Berlin – 13/2016, 15.04.2016
Auf einem vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) organisierten Expertentreffen ist am 11. und 12. April 2016 in Berlin ein Konsens zur Identifizierung endokriner Disruptoren erarbeitet worden. Darin sind unter anderem die Kriterien aufgeführt, nach denen das Gefahrenpotential hormonell schädigender Substanzen identifiziert werden kann. An dem Treffen nahmen 23 international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie vier Beobachterinnen und Beobachter der EU-Kommission, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) teil. „Der erzielte Konsens ist ein Durchbruch in der wissenschaftlichen Diskussion über endokrine Disruptoren und von großer Bedeutung für den gesundheitlichen Verbraucherschutz in Europa“, sagt Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „Die Ergebnisse können die Europäische Kommission unterstützen, wissenschaftsbasiert gegebenenfalls nötige Maßnahmen zur Einschränkung von endokrinen Disruptoren, zum Beispiel in verbrauchernahen Produkten, Pestiziden, aber auch Lebensmitteln zu ergreifen.“ Es ist beabsichtigt, dass ein Workshopbericht in Kürze auf der Website des BfR veröffentlicht wird. Die auf dem Treffen gehaltenen Präsentationen sowie ein erstes Fazit sind als Videos unter
www.bfr.bund.de/de/internationales_expertentreffen_zu_endokrinen_disruptoren-197244.html abrufbar. Eine wissenschaftliche Veröffentlichung des Konsenspapieres ist ebenfalls geplant.
Die 23 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa, den USA und Japan kamen in Berlin zusammen, um die Grundlagen und offene Fragen zur Bewertung von endokrinen Disruptoren zu diskutieren. Im Fokus der zweitägigen Expertentagung standen folgende Fragen:
- Wie sollen endokrine Disruptoren im regulatorischen Kontext der gesundheitlichen Bewertung definiert werden?
- Was sind allgemeine Prinzipien endokriner Wirkungen aus toxikologischer, pharmakologischer und endokrinologischer Sicht?
- Welche Quellen der Unsicherheit beeinflussen die Identifizierung endokrin schädlicher Eigenschaften für eine regulatorische Entscheidungsfindung?
- Welche endokrin-vermittelten adversen Effekte können bereits jetzt mit den bestehenden Untersuchungsmethoden erfasst werden?
- Welche wissenschaftlichen Forschungsaktivitäten sollten zur besseren Identifizierung von endokrinen Disruptoren initiiert werden?
Ziel des wissenschaftlichen Diskurses war es, die Fragestellungen zu diskutieren und, soweit möglich, Lösungswege für bislang bestehende Meinungsverschiedenheiten zu finden.
Endokrin wirksame Substanzen beeinflussen den Hormonhaushalt. Dazu zählen gezielt hergestellte Stoffe, wie bestimmte Arzneimittel oder natürlich vorkommende Pflanzeninhaltstoffe, wie Phytoöstrogene. Diese Wirkungen können auch von chemischen Stoffen ausgehen, die produziert werden, um Pflanzen zu schützen, Schadorganismen zu bekämpfen oder Erzeugnisse zu konservieren, zum Beispiel als Zusatzstoffe in Lebensmitteln oder Kosmetika. Wenn solche Stoffe durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit eines Organismus schädigen, werden sie als endokrine Disruptoren bezeichnet. Eine fundierte wissenschaftliche Identifizierung endokriner Disruptoren ist als ein erster Schritt erforderlich, um in der anschließenden Risikobewertung einschätzen zu können, ob von der Anwendung einer chemischen Substanz oder eines Produktes ein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher ausgehen kann. Bisher gab es zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die in diesem Forschungsfeld arbeiten, unterschiedliche Auffassungen zu den Grundlagen der Bewertung der endokrin schädigenden Stoffe.
Die wissenschaftlichen Grundlagen sind wichtige Voraussetzungen dafür, um auf EU-Ebene einheitliche Kriterien zu schaffen, wie Stoffe und Produkte mit endokrin schädigenden Eigenschaften künftig gesundheitlich bewertet werden. Die Ergebnisse des Treffens könnten daher die EU-Kommission unterstützen, regulatorische Kriterien für die Identifikation von endokrinen Disruptoren in Pestiziden und anderen Chemikalien und Erzeugnissen zu erarbeiten.
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftliche Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.