Berlin – Im Rahmen der neu ins Leben gerufenen Reihe „Dialogwochen“ lädt die Deutsche Hirnstiftung am 30. Juni 2022 zu einer Informationsveranstaltung zum Thema Parkinson nach Kiel ein. Gerade bei Parkinson ist der Wissenszuwachs und der Therapiefortschritt rasant, Ziel ist daher, diese medizinischen Informationen verständlich zu vermitteln und die Fragen der Betroffenen zu beantworten. Besonders relevant ist die Information über Stimulationsverfahren. In Kiel wird als zweitem Zentrum in Deutschland das Verfahren des MRT-gesteuerten fokussierten Ultraschalls (MRgFUS) angeboten und erforscht. Die Veranstaltung informiert darüber und auch über andere neue Therapien.
Die Häufigkeit der Parkinson-Erkrankung nimmt zu, es wird sogar von einer Parkinson-Pandemie gesprochen [1]. Hierzulande geht man von ca. 400.000 Erkrankten aus [2], Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Die meisten von ihnen ereilt die Diagnose zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr oder später, bei einem kleinen Prozentsatz kann die Erkrankung aber schon früher beginnen.
Was passiert bei Parkinson? Bei den Betroffenen gehen Nervenzellen zu Grunde. Die typischen Bewegungsauffälligkeiten sind durch den Nervenzelluntergang in einem bestimmten Gebiet des Mittelhirns, der Substantia nigra, bedingt. Dieser führt zu einem Mangel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn. Dopamin ist ein sogenannter Neurotransmitter, er wird gebraucht, um Nervenreize weiterzuleiten. Befehle des Gehirns an die Muskeln kommen bei einem Dopaminmangel nur verzögert, unvollständig oder gar nicht an. So entstehen die für Parkinson typischen motorischen Symptome, die reduzierte Beweglichkeit, die steifen Muskeln und das Ruhezittern. Was genau dazu führt, dass Nervenzellen in der Substantia nigra absterben, ist bis bislang noch nicht abschließend erforscht. Expertinnen und Experten vermuten ein Zusammenspiel von genetischer Vorbelastung, Alterungsprozessen, bestimmten Umweltfaktoren und Lebensstil.
„Die Diagnose stellt eine Zäsur im Leben der Betroffenen dar, sie ist natürlich ein Schock, kann aber auch eine ‚hilfreiche‘ Erklärung für die ersten kleinen Symptome und verstörenden Veränderungen liefern, die viele bereits an sich bemerkt haben“, erklärt Prof. Dr. Daniela Berg, Kiel, Parkinson-Expertin der Deutschen Hirnstiftung. „Auch wenn Parkinson derzeit noch nicht heilbar ist, ist es gut, vor dieser Diagnose nicht die Augen zu verschließen, sondern sich zu informieren und sich mit der Erkrankung zu befassen: Man kann aktiv zu einer Besserung der Symptomatik, der Lebensqualität und einem günstigeren Verlauf beitragen, durch moderne Therapien, aber auch durch die Veränderung des eigenen Lebensstils.“
Die Deutsche Hirnstiftung (DHS) möchte Betroffenen und ihren Angehörigen ein umfassendes Informationsangebot geben, dass es ihnen ermöglicht, informierte Therapieentscheidungen zu treffen. Neben den Informationen auf www.hirnstiftung.org, dem Mitgliedermagazin und den nahezu täglichen Informationen über ihre Social-Media-Kanäle hat die Deutsche Hirnstiftung eine Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, in der sie unabhängig und wissenschaftlich auf dem neuesten Stand über jeweils eine neurologische Erkrankung informiert. Am 30. Juni 2022 findet ab 16.00 Uhr eine Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Dialogwochen“ in Kiel zum Thema Parkinson statt.
„Gerade im Bereich der Parkinson-Erkrankung ist der Wissenszuwachs und der Therapiefortschritt rasant und wir möchten diese Informationen verständlich weitergeben und auch die Fragen der Betroffenen beantworten“, erklärt Prof. Berg. Denn gerade letzteres sei der Vorteil von Präsenzveranstaltungen. „Natürlich findet man viel im Internet, aber auch viele Fehlinformationen, weshalb die Recherche zu Gesundheitsthemen für Laien oft eine Herausforderung ist. In Kiel können die Betroffenen und Angehörigen Expertinnen und Experten um ihre Einschätzungen bitten, wir haben auch ein Zeitfenster für die Klärung individueller Fragen vorgesehen“, erklärt die Veranstaltungsleiterin.
Zu den Vortragsthemen der Veranstaltung gehören die Frühdiagnose und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. „Es muss klar herausgestellt werden, dass körperliche Aktivitäten die Symptomatik verbessern und sogar den Krankheitsprozess verlangsamen können. Je früher ein Betroffener die Diagnose Parkinson erhält, desto früher kann er oder sie durch eine bewusste Anpassung des Lebensstils dagegen steuern“, so die Kieler Expertin. Einen weiteren Programmpunkt stellen die Therapien dar, wobei sich in den letzten Jahren besonders viel im Bereich der Stimulationsverfahren getan habe. Die tiefe Hirnstimulation, für die eine Operation notwendig ist, bei der ein sogenannter „Hirnschrittmacher“ implantiert wird, hat sich als effektiv erwiesen, stellt aber für viele Patientinnen/Patienten oft eine „emotionale“ Hürde dar, da für das Legen der Sonden kleine Löcher in den Schädelknochen gebohrt werden, dieser also „geöffnet“ werden muss – ein Eingriff, der viele Ängste auslöst. Neu sind ultraschallgesteuerte Stimulationsverfahren, die von außen zur Anwendung kommen. Noch ist die Studienlage nicht so gut, dass man beurteilen kann, ob die Effekte gleich gut sind wie die des invasiven Verfahrens, aber dazu können die Kieler Expertinnen und Experten einen ersten Einblick und Erfahrungen aus erster Hand geben: In Kiel wird das Verfahren bereits seit einigen Jahren erforscht.
Wichtig ist auch die richtige Begleittherapie der Menschen, die an Parkinson erkrankt sind, denn im Rahmen von Parkinson kann es u.a. zu Depressionen, Angststörungen und Demenz kommen, aber auch Verstopfung, Störung beim Wasserlassen etc. kommen vor. Für diese Symptome stehen unterschiedliche medikamentöse und nicht-medikamentöse Verfahren zur Verfügung, die individuell besprochen und eingesetzt werden sollten.
„Grundsätzlich gilt: An Parkinson erkrankte Menschen profitieren von körperlichem und geistigem Training. Das sind die Bereiche, wo die Betroffenen mit Unterstützung ihrer Partner und Angehörigen selbst viel gegen die Symptomatik und für eine möglichst gut durchführbare Alltagsaktivität beitragen können. Kombiniert mit einer optimalen medizinischen Versorgung, über die wir am 30. Juni umfassend informieren möchten, leben heute viele Parkinson-Patientinnen und -Patienten sehr lange bei guter Lebensqualität“, erklärt Prof. Daniel Berg abschließend. „Wir hoffen daher auf ein hohes Interesse an unserem Informationsangebot und freuen uns, viele Menschen in der WUNDERINO ARENA (Europaplatz 1) begrüßen zu dürfen.“
Die Patientenveranstaltungen der Deutschen Hirnstiftung stehen grundsätzlich jedem offen und sind kostenfrei. Aufgrund begrenzter Platzkapazität ist es aber in jedem Fall ratsam, sich vorab anzumelden unter www.hirnstiftung.org/veranstaltungen/2022-kiel.
Dort finden Sie auch das detaillierte Veranstaltungsprogramm.
Literatur
[1] The Parkinson Pandemic-A Call to Action.
Dorsey ER, Bloem BR.JAMA Neurol. 2018 Jan 1;75(1):9-10. doi: 10.1001/jamaneurol.2017.3299.
[2]
Do We Need to Rethink the Epidemiology and Healthcare Utilization of Parkinson’s Disease in Germany?
Heinzel S, Berg D, Binder S, Ebersbach G, Hickstein L, Herbst H, Lorrain M, Wellach I, Maetzler W, Petersen G, Schmedt N, Volkmann J, Woitalla D, Amelung V.Front Neurol. 2018 Jun 29;9:500. doi: 10.3389/fneur.2018.00500. eCollection 2018.