Berlin – Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen benötigen eine besondere Form der Kommunikation. Das gilt auch gerade dann, wenn es sich um medizinische Untersuchungen handelt. Deshalb haben das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) und das Krankenhaus Mara in Bielefeld-Bethel gemeinsam Material in Leichter Sprache entwickelt.
Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sind eine besonders vulnerable Gruppe, deren Gesundheitsversorgung unter anderem durch Kommunikationsschwierigkeiten und Zeitdruck erschwert wird. Ziel des Projekts war es, leicht verständliche Gesundheitsinformationen zu entwickeln, die
- für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen verständlich und nützlich sind und
- Pflegefachkräfte bei Gesprächen mit Patientinnen und Patienten unterstützen.
„Mit dem Krankenhaus Mara und dem DEKV hatten wir von Anfang an ein gemeinsames Ziel vor Augen: Menschen gut über Erkrankungen, Behandlungen und Untersuchungen zu informieren – ganz gleich, ob sie eine Behinderung haben oder nicht“, so Klaus Koch, Ressortleiter Gesundheitsinformation beim IQWiG. „Auch für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist es wichtig zu verstehen, was mit ihrem Körper passiert und worauf sie vor und nach einer Untersuchung achten müssen“, ergänzt Katja Rosenthal-Schleicher, stellvertretende Pflegedirektorin am Krankenhaus Mara in Bielefeld. „Nicht zuletzt, weil dies über den Erfolg oder Misserfolg einer Untersuchung entscheiden kann.“ Melanie Kanzler, Verbandsdirektorin des DEKV geht einen Schritt weiter: „Für Pflegekräfte ist es wichtig, Patientinnen und Patienten so zu informieren, dass sie Untersuchungen und Behandlungen unterstützen. Materialien in Leichter Sprache tragen dazu entscheidend bei.“
Praxistest mit Patientinnen und Patienten und Mitarbeitenden im Krankenhaus Mara
Als erstes gemeinsames Thema haben Mitarbeitende aus den beteiligten Institutionen die Darm-Spiegelung identifiziert: Konkret sollten Informationen aufbereitet werden, wie man sich auf eine Darm-Spiegelung vorbereitet und was danach zu beachten ist.
Die Texte wurden in Leichter Sprache erstellt und von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen geprüft. Das Feedback der Probanden fiel sehr positiv aus, ihre Formulierungsvorschläge waren sehr hilfreich. Parallel wurden die Materialien im Krankenhaus Mara einem Nutzer- und Praxistest unterzogen: Insgesamt beteiligten sich zehn Patientinnen und Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen sowie 21 Mitarbeitende des Krankenhauses an den geführten Interviews.
Hinweise zu Einsatzmöglichkeiten
Betroffene und Mitarbeitende stuften die Materialien als nützlich und unterstützend ein. „Gleichzeitig haben uns die Rückmeldungen geholfen, Verständnisbarrieren zu erkennen und abzubauen. Jüngere Tester kannten zum Beispiel den Begriff ‚Sprudel‘ nicht mehr – diesen Begriff haben wir durch ‚Wasser mit Kohlensäure‘ ersetzt“, erklärt Beate Wiegard, Projektleiterin beim IQWiG. Andere Kommentare bezogen sich auf Grafiken und halfen, diese noch eindeutiger und ansprechender zu gestalten.
Aus den Rückmeldungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergaben sich zudem Hinweise zu den Einsatzmöglichkeiten der Materialien:
- Formulierungshilfe für Mitarbeitende, um ein Gespräch in Leichter Sprache zu führen,
- Ausdrucken einzelner Elemente, um das Gespräch über einen bestimmten Aspekt zu unterstützen und
- gedruckte Broschüren, die vor der Darm-Spiegelung verschickt und zu Hause mit Angehörigen besprochen werden können.
Materialien können von Krankenhäusern kostenfrei abgerufen werden
Melanie Kanzler wirbt für eine breite Unterstützung des Projekts: „Bei der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen braucht die Kommunikation besondere Aufmerksamkeit. Um dafür Akzeptanz und ein Bewusstsein im klinischen Alltag zu schaffen, sind wir auf viele Mitstreitende und Mitmachende aus der Pflege, Therapie und Medizin, auf Fürsprecherinnen und Fürsprecher sowie auf Unterstützerinnen und Unterstützer aus der Politik und dem Gesundheitswesen angewiesen.“
„Wir freuen uns daher, wenn die Materialien zur Darm-Spiegelung in Leichter Sprache in möglichst vielen Krankenhäusern zum Einsatz kommen und Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen die Kommunikation etwas erleichtern“, so Klaus Koch abschließend.
Die Materialien können von allen interessierten Krankenhäusern kostenfrei angefordert werden:
- als gedruckte Broschüren (per E-Mail an gi-kontakt@iqwig.de) oder
- per Download über die IQWiG-Webseite Informationen zur Darm-Spiegelung | Gesundheitsinformation.de.
Zum Hintergrund
In Deutschland leben etwa 1,5 Millionen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Menschen mit Intelligenzminderung sind besonders anfällig für körperliche und psychische Erkrankungen. Jährlich werden rund 126.000 Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen in deutschen Krankenhäusern behandelt.
Leichte Sprache soll Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen bzw. Lernschwierigkeiten den Zugang zu Informationen und somit die Teilhabe erleichtern. Die Darstellung in Leichter Sprache ist sehr reduziert und folgt festen Regeln, etwa lange Wörter mit einem Bindestrich zu trennen und jeden neuen Satz in eine neue Zeile zu schreiben. Es werden nur die wichtigsten Aussagen eines alltagssprachlichen Textes dargestellt und die Texte werden von Menschen mit Lernschwierigkeiten geprüft.
Wer wir sind
- Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat unter anderem den gesetzlichen Auftrag, für alle Bürgerinnen und Bürger verständliche Gesundheitsinformationen bereitzustellen.
- Das Krankenhaus Mara ist ein Fachkrankenhaus für Inklusive Medizin und Epileptologie und gehört zu den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Es ist Teil des Universitätsklinikums OWL der Universität Bielefeld. 2.500 Menschen mit Behinderungen werden hier pro Jahr behandelt.
- Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband e.V. (DEKV) setzt sich besonders für die Versorgung vulnerabler Patientengruppen, wie Menschen mit kognitiven Einschränkungen, ein. Im DEKV sind 199 evangelische Kliniken organisiert.
Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband e.V. (DEKV) vertritt mit 199 evangelischen Kliniken an 273 Standorten jedes neunte deutsche Krankenhaus. Die evangelischen Krankenhäuser versorgen jährlich mehr als 2 Mio. Patientinnen und Patienten stationär und mehr als 3,5 Mio. ambulant. Das ist bundesweit mehr als jeder 10. vollstationäre Patient. Mit über 123.000 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 10 Mrd. € sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Der DEKV ist der Branchenverband der evangelischen Krankenhäuser und Mitglied im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. sowie im Vorstand und im Präsidium der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Der DEKV setzt sich insbesondere für eine zukunftsorientierte und innovative Krankenhauspolitik mit Trägervielfalt und Qualitätswettbewerb, verlässliche Rahmenbedingungen für die Krankenhausfinanzierung, eine Modernisierung der Gesundheitsberufe und eine konsequente Patientenorientierung in der Versorgung ein.
Vorsitzender: Vorsteher Christoph Radbruch, Magdeburg, stellvertr. Vorsitzende: Andrea Trenner, Berlin, Schatzmeister: Dr. Holger Stiller, Düsseldorf, Verbandsdirektorin: Melanie Kanzler, Berlin.