Düsseldorf – Bei einer fehlerhaften Operation, unterlassenen Diagnose oder mangelnden Aufklärung können gesetzlich Krankenversicherte keine große Unterstützung bei Reklamation und zur Abhilfe von ihrer Krankenkasse erwarten. Kaum eine Krankenkasse kommt von vornherein aus der Deckung und informiert ihre Versicherten aktiv über ihr Management beim Verdacht auf Behandlungsfehler. „Ratsuchende, die sich hilfesuchend an ihre Kasse wenden, werden zwar über ihre Patientenrechte aufgeklärt. Doch wenn es darauf ankommt, einen Verdachtsfall zu prüfen und Ansprüche bei begründeten medizinischen Patzern gegenüber Ärzten, Versicherungen und Gerichten durchzusetzen, dünnen Rat und Hilfe der gesetzlichen Krankenkassen immer mehr aus“, erklärt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, mit Blick auf die Selbstauskunft von 50 Krankenkassen zu ihrem Umgang mit Behandlungsfehlern: „Die gesetzlichen Kassen bieten zu wenig Hilfe.“
Bis zu 170.000 Behandlungsfehlern gibt’s nach Schätzung des Bundesgesundheitsministeriums pro Jahr. Das Patientenrechtegesetz verpflichtet die gesetzlichen Krankenkassen seit Februar 2013, Versicherte bei einem geäußerten Verdacht eines Behandlungsfehlers nicht nur mit grundlegenden Infos zu versorgen, sondern sie auch bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen stärker zu unterstützen. Die Kassen sollen den Versicherten die Beweisführung erleichtern, zum Beispiel indem sie für ein medizinisches Gutachten sorgen. Sie müssen allerdings nur professionelle Hilfe leisten, wenn es sich bei dem beanstandeten medizinischen Schaden um eine Kassenleistung handelt, die noch nicht verjährt ist.
Anderthalb Jahre nach Inkrafttreten der verschärften Regeln wollte die Verbraucherzentrale NRW von den 72 bundes- wie NRW-weit geöffneten gesetzlichen Krankenkassen wissen, wie sie die rechtlichen Vorgaben für ihre Versicherten umsetzen. 50 der befragten Kassen gaben hierzu bereitwillig Auskunft. 46 von ihnen (92 Prozent) haben demnach aufgrund des Gesetzes ihr Informationsangebot nicht beziehungsweise kaum verändert. Gerade mal zwei Kassen informieren ihre Versicherten per Anschreiben über ihr Beratungs- und Hilfsangebot bei Behandlungsfehlen. 39 der Krankenversicherer (78 Prozent) verlassen sich darauf, dass Patienten sich mit den veröffentlichen Hinweisen auf ihrer jeweiligen Internetseite zufrieden geben. Bis auf eine gaben alle Krankenkassen an, dass auf Nachfrage von Ratsuchenden geschultes Fachpersonal eine Auskunft erteilt. 47 Kassen betreuen Ratsuchende auch über einen längeren Zeitraum persönlich. „Allerdings bleibt diese Hilfe im Laufe des Beratungsprozesses immer mehr auf der Strecke“, moniert NRW-Verbraucherzentralenchef Schuldzinski. So erläutern 48 der befragten Kassen (96 Prozent) den Ratsuchenden zwar die erforderlichen Schritte, um gegen einen Behandlungsfehler vorzugehen. Doch nur 37 sehen auch immer in die eigenen Akten, um den geäußerten Verdacht zu prüfen. Lediglich 35 der 50 auskunftswilligen Kassen geben an, dass sie stets ein Gutachten erstellen, wenn es Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler gibt und die Versicherten ausdrücklich eine weitere Unterstützung wünschen. In der Regel bleiben betroffene Patienten mit dem Prüfergebnis der Kassen auf sich selbst gestellt: Nur 15 Krankenkassen wenden sich noch mal telefonisch oder persönlich an ihre Versicherten, um Ergebnis und weiteres Vorgehen zu besprechen.
„Die Rechte der Patienten bei Behandlungsfehlern wahrzunehmen und zu stärken wurde bislang von den gesetzlichen Kassen, aber auch vom Gesetzgeber verfehlt, weil keine klare Vorgaben gemacht wurden“, kritisiert Schuldzinski. Er fordert eine rasche patientenorientierte Nachbesserung, die den gesetzlichen Krankenkassen folgende Vorgaben mit ins Aufgabenbuch schreibt: Verbindliche Aufklärung per Anschreiben und Internet, mit welchen konkreten Kassenleistungen Versicherte bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen bei einem Behandlungsfehler rechnen können. Zudem will er eine feste Zusicherung, dass die Kassen Patienten so lange bei der Aufklärung eines medizinischen Befunds behilflich sind, bis der Verdacht ausgeräumt oder zur Untermauerung ein Gutachten erstellt worden ist. Abschließend pocht Verbraucherzentralenvorstand Schuldzinski darauf, dass Ratsuchenden immer eine schriftliche sowie mündliche Einschätzung zum geäußerten Verdacht eines Behandlungsfehlers erhalten, bei der auch weiterführende Schritte erläutert werden.
Weiteres zur Selbstauskunft der gesetzlichen Krankenkassen zu ihrer Behandlungsfehlerhilfe gibt’s im Internet unter www.vz-nrw.de/hilfe-bei-behandlungsfehlern
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