Berlin – Professionell Pflegende fallen krankheitsbedingt öfter aus als andere Berufsgruppen. Einer aktuellen Fehlzeitenanalyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zufolge fehlten Menschen in Pflegeberufen im Jahr 2020 durchschnittlich 25,4 Tage und damit 6,1 Tage mehr als Angehörige anderer Berufe. „Die überdurchschnittlich hohen Arbeitsunfähigkeitszahlen in der Pflegebranche belegen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen verantwortungsvollen Berufen körperlich wie psychisch sehr hohen Belastungen ausgesetzt sind. Es ist daher unsere Aufgabe, diese Menschen zu schützen, zum Beispiel durch die Schaffung guter und gesunder Arbeitsbedingungen“, sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, anlässlich des Internationalen Tag der Pflegenden am 12. Mai.
Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen trägt aus Sicht des AOK-Bundesverbandes ebenso bei, die vorhandenen Kompetenzen der professionell Pflegenden zielführend zu nutzen. Dafür brauche es ein neues Rollenverständnis für diese Berufsgruppe. In einem ersten Schritt sollten Pflegefachpersonen eine eigenständigere Funktion im Leistungsrecht der Krankenversicherung erhalten. “Pflegefachpersonen müssen künftig eine stärkere Position in der interprofessionellen Zusammenarbeit mit anderen Berufen des Gesundheitswesens einnehmen“, sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Das sei beispielsweise möglich, indem sie mehr Handlungsspielräume bei der Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege bekommen und regelhaft Hilfsmittel, die der Erleichterung der Pflege dienen, verordnen dürfen. Ebenso müsse ermöglicht werden, dass Pflegefachpersonen ihre klinische Expertise effizient in den Versorgungsprozess, zum Beispiel von chronisch kranken Menschen einsetzen können.
Um Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser dabei zu unterstützen, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern und die Gesundheit der Beschäftigten zu fördern, hält die AOK zahlreiche Angebote zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) speziell für die Pflegebranche bereit. Eines davon ist QualiPEP. Das Kürzel steht für „Qualitätsorientierte Prävention und Gesundheitsförderung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflege“. Kernstück von QualiPEP sind insgesamt sechs Checklisten mit jeweils 120 Kriterien, die den Einrichtungen konkrete Lösungen anbieten, um Gesundheitsbelastungen für das Pflegepersonal zu reduzieren und gleichzeitig die Lebensqualität von Bewohnerinnen und Bewohnern zu verbessern. „Mit QualiPEP haben wir ein wertvolles und praktisch anwendbares Instrument geschaffen, das einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit in Einrichtungen der Eingliederungshilfe sowie Pflege leisten kann. In der Folge kann QualiPEP dabei unterstützen, die Attraktivität dieser systemrelevanten Berufe zu steigern“, betont Litsch. Das durch das Bundesgesundheitsministerium geförderte Projekt wurde im letzten April nach vier Jahren intensiver Arbeit durch den AOK-Bundesverbandes abgeschlossen.
Im Pandemiejahr 2020 war die AOK mit ihren BGF-Angeboten bundesweit in über 1.300 Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern aktiv. Bei 91 Projekten hat sie die Aktivitäten zur Gesunderhaltung und Stärkung von Menschen, die in Pflegeeinrichtungen wohnen, mit den Angeboten zur Betrieblichen Gesundheitsförderung kombiniert. „Unser Ziel bleibt, den Alltag in den Einrichtungen gesundheitsförderlich zu gestalten und die professionell Pflegenden zu entlasten. Die Digitalisierung bietet hier großes Potenzial“, erklärt Litsch. Bereits im Jahr 2020 waren die meisten BGF-Projekte der AOK als digitale und hybride Angebote konzipiert. Das ermöglichte der Gesundheitskasse, auch während der Pandemie, Gesundheitsförderungsprozesse in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zu initiieren und zu begleiten.
So half die AOK knapp 700 Unternehmen in der Pflegebranche dabei, ihre Beschäftigten für Gesundheitsthemen zu sensibilisieren und ihnen gesunde Verhaltensweisen zu vermitteln. Die meisten Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser interessierten sich für Angebote zur Stressbewältigung und Entspannung sowie Bewegung, zu denen beispielweise arbeitsplatzbezogene Bewegungsschulungen zählen. Über 500 Unternehmen unterstützte die AOK dabei, den Arbeitsalltag in den Einrichtungen gesundheitsförderlich zu gestalten und die Arbeitsabläufe zu optimieren.
Der Internationale Tag der Pflegenden geht zurück auf die Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege. Die britische Krankenschwester Florence Nightingale wurde am 12. Mai 1820 geboren. Obwohl sich der Pflegeberuf seitdem weiterentwickelt hat und nicht zuletzt seit der Pandemie zu den systemrelevantesten gehört, genießt er immer noch zu wenig Ansehen. „Es liegt unter anderem daran, dass in der Pflege oft hoch motivierte Menschen, die ihre Tätigkeit als sinnstiftend und erfüllend empfinden, auf Arbeitsbedingungen treffen, die sie überfordern“, sagt Martin Litsch. Eine qualitativ gute medizinische und pflegerische Versorgung kann allerdings nur dann gelingen, wenn auch diejenigen, die sich um hilfebedürftige und kranke Menschen kümmern, gesund und zufrieden sind. Litsch: „Die nachhaltige Förderung von Gesundheit kann dabei aber nicht nur von einem Akteur geleistet werden, sie muss gesamtgesellschaftlich angegangen werden.“ Eine Einrichtung stehe also nicht für sich allein, sondern sollte auch die Unterstützung von den Kommunen, den Kranken- und Pflegekassen sowie der Politik erhalten.