Berlin – Bluthochdruck ist eine gefährliche, weitverbreitete Krankheit. Die Folgen können lebensbedrohlich sein: Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenschäden. Das Tückische daran: Bluthochdruck tut nicht weh, wird deswegen oft nicht erkannt und darum auch nicht behandelt. Dabei leidet weltweit jeder dritte Erwachsene darunter.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO stellt den Weltgesundheitstag am 7. April 2013 unter das Motto „Bluthochdruck“.
Damit rückt die WHO die Krankheit in den weltweiten Fokus und wirbt für Prävention.
Prof. Dr. Detlev Ganten ist Facharzt für Pharmakologie und Molekulare Medizin und ist einer der weltweit führenden Experten für Bluthochdruck. Außerdem ist der Medizinforscher Präsident des World Health Summit, dem jährlichen Gipfeltreffen zur globalen Gesundheitsversorgung, bei dem Fachleute aus aller Welt in Berlin zusammenkommen. Der 5. World Health Summit findet vom 20. – 22. Oktober statt.
1. Herr Professor Ganten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind mögliche Folgen von Bluthochdruck und mittlerweile die weltweit häufigste Todesursache – dabei ist Bluthochdruck gut behandelbar. Wurde da etwas verschlafen?
Detlev Ganten: Ja, und zwar sowohl bei Ärzten wie bei Patienten. Blutdruckmessen sollte zu jeder Grunduntersuchung beim Arzt gehören – und zwar nicht nur beim Hausarzt, sondern auch beim Orthopäden oder Hals-, Nasen-Ohrenarzt. Ärzte machen das routinemäßig viel zu selten. Das liegt sicher am Zeit- und Kostendruck, führt aber dazu, dass die Hälfte aller Bluthochdrucke nicht erkannt wird – und das auch in einer gut organisierten und wohlhabenden Gesellschaft wie Deutschland. Auch die Patienten „verschlafen“ da wichtiges. Jeder sollte auch selber zuhause Blutdruck messen: Das ist kinderleicht und die Geräte sind heute nicht mehr teuer. So wie jede Familie ein Fieberthermometer hat, gehört auch ein Blutdruckmessgerät in jede Hausapotheke. Ein Problem kommt ja noch hinzu: Die Leute mit Bluthochdruck fühlen sich wohl, haben keine Symptome und werden deswegen logischerweise auch nicht behandelt. Umso wichtiger ist regelmäßiges Messen!
2. Bluthochdruck ist ein weltweites Problem, mittlerweile leiden sogar Kinder und Jugendliche darunter – inwiefern hilft Prävention?
DG: Bluthochdruck ist ein Paradebeispiel für eine Krankheit, die man mit Prävention in den Griff bekommt! Außerdem ist Bluthochdruck leicht zu diagnostizieren und eine der wenigen großen Krankheiten, die man auch nicht-medikamentös gut behandeln kann. Richtige Ernährung, ausreichend Bewegung – das ist in vielen Fällen schon ausreichend. Bluthochdruck zeigt auch, wie wichtig Grundlagenforschung für eine gute medizinische Versorgung ist: Es gibt kaum besser verträgliche Medikamente als blutdrucksenkende Mittel.
In der Tat wird das Problem auch bei Kindern immer größer: Auch hier ist falscher Lebensstil die Ursache: Kinder werden doch ständig durch ungesunde Nahrungsangebote verführt und sitzen zu viel vor dem Computer und dem Fernseher. Sie sollen lieber raus gehen und sich bewegen. Und einen Apfel statt eines Schokoriegels essen. Natürlich darf man auch mal sündigen. Aber dann bewusst. Es ist wie immer im Leben: Das Maß ist entscheidend.
3. Salz gilt als großer Risikofaktor für Bluthochdruck – warum ist Salz ein so großes Problem für unseren Organismus?
DG: Die Gründe liegen in der Evolution. Bei uns Menschen greifen noch die gleichen biologischen Mechanismen wie bei unseren Vorfahren. Und die kamen vor ca. 400 Millionen Jahren als Amphibien wie die Frösche aus dem Meer an Land. In der Dürre der Savanne mussten sie dann Salz speichern können um den Kreislauf aufrechtzuerhalten und zu überleben. Jetzt aber leben wir nicht mehr in der Umwelt der Reptilien oder der Steinzeitmenschen, sondern in der urbanen Zivilisation mit ihrem Überangebot an salzhaltiger Industrienahrung. Und mit unserer eingebauten Salzvorratshaltung speichern wir zu viel davon und bekommen Bluthochdruck.
4. Wir haben unsere Zivilisationskrankheiten längst in alle Welt exportiert: Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck. Wie können wir angesichts dessen unserer Verantwortung für Globale Gesundheit gerecht werden?
DG: Das allerwichtigste für die Globale Gesundheit ist Bildung. Gesundheit und Bildung sind in jeder Gesellschaft direkt miteinander verbunden. Deswegen ist es in Entwicklungs- und Schwellenländern wichtig, Infrastrukturen dafür aufzubauen: Kindergärten, Schulen und Universitäten. Nur gebildete Gesellschaften können Ressourcen für ihre Versorgung entwickeln und sind nicht auf importierte Industrienahrung angewiesen. Nur Menschen, die ihre biologischen Mechanismen kennen und ihren Lebensstil auf die Bedingungen ihrer Umwelt einstellen können, können auch gesund leben. Das heißt im Klartext: Bewusste Ernährung, weniger Salz und Fett, weniger Gifte wie Nikotin oder Alkohol, dafür mehr Bewegung.
Quelle: World Health Summit