Eschborn – Eine Kombination von Senfölen (Isothiocyanate, ITC) aus Kapuzinerkresse und Meerrettich hemmt die Motilität uropathogener Keime sowie deren Adhäsion an die Epithelzellen. Das belegt eine neue Studie[1], die beim diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) vom 18. bis 21. September 2019 in Hamburg präsentiert wurde. Auch bei aktuellen Untersuchungen der Universität Münster konnte die anti-adhäsive und zudem die antiphlogistische Wirkung der ITC festgestellt werden[2]. Frühere Studien konnten bereits zeigen, dass die ITC-Kombination die Internalisierung von uropathogenen E. coli (UPEC) in das Blasenepithel hemmt und das Auftreten eines möglichen Rezidivs einer Harnwegsinfektion zu verhindern vermag[3]. Die gute Wirkung und Verträglichkeit von Kapuzinerkresse und Meerrettich (ANGOCIN® Anti-Infekt N) bei Harn- und Atemwegsinfektionen ist bereits in mehreren klinischen Studien belegt[4-7]. Zahlreiche Forschungsarbeiten bestätigen u.a. die antibakterielle[8-15] und antiphlogistische[16-24] Wirkung der in dem Arzneimittel enthaltenen Pflanzenstoffe. Eine weitere Studie ergab, dass das Phytotherapeutikum die Rückfallquote bei Harnwegsinfektionen signifikant verringern kann[6]. In diesem Sinne wird in der 2017 aktualisierten S3-Leitlinie zur Therapie unkomplizierter Harnwegsinfektionen der Einsatz von Kapuzinerkresse und Meerrettich als phytotherapeutische Option bei häufig rezividierender Zystitis empfohlen[25].
In 80 Prozent der Fälle werden unkomplizierte Harnwegsinfektionen durch UPEC verursacht[1]. Daneben sind aber auch andere Gram-negative Bakterien wie Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis und einige Gram-positive Enterokokken für diese häufigen Infektionen verantwortlich. In aktuellen Studien wurden jetzt die Wirkmechanismen verschiedener, in Pflanzen vorkommender antimikrobieller Wirkstoffe (Proanthocyanidine, d-Mannose, Rosmarinextrakt und ITC) auf einige Gram-negative Bakterien, darunter die oben genannten, untersucht. Hintergrund ist die Zunahme von Resistenzen gegenüber Antibiotika: Bei UPEC sind bis zu 50 Prozent der Stämme gegen gängige Antibiotika resistent.[26] Resistenzen könnten in Zukunft Todesursache Nummer eins werden, wenn nicht gegengesteuert wird.[27] Ein Perspektivwechsel ist daher dringend notwendig. Auch vor dem Hintergrund, dass die Entwicklung neuer Antibiotika stagniert, gilt es, alternative antimikrobielle Strategien zu entwerfen und gleichzeitig effektive hygienische und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Zu den alternativen antimikrobiellen Strategien zählt unter anderem der Einsatz von evidenzbasierten Phytopharmaka. In Teilen sind – wie bei den ITC[4-6] – deren Effektivität und gute Verträglichkeit bereits umfangreich erforscht.
Isothiocyanate wirken der Adhäsion entgegen
Die bakterielle Adhäsion ist einer der ersten essentiellen Schritte der Pathogenese von Infektionskrankheiten: Bakterien können mit Fimbrien an die Epithelzellen der Blase binden, um anschließend in die Zelle zu internalisieren. In den Epithelzellen sind sie dann vor dem Angriff von Antibiotika geschützt und können später zu einer erneuten Infektion führen. Einige Phytopharmaka können diese Adhäsion unterbinden und die Bakterien auf diese Weise schwächen. Nicht jedes pflanzliche Präparat ist dabei gleich wirksam. In der Studie der Münchener Wissenschaftler wirkte die Kombination der ITC aus Kapuzinerkresse und Meerrettich (Mischungsverhältnis wie in ANGOCIN® Anti-Infekt N) bei allen untersuchten Spezies (E. coli, K. pneumoniae, S. marcescens, Enterobakter cloacae) antiadhäsiv[1].
Studie belegt: Signifikante Verringerung der bakteriellen Motilität
Einige Bakterien exprimieren sogenannte Flagellen, um in die Blase oder die Niere zu migrieren. Die Motilität dieser Bakterien zu unterbinden, ist daher ein wichtiges Ziel alternativer antimikrobieller Strategien. Mit der beim DGU-Kongress präsentierten Studie der Universität München[1] konnte gezeigt werden, dass die ITC-Kombination die Motilität von E. coli, K. pneumoniae und P. mirabilis signifikant verringern konnte. Die Effekte waren bei E. coli am größten und betrugen 73 Prozent. Selbst eine Verdünnung der ITC um den Faktor zehn hemmte die Motilität der Bakterien um 62 Prozent.
Isothiocyanate – Baustein eines multimodalen Behandlungskonzepts bei Infektionen der Harnwege
Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine aktuelle Studie der Universität Münster[2]. Auch in dieser Untersuchung konnte die anti-adhäsive Wirkung der ITC festgestellt werden. Gleichzeitig zeigte sich aber auch das antiinflammatorische Potential der Pflanzenstoffe aus Kapuzinerkresse und Meerrettich. Die antibakterielle[8-15] und antivirale[28-30] Wirkung der ITC ist ebenfalls durch verschiedene Studien belegt. Darüber hinaus sind die ITC in der Lage, das bakterielle Kommunikationssystem Quorum Sensing (QS) und damit die Bildung von Biofilmen zu hemmen[31-34], die häufig für wiederkehrende Infektionen und Resistenzentwicklungen verantwortlich gemacht werden.
Präsentiert wurde beim DGU-Kongress ebenfalls das Ergebnis einer Studie der Universität Bonn. Darin konnte nachgewiesen werden, dass die Behandlung mit dem ITC-haltigen Arzneimittel sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit Standardantibiotika bei katheterisierten Patienten zur Reduktion der Rezidivrate sowie zu geringerem Antibiotikaverbrauch führte[35]. Die Bonner Wissenschaftler schlussfolgerten zudem, dass auch bei komplizierten Harnwegsinfektionen die Verabreichung des pflanzlichen Arzneimittels als Monotherapie oder in Kombination mit einem Antibiotikum eine therapeutische Option darstellen könnte. Die in der Kohortenstudie der Universität Bonn erhobenen Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit sollen nun in einer klinschen Studie verifiziert werden. Hierfür wird das Konzept der abgeschlossenen Studie auf eine kontrollierte, klinische Prüfung übertragen[36]. Auf Grund des multimodalen Wirkmechanismus dieser Pflanzenstoffe wird bei den Bakterien die Entwicklung möglicher Resistenzmechanismen gegen die ITC deutlich erschwert[8,11]. Die ITC haben damit das Potenzial, bei Harnwegsinfektionen integraler Bestandteil eines multimodalen Therapiekonzepts zu werden.
Literatur:
Die Quellen 1-36 können auf Wunsch unter folgendem Pressekontakt angefordert werden: