkeit der Kombination aus Kapuzinerkresse und Meerrettich, die bereits vielfach belegt ist[6-12]. Die in den Pflanzen enthaltenen ITC besitzen neben Ihrer antibakteriellen Wir­kung auch antivirale[13-15] und antientzündliche[16-24] Effekte, weswegen die Pflanzenstoffe bereits seit Jahrzehnten zur Therapie von akuten unkomplizierten Harn- und auch Atemwegsinfektionen eingesetzt werden. Komplexe, vielfältige antimikrobielle Mechanismen mit synergistischen und synchron ablaufenden Reaktionen zeichnen das Wirkspektrum der ITC aus und erklären das umfangreiche therapeutische Potential dieser Pflanzenstoffe. Außerdem hemmen die ITC die Bildung von komplexen, widerstandfähigen bakteriellen Biofilmen, wie weitere Studien belegen[25-28]. Innerhalb dieser Biofilme liegt eine große Dichte an Bakterien und damit auch optimale Bedingungen für den Austausch von resistenten Genen vor. Bakterielle Biofilme sind daher häufig die Ursache von schwer zu bekämpfenden und rezidivierenden Infektionen, bei denen Antibiotika nahezu unwirksam sind. Konsequenterweise wird daher in der 2017 aktualisierten S3-Leitlinie zur Therapie von unkomplizierten Harnwegsinfektionen nun auch der Einsatz von Kapuzinerkresse und Meerrettich (ANGOCIN® Anti-Infekt N) als phytotherapeutische Option bei häufig rezidivierender Zystitis empfohlen[29]. Auch Experten fordern wegen der zunehmenden Resistenzproblematik Antibiotika rationaler einzusetzen und einfache unkomplizierte Infektionen, wie zum Beispiel Blasenentzündungen, phytotherapeutisch, beispielweise mit ITC aus Kapuzinerkresse und Meerrettich (in ANGOCIN® Anti-Infekt N), zu behandeln[2]. „Die Vorteile für die Therapie von unkomplizierten Zystitiden mit Isothiocyanaten liegen damit auf der Hand“, erklärt Frank. „Eine gute und schnelle Wirksamkeit bei zugleich guter Verträglichkeit; zudem können die Pflanzenstoffe einen wichtigen Beitrag leisten, um die Verbreitung resistenter Bakterien zu erschweren“, resümiert der Mikrobiologe und Hygieniker aus Freiburg.

Literatur:
Die Quellen 1-29 können auf Wunsch unter folgendem Pressekontakt angefordert werden: