Hamburg – Das Europäische Parlament hat in der vergangenen Woche internationale Einzelhandelsketten wegen des Missbrauchs ihrer Marktmacht kritisiert. Die Parlamentarier beklagten einen Verlust an Produktvielfalt, kulturellem Erbe sowie Einzelhandelsverkaufsstellen und Beschäftigungsqualität und forderten die Europäische Kommission dazu auf, die Auswirkungen der Konzentration auf Kleinunternehmen, Zulieferer, Arbeitnehmer und Verbraucher zu untersuchen.
Die Hamburger Apotheker teilen die Befürchtungen der Politiker und warnen vor vergleichbaren Entwicklungen bei der Arzneimittelversorgung, sollten Apothekenketten in Deutschland zugelassen werden. “Wir sehen mit großer Sorge, wie interessierte Kreise versuchen, einen Marktumbruch herbeizuführen”, erklärt der Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins, Dr. Jörn Graue. “In der Diskussion werden unabhängige Apotheken als antiquiert und Ketten als innovativ dargestellt. Blickt man hinter die Kulissen, erkennt man schnell, dass einige große Konzerne versuchen, eine Realität nach ihren Vorstellungen herbeizureden. Den Verbrauchern und Patienten ist damit nicht geholfen.”
Potenzielle Kettenbetreiber vermitteln den Eindruck, Medikamente zu Discountpreisen anzubieten. “Arzneimittel sind besondere Produkte, die die Gesundheit bei übermäßigem oder falschem Verbrauch auch schädigen können”, erklärt Rainer Töbing, Präsident der Apothekerkammer Hamburg. “Wer Medikamente verramschen will, zeigt nur, dass ihm der notwendige medizinisch-pharmazeutische Sachverstand fehlt – oder dass ihm die Verbraucher gleichgültig sind.”
Einen Beweis, dass Kettenkonzerne Preise senken, gebe es ohnehin nicht, im Gegenteil: “In einigen Ländern und in anderen Branchen haben die Verbraucher negative Erfahrungen mit Handelskonzernen gemacht. Wenn sich der Rauch des Preiskampfes verzogen hat, werden sich viele verwundert die Augen reiben”, so Töbing. “Wir können nur davor warnen, unser hervorragendes Apothekensystem Konzerninteressen zu opfern.”
“Die Erklärung der EU zeigt sehr deutlich, dass die Gefahren der Kettenbildung erkannt werden”, ergänzt Graue. “Wer heute noch an den Segen der Kette glaubt, der sollte auf den Lebensmittelmarkt, das Tankstellennetz oder den Energiesektor schauen.”