Der Gesundheitssektor hat enormen Nachholbedarf bei der Reduzierung seiner CO2-Emissionen. Warum das so ist und wo Hebel angesetzt werden können.
München. In Deutschland sind über 100.000 Arzneimittel zugelassen.1 Sie bilden eine wichtige Säule unserer Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig verursachen Herstellung, Transport und Entsorgung hohe CO2-Emissionen und weitere Umweltbelastungen. Das schadet auch unserer Gesundheit. Für Umwelt und Klima ist ebenfalls keine gute Nachricht, dass hierzulande Medikamente im Wert von mehr als fünf Milliarden Euro im Müll landen.2 Arzneimittelrückstände durch Ausscheidungen und falsche Entsorgung belasten zudem das Trinkwasser. Doch es gibt Maßnahmen, die die Umweltbilanz verbessern und die begrenzten Ressourcen im Gesundheitssektor schonen.
CO2-Ausstoß entlang der gesamten Lieferkette
Emissionen entstehen an vielen Punkten der Lieferkette von Medikamenten. Wie groß der Ausstoß ist, hängt zum Beispiel davon ab, wie viele fossile oder erneuerbare Energien bei der Herstellung verwendet werden. Genauso fällt ins Gewicht, wie weit Rohstoffe zur Fabrik zu transportieren sind und wohin das fertige Produkt schließlich geliefert wird. Die pharmazeutischen Wirkstoffe, die in die EU importiert werden, stammen zu mehr als einem Fünftel aus China. Immerhin werden 51 Prozent der in der EU konsumierten Medikamente auch in der Union hergestellt.3
Systemfehler bei Verpackung und Entsorgung
Auch am Ende ihres Lebenszyklus sind Medikamente belastend für die Umwelt. Viele Wirkstoffe gelangen über die Toilette oder beim Duschen von der Haut wieder in die Umwelt. Das kann kaum verhindert werden. Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass zusätzlich rund 30 Prozent der Arzneimittel weggeworfen werden. 20 bis 45 Prozent der Bevölkerung entsorgen ihre übrigen Pillen und Säfte selten oder gar regelmäßig über die Toilette oder den Abfluss.4 Mit weitreichenden Folgen für unsere Gewässer – über 100 verschiedene Medikamente sind dort nachgewiesen worden.5 Um die Gewässer besser zu schützen, hat die EU gerade eine Abwasser-Richtlinie beschlossen. Sie schreibt Pharma- und Kosmetikfirmen vor, sich an den Kosten für das Reinigen von Abwasser zu beteiligen.
Lösungen für nachhaltige Arzneimittel
- Verbrauch reduzieren und Packungsgrößen anpassen
Wie die hohen Zahlen an weggeworfenen Medikamenten zeigen, werden zu viele Arzneimittel verschrieben und gekauft, die dann nicht gebraucht werden. „Ein wichtiger Ansatz, um den hohen Medikamentenverbrauch zu senken, sind flexiblere Abgabegrößen“, sagt Dr. Gertrud Demmler, Vorständin der SBK Siemens-Betriebskrankenkasse. „Pharmafirmen sollten ihre Packungsgrößen an übliche Dosierungen anpassen. Denkbar wäre auch, dass Apotheken die Menge des Arzneimittels auf die laut Rezept voraussichtlich benötigte Dosierung anpassen. Für diese sogenannte patientenindividuelle Verblisterung braucht es eine gesetzliche Grundlage.“ - Aufklären für eine umweltfreundliche Entsorgung
„Wohin mit meinen Arzneimittelresten?“ Damit alle diese Frage beantworten können, braucht es einfache Regeln und eine wirksame Informationskampagne. Landet keine Pille mehr im Abwasser, wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung. - Umweltstandards verbessern und einfordern
Bei der Produktion und beim Transport von Medikamenten sind hohe Umweltstandards einzuhalten. Um das sicherzustellen, helfen anerkannte Zertifizierungen. Um sie zu fördern, können Krankenkassen einen wichtigen Beitrag leisten. Gertrud Demmler erläutert: „In unserer Kassenkooperation, der GWQ Service Plus AG, fordert die SBK gemeinsam mit den beteiligten Krankenkassen in Generika-Ausschreibungen das Vorliegen anerkannter Nachhaltigkeitszertifikate.6 Damit setzen wir das Signal in die Branche, dass Nachhaltigkeitsstandards auch hier an Bedeutung gewinnen.“ - Upcycling und Kreislaufwirtschaft aufbauen
Positiv auf die CO2-Bilanz wirkt sich das Prinzip der Kreislaufwirtschaft aus. Im Vorreiterland Schweden fördern Programme bereits die Rückgabe und das Recycling von Medikamentenverpackungen. Künftig könnte noch mehr passieren: Die Forschung arbeitet daran, das Upcycling von Wirkstoffen technisch zu lösen. Ziel ist es, diese Komponenten eines Medikaments einzeln aus alten Arzneimitteln herauszulösen und schließlich wiederzuverwerten.7
Diese Pressemitteilung ist der dritte Teil unserer Serie #SBKerklärt zum Thema Klima und Gesundheit. Im ersten Teil der Serie stellen wir unsere repräsentative Umfrage zur Wahrnehmung der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels vor. Im zweiten Teil beantworten wir die Frage, warum das Gesundheitswesen einen so großen CO2-Fußabdruck hat.
1https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/ZDF/Zahlen-Daten-Fakten-24/ZDF_2024_60_In_Deutschland_zugelassene_Arzneimittel.pdf
2https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pharmazie/medikamentenmuell-fuenf-milliarden-euro-fuer-die-tonne/
3https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2021/daz-30-2021/wo-unsere-arzneimittel-und-wirkstoffe-herkommen
4https://www.bmuv.de/richtig-entsorgen-wirkt/wie-werden-arzneimittel-richtig-entsorgt
5https://www.bmuv.de/richtig-entsorgen-wirkt/wie-werden-arzneimittel-richtig-entsorgt
6https://www.sbk.org/presse/generika-ausschreibung-mit-nachhaltigkeitskriterien/
7https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pharmazie/medikamentenmuell-fuenf-milliarden-euro-fuer-die-tonne/
Über die SBK:
Die SBK Siemens-Betriebskrankenkasse ist die größte Betriebskrankenkasse Deutschlands und gehört zu den 20 größten gesetzlichen Krankenkassen. Als geöffnete, bundesweit tätige Krankenkasse versichert sie mehr als eine Million Menschen und betreut über 100.000 Firmenkunden in Deutschland – mit rund 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 86 Geschäftsstellen.
Seit über 100 Jahren setzt sich die SBK persönlich und engagiert für die Interessen der Versicherten ein. Sie positioniert sich als Vorreiterin für einen echten Qualitätswettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung. Voraussetzung dafür ist aus Sicht der SBK mehr Transparenz für die Versicherten – über relevante Finanzkennzahlen, aber auch über Leistungsbereitschaft, Beratung und Dienstleistungsqualität von Krankenkassen. Im Sinne der Versicherten vereint die SBK darüber hinaus das Beste aus persönlicher und digitaler Welt und treibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen aktiv voran.