Tübingen/Köln – 31. Januar 2022
„Close the Care Gap“ (Versorgungslücken schließen) lautet das Motto des diesjährigen Weltkrebstags, der am 04. Februar stattfindet. Die DKMS nimmt diesen Tag zum Anlass, auf eine Versorgungslücke hinzuweisen, die zahlreiche Blutkrebspatient:innen betrifft: In Deutschland findet noch immer jede:r Zehnte, die oder der dringend auf eine Stammzelltransplantation angewiesen ist, keinen passende:n Spender:in. Weltweit sind es – je nach ethnischer Herkunft und sozioökonomischer Situation im jeweiligen Land – sogar deutlich mehr.
Täglich schenken in Deutschland rund 15 DKMS-Spenderinnen und Spender eine Lebenschance, weltweit sind es sogar 21 Spender:innen pro Tag.
Dahinter stehen die persönlichen und bewegenden Schicksale von Menschen und Familien rund um den Globus.
Was eine Registrierung bei der DKMS ganz konkret bewirken kann, zeigt das Beispiel von Janina aus Breuberg in Hessen:
Diagnose: Akute myeloische Leukämie. Vor zweieinhalb Jahren wird Janina aus Breuberg in Hessen von heute auf morgen ausgebremst. Es folgen insgesamt vier Chemotherapien, Bestrahlung und eine Stammzelltherapie. Doch die heute 25-Jährige kämpft sich zurück ins Leben. Sie freut sich darauf, endlich wieder Abenteuer erleben zu können und das Leben in vollen Zügen zu genießen.
Janina ist gelernte Sozialassistentin und arbeitete vor ihrer Diagnose im Frühjahr 2019 in einer Kindertagesstätte. Anzeichen ihres Körpers, wie blaue Flecke, Hautausschlag, Schlappheitsgefühl und sehr starke Regelblutung machten sie zunächst nicht stutzig, als dass sie an eine Leukämie dachte. Erst als sie sich wegen einer Nasennebenhöhlenentzündung beim Hausarzt krankschreiben lassen musste, veranlasste der eine Blutuntersuchung, dann eine Weiterleitung an eine Onkologin. Die Ärztin ging zunächst von einer Autoimmunerkrankung aus, schickte Janina jedoch in die Uniklinik Heidelberg, um weitere Untersuchungen durchführen zu lassen. Dort wurde Janina leider mit dem Schlimmsten konfrontiert: Akute myeloische Leukämie.
Janina hat einen hohen Blastenbefall und es befinden sich bereits viele Krebszellen in ihrem Körper. Sie wird sofort stationär aufgenommen und erhält eine Chemotherapie. Leider schlägt die Behandlung nicht an. Eine Stammzellspende wird in Erwägung gezogen. Da ihr Zwillingsbruder Joshua leider nicht passt, wird der Fremdspendersuchlauf eingeleitet. „Zunächst wollte ich keine öffentliche Registrierungsaktion für mich. Meine Tante überzeugte mich aber dann davon, dass man damit nicht nur mir, sondern auch anderen betroffenen Patient:innen helfen könnte, und ich willigte ein. Über 600 Leute, mein ganzes Dorf, haben sich damals bei der Aktion mit der DKMS registrieren lassen“. Das war überwältigend,“ erinnert sich Janina.
Ein Spender für Janina
Nach der dritten Chemotherapie fängt sich die junge Frau leider einen Keim ein. Sie bekommt eine Lungenentzündung und zieht sich als Folge dessen eine Blutvergiftung zu. Die Lage ist kritisch und die behandelnden Ärzte versetzen sie ins künstliche Koma, aus dem sie zwei Wochen später wieder aufwacht. Viele Wochen brauchte ihr Körper, um sich davon zu erholen und fit genug für die Stammzelltransplantation zu werden. In der Vorbereitung auf die Stammzellspende erhält Janina neben einer weiteren Chemotherapie auch Bestrahlung.
Einerseits freut sie sich auf ihr neues Immunsystem, andererseits hat sie großen Respekt vor dem, was danach kommt. Wie würde ihr Körper auf die neuen Stammzellen reagieren? Ein erste kleine Hürde war vielleicht geschafft, aber ein langer Weg lag noch vor ihr. Doch ihr Umfeld steht Janina mit aller Kraft bei: Ihre Familie weicht ihr nicht von der Seite und unterstützt sie sehr. Ihre Eltern nehmen sie nach dem Krankenhausaufenthalt wieder bei sich zu Hause auf und kümmern sich um sie.
Die Zeit nach einer Transplantation, die Nebenwirkungen der Stammzelltherapie und die vielen Schwierigkeiten, sich wieder im Alltag zurecht zu finden, hat Janina deutlich zu spüren bekommen. Sie würde sich wünschen, dass hierüber mehr informiert und aufgeklärt wird. „Die Abstoßungsreaktionen, die so genannte GvHD (Graft-versus-Host-Disease), hat sich bei mir an verschiedenen Stellen bemerkbar gemacht. Neben extremem Hautausschlag waren meine Nieren angegriffen und ich musste einige Medikamente nehmen, um diese Folgeerkrankung zu unterdrücken. Ich habe dadurch in kürzester Zeit 20 Kilogramm abgenommen. Zum Glück habe ich es alleine wieder geschafft, Normalgewicht zu erreichen und musste nicht stationär aufgenommen, um künstlich ernährt zu werden. Meine Augen sind zudem schlechter geworden und bis heute fühle ich mich oft schlapp und antriebslos und leide unter Fatigue. Zudem muss ich die ganze Zeit darauf aufpassen, mir keinen Infekt einzufangen“, sagt Janina. Und weiter: „Ich wusste außerdem nicht, was ich alles machen muss, um wieder im Alltag und im Arbeitsleben anzukommen. Schließlich konnte ich meinen Beruf leider nicht mehr ausüben.“
Die Möglichkeiten finanzielle Unterstützung zu bekommen, das Beantragen eines Schwerbehindertenausweises und vieles mehr musste die junge Frau selbst recherchieren.
Dennoch hat Janina niemals aufgegeben. „Sterben war für mich keine Option“, sagt sie. „Ich wusste, dass es für mich noch nicht an der Zeit war, zu gehen.“
Lust auf Abenteuer
Wenn sie auf die aktuelle Corona-Situation blickt, findet sie es zwar schade, dass sie nun fast schon drei Jahre eingeschränkt leben muss, freut sich aber auf die Zukunft und das was da noch kommt: „Ich möchte noch viel erleben, freue mich auf Abenteuer und nicht mehr nur zu Hause sein zu müssen.“
Zwei kleine Abenteuer konnte Janina letztes Jahr bereits erleben: Einen Mallorca-Urlaub mit ihren Freundinnen und das erste Treffen mit ihrem Stammzellspender Thomas. Mit ihm hat sie sich auf Anhieb gut verstanden. „Es war so, als hätte ich mich mit einem guten Freund auf einen Kaffee getroffen. Es fühlte sich überhaupt nicht fremd an“, sagt sie. Sie freut sich bereits auf ein zweites Treffen, das in diesem Jahr stattfinden soll.
Beim Thema Stammzellspende ist Janina auch in ihrem Umfeld auf Vorurteile gestoßen. „Viele haben Angst vor einer Operation und einfach eine falsche Vorstellungen davon, wie die Spende abläuft. Dabei ist es in den meisten Fällen nur ein ambulanter Eingriff“, sagt sie.
Bis heute spürt Janina oftmals im Alltag die Nachwehen ihrer Krankheit. Manchmal fällt es ihr beispielsweise schwer, sich zu konzentrieren. Trotz allem ist sie froh und dankbar, die Leukämie hinter sich gelassen zu haben. „Ich mach‘ jetzt was aus meinem Leben“, lautet ihre Devise. Auch, wenn Corona die Dinge noch etwas herauszögert. Sie feiert jetzt zweimal im Jahr Geburtstag, ihren „normalen“ Geburtstag und ihren Transplantationsgeburtstag. Vielleicht wird sie noch einmal ein Studium aufnehmen. Sie möchte weiterhin etwas Soziales machen und sammelt aktuell durch Praktika in verschiedenen sozialen Einrichtung Erfahrungen.