Essen – In Millionenauflage ist die aktuelle Ausgabe der Neuen Allgemeinen Gesundheitszeitung für Deutschland seit Anfang Mai in zahlreichen deutschen Apotheken erhältlich – kostenlos für Kunden und Patienten, die sich über interessante Expertentipps und redaktionelle Beiträge rund um Medizin und Gesundheit informieren möchten. Die Titelseite thematisiert erneut ein brisantes Thema: Die untragbare Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung durch versicherungsfremde Leistungen. Ebenso räumt sie auf mit dem Märchen von der “Kostenexplosion” im Gesundheitswesen. In leicht verständlicher Form wird der Leser an das schwierige Thema herangeführt.
STAATSSANIERUNG AUF KOSTEN DER KRANKEN wgk. “Versicherungsfremde Leistungen”, schrieb der AOK-Bundesverband im Jahre 2003 hoffnungsvoll in seinem Web-Lexikon, “sind Leistungen, die in erster Linie im allgemeinen Interesse des Staates liegen. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz werden diese Leistungen nicht mehr wie bisher von der Gemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten aus deren Beiträgen, sondern durch eine Erhöhung der Tabaksteuer finanziert. So erhält die gesetzliche Krankenversicherung im Jahr 2004 vom Bund pauschal eine Milliarde Euro, 2005 2,5 Milliarden Euro und ab 2006 jeweils 4,2 Milliarden Euro.” Die Hoffnung auf nachhaltige Entlastung der Kassen ist verflogen. Das “GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz”, das am 1. April dieses Jahres in Kraft trat, legt eine drastische Reduzierung der Zuschüsse für 2007 fest. Zerstört sein dürften damit auch die Hoffnungen von 70 Millionen gesetzlich Versicherten, nicht mehr mit ihren Beiträgen für staatliche Belastungen, die nichts mit der Krankenversicherung zu tun haben, haften zu müssen. Dass diese Belastungen zu einem fast unlösbaren Problem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geführt haben, verdeutlichte Prof. Fritz Beske bereits in seiner Analyse aus dem Jahre 2004. Der Direktor des Instituts für Gesundheits-System-Forschung in Kiel kam zu dem Schluss, der Beitragssatz der GKV könne von 14,1 % um ganze 2,3 Prozentpunkte auf 11,8 % gesenkt werden. Dazu müsste die Finanzierung der fälschlich zulasten der Krankenversicherung getroffenen politischen Entscheidungen endlich der gesamten Gesellschaft übertragen werden. Allein 1,5 Prozentpunkte Beitragsbelastung errechnete der Wissenschaftler für die wirtschaftlichen Folgen der Wiedervereinigung, die vom Gesetzgeber auf die Kassen abgewälzt wurden. Finanzpolitisch korrekt wäre die Finanzierung über Steuern gewesen. Nach dieser “Plünderung der Sozialkassen” – eine Formulierung, die selbst in Bundestagsreden nicht mehr tabu ist – folgte eine “Gesundheitsreform” nach der anderen mit dem Ziel, weitere Milliarden aus dem Gesundheitswesen und den Versicherten herauszupressen. Die Folgen dieser in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Eingriffe in den volkswirtschaftlich wichtigsten Sektor, das Gesundheitswesen, spielten sich lange unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. In den Medien wurde und wird weiterhin unreflektiert die falsche, aber eingängige These von der “Kostenexplosion im Gesundheitswesen”, die es zu bekämpfen gilt, verbreitet. Jetzt werden die negativen Entwicklungen dieser Eingriffe allerdings von Tag zu Tag sichtbarer.
Experten weisen schon lange darauf hin, dass Deutschland dabei ist, eines der besten Gesundheitssysteme der Welt zu ruinieren: 50 Milliarden Euro Investitionsstau in Krankenhäusern, Ausverkauf selbst von Universitätskliniken an private Betreiber und drastische Belastungen der Apotheken mit ebenfalls direkten Auswirkungen auf Arbeits- und Ausbildungsplätze sind die Folge. Auch die permanente Kürzung der Erträge von Arztpraxen liefert traurige Resultate: Sie führt vor allem in ländlichen Gebieten zum “Aussterben” des Hausarztes. Die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die allzu stark an DDR-Zeiten erinnern, wird derweil schon eifrig vorangetrieben. Sogar die Arzneimittelversorgung ist betroffen: Die Zulassung des Internethandels birgt nicht zu unterschätzende Gefahren für die Arzneimittelsicherheit. Beunruhigend ist zudem, dass in Deutschland – anders als in anderen europäischen Ländern – die Unterversorgung der gesetzlich Versicherten mit innovativen, hochwirksamen Arzneimitteln bereits begonnen hat.
Gesundheitspolitiker aller Parteien hingegen verkünden öffentlich, es gebe noch “Reserven im System”. Verschwiegen wird, dass die Haushaltssanierung und die Finanzierung neuer Gesetze zu Lasten der Versicherten gehen, die sich aufgrund der öffentlich-rechtlichen Struktur der Kassen nicht wehren können. Doch eine Staatssanierung auf Kosten der Kranken ist unsozial und ungerecht.
WAS WÄHLER WOLLEN Ein Kommentar der Redaktion
Deutschland wird von einer “großen” Koalition regiert. Die repräsentiert angeblich den Wählerwillen. Aber die Koalition interessiert sich nicht für den Wählerwillen. Bestes Beispiel ist die neue “Gesundheitsreform”. Die war dringend notwendig. Aber nicht, weil die Gesundheitskosten explodiert sind. Wer das erzählt, der lügt. Sondern weil die Krankenkassen mit den Beiträgen “versicherungsfremde Leistungen” bezahlen müssen. Die gehören nicht in die gesetzliche Krankenversicherung. So bezahlt die jetzige Regierung für die Arbeitslosen nur die halben Krankenversicherungsbeiträge. Das kostet die Krankenkassen vier Milliarden Euro. Außerdem wurden den Kassen zwei Milliarden Euro wieder weggenommen, die als Anzahlung für diese “versicherungsfremden Leistungen” gedacht waren. Und schließlich kassiert der Finanzminister auf Arzneimittel auch noch die volle Mehrwertsteuer. Das ist Spitze in Europa. Und das sind noch mal ein paar Milliarden Euro. 10 Milliarden sind es insgesamt, sagen die Krankenkassen. Die nimmt der Staat sich so einfach aus den Versicherungsbeiträgen. Mit den “geklauten” Milliarden wird der Haushalt saniert. Auf Kosten der Kranken. Die bekommen oft nicht mehr die neuesten und wirksamsten Medikamente. Und auf Kosten der Krankenhäuser. Die werden geschlossen, weil sie sich angeblich nicht rechnen. Und auf Kosten der Ärzte. Viele sind praktisch pleite. 12.000 arbeiten schon im Ausland. Und auf Kosten der Apotheken. Viele werden nicht überleben. Und mit ihnen sterben zehntausende Arbeits- und Ausbildungsplätze. Und das alles soll der Wähler gewollt haben? Nein, das wollte der Wähler nicht. Wir sind das Volk! Aber das war gestern.