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„Grüne Fabriken“ – Impfstoffe aus Pflanzen
Mit der Herstellungsmethode ″Molecular Farming″ können pharmazeutische Unternehmen Pflanzen dazu bringen, für den Menschen wertvolle Wirksubstanzen etwa für Impfstoffe oder Arzneimittel zu produzieren. Foto: ©Shutterstock/Bubbly Pang

„Grüne Fabriken“ – Impfstoffe aus Pflanzen

Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V.

″Molecular Farming″ heißt eine Methode, mit der pharmazeutische Unternehmen Pflanzen zu lebendigen Bioreaktoren umwandeln. Die Pflanzen erhalten einen neuen genetischen Bauplan, der sie befähigt, Substanzen für Arzneimittel und neuerdings auch Impfstoffe herzustellen – und das schnell und kostengünstig, nachhaltig und sicher. Pflanzen bergen somit ein großes Potenzial, um die Menschen mit Impfstoffen vor Krankheiten zu schützen. Eine gute Nachricht! Dr. Pablo Serrano, Geschäftsfeldleiter Innovation und Forschung/Biotechnologie beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) erklärt, wie diese Herstellungsmethode funktioniert.

Impfstoffe vom Acker? Klingt schräg, ist es aber nicht. Tatsächlich können pharmazeutische Unternehmen Pflanzen zu „grünen“ Biotechfabriken umfunktionieren, indem sie ihr Erbgut verändern. Die Methode heißt ″Molecular Farming″ oder „Molekulare Landwirtschaft“. Pflanzen werden dazu gebracht, für den Menschen wertvolle Substanzen zu produzieren. Diese Wirkstoffe können dann etwa für die Impfstoff- und Arzneimittelproduktion eingesetzt werden.

Tabakpflanzen als ideale Bioreaktoren

Jüngstes Beispiel ist der in Kanada zugelassene Corona-Impfstoff Covifenz® des Biotechnologie-Unternehmens Medicago Inc. im kanadischen Quebec. Der Corona-Impfstoff schützt mit fast 70-prozentiger Wirksamkeit vor einer symptomatischen Infektion und sogar bis zu 78 Prozent vor einem moderaten bis schweren Verlauf, wie Studienergebnisse gezeigt haben. Zuvor hatte der für die Entwicklung maßgebliche Mikrobiologe Brian Ward von der McGill University bei Medicago Inc. auch einen Impfstoff gegen Grippe aus genetisch veränderten Pflanzen mitentwickelt. Der kanadische Corona-Impfstoff wurde in der Tabakpflanze Nicotiana benthamiana hergestellt. Sie gehört zwar zur gleichen Gattung wie ihre in der Tabakindustrie verwendete Verwandte, ist aber eine andere Art. Tabakpflanzen sind ideale Bioreaktoren. Sie wachsen schnell, die Blätter können mehrere Male im Jahr geerntet werden und ihr Erbgut lässt sich leichter und schneller verändern als das von anderen Pflanzen.

Gewinnung von Arzneimittel-Bestandteilen

Das Konzept des Molecular Farming ist seit mehr als 30 Jahren bekannt. „Mit dieser Herstellungspraxis können nicht nur Impfstoffe, sondern auch einige wichtige Bestandteile für Arzneimittel gewonnen werden, wie zum Beispiel das Enzym Glucocerebrosidase in Karottenzellen“, sagt Serrano. Menschen, denen dieses Enzym fehlt, können bestimmte Stoffwechselprodukte nicht abbauen. Sie erkranken beispielsweise an Morbus Gaucher, einer erblichen Stoffwechselerkrankung, die zum Tode führen kann. Das fehlende Enzym lässt sich aber gut in Pflanzen herstellen. „Das entsprechende Arzneimittel wurde 2012 zugelassen und bedeutete einen großen Durchbruch für das Molecular Farming“, ergänzt Serrano.

Gamechanger in der Biotechnologie

In den darauffolgenden Jahren habe sich diese Methode so weit entwickelt, dass man auch schneller und kostengünstiger Impfstoffe herstellen könne. Ein Vorteil gegenüber den klassischen biotechnischen Verfahren: „Pharmazeutische Unternehmen können vergleichsweise zügig einen Impfstoff entwickeln und in großer Menge produzieren. Damit wird es möglich, schneller auf Notsituationen zu reagieren“, betont der BPI-Experte. Denn der stetig wachsende Bedarf an Impfstoffen und Arzneimitteln erhöht die Nachfrage nach alternativen Produktionsmöglichkeiten. Zudem sind die „grünen Fabriken“ effizient und nachhaltig. So werden abgestorbene Pflanzenteile vollständig von Mikroorganismen zersetzt und wieder in den Stoffkreislauf eingeschleust. Es sind bei der Produktion keinerlei tierische Substanzen nötig. Das kann für Tierallergiker, Veganer oder bestimmte Religionsgemeinschaften wichtig sein. Die Produktion findet in kontrollierten Gewächshäusern statt und gilt daher als sicher.

Genetischen Bauplan in die Pflanzen einbringen

„Die Methode ist einfach: Man bringt – durch Spritzen oder Eintauchen in eine bakterielle Lösung – in junge Pflanzen einen genetischen Bauplan ein, der zuvor im Labor konstruiert wurde. Als ‚Taxi‘ fungiert dabei zum Beispiel das Bodenbakterium ‚Agrobacterium tumefaciens‘, das den Bauplan in die Pflanzenzelle befördert“, erklärt Serrano. Bei der sogenannten „stabilen Transformation“ wird die neue Erbinformation in das Pflanzengenom eingebaut. Stabil heißt der Prozess deswegen, weil dabei völlig neue Pflanzen entstehen. Alle Zellen der Nachkommen enthalten den neuen Bauplan. „Das hat den Vorteil, dass sich die Pflanzen beliebig vermehren und sich in den Samen ungekühlt transportieren lassen“, ergänzt Serrano. Allerdings koste dieses Verfahren in der Regel mehr Zeit.

Der Anbau „grüner“ Bioreaktoren ist einfach

″Transient″, das heißt vorübergehend, ist der Vorgang, wenn die eingebrachte Erbinformation nicht in das Genom der Pflanzen eingebaut wird. Diese liegt dann nur temporär als Vorlage für die Produktion des Zielproteins in den Zellen vor. Die Gene der Nachkommen enthalten dann nicht die neue Information. Bei diesem Prozess können die „grünen“ Bioreaktoren bereits innerhalb kurzer Zeit den Impfstoff produzieren. „Pflanzen bergen ein großes Potenzial, therapeutische Wirkstoffe und Impfstoffe herzustellen“, unterstreicht Serrano. „Sie sind einfach anzubauen und benötigen nur Licht, Wasser und Nährstoffe.“

Hinweis: Die Verwendung des Fotos ist unter der Quellenangabe BPI/Shutterstock_Bubbly Pang und in Verbindung mit der Pressemeldung honorarfrei.