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Grenzen des Body-Mass-Index in der klinischen Routine und Wissenschaft sowie ergänzende Untersuchungen

Pressemitteilung

Heidelberg, 23.01.2023 – Zur Diagnose von Übergewicht und Adipositas wird häufig der Body-Mass-Index (BMI) verwendet. Aufgrund seiner weltweiten Akzeptanz und der einfachen Berechnung aus Körpergewicht und Größe (kg/m2) ist er nützlich, um eine erste Einschätzung der Adipositas in der Bevölkerung vorzunehmen. Allerdings kann der BMI das Risiko für Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen auf individueller Ebene nicht immer richtig widerspiegeln[1], [2], denn die Messmethode weist wesentliche Einschränkungen auf: Der BMI liefert keine Informationen über die Körperzusammensetzung. Er kann nicht zwischen Muskel- und Fettmasse unterscheiden, und auch die Verteilung und Art des Fettgewebes werden nicht berücksichtigt.

So wird beispielsweise der Körperfettanteil je nach Geschlecht unterschiedlich genau durch den BMI erfasst: Der prozentuale Körperfettanteil bei Frauen ist in der Regel höher als bei Männern mit gleichem BMI[3]. Zudem spielt es eine wichtige Rolle, wo sich das Fettgewebe am Körper ansammelt, denn Fettgewebe ist nicht gleich Fettgewebe. Das Unterhautfettgewebe, welches eher an den Oberschenkeln und an der Hüfte zu finden ist, hat andere Effekte in Bezug auf unsere Gesundheit als das tieferliegende Fettgewebe, das unsere Organe umgibt. Darum sagt auch der absolute Körperfettanteil wenig aus[4]. Die Unterscheidung zwischen Unterhaut- und Organfettgewebe steht heute mehr denn je im Fokus der Forschung. Insbesondere das tieferliegende Organfettgewebe gilt als hormonell aktiv, d.h. es werden Entzündungsmarker ausgeschüttet, die mit einem erhöhten Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 und koronarer Herzkrankheit einhergehen[5], [6]Daneben ist auch die Menge an Muskeln von zentraler Bedeutung. So führt ein hoher Muskelanteil dazu, dass das Gewicht und somit der BMI steigen. Insbesondere der Verlust von Muskelmasse im Alter geht mit einem erhöhten Krankheitsrisiko und damit ebenfalls mit einem erhöhten Risiko früher zu sterben einher[7] .

Aus diesen Gründen ist eine verbesserte Erhebung von Übergewicht und Adipositas in der täglichen klinischen Praxis und ebenso in epidemiologischen Studien unumgänglich. In der NAKO Gesundheitsstudie werden deshalb eine ganze Bandbreite an Untersuchungen eingesetzt. Neben den klassischen Messungen von Körpergröße, -gewicht und Taillen- bzw. Hüftumfang kommen weitere Methoden wie die multifrequente bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) zum Einsatz. Diese spezielle Waage (BIA-Waage) kann zwischen Fettmasse und Muskelmasse unterscheiden. Außerdem wird das Unterhautfettgewebe und das Organfettgewebe in der Bauchregion mit Hilfe von Ultraschall ermittelt. Zusätzlich werden weitere bildgebende Verfahren wie MRT-Aufnahmen des Körpers sowie ein 3-D-Bodyscan für die bildliche Darstellung der äußeren Körperform in einigen Studienzentren eingesetzt. Diese einzigartige Fülle an verschiedenen körperbezogenen Daten bietet die Chance, eine neue Perspektive auf den Zusammenhang zwischen körperlichen Merkmalen, deren Veränderung über die Zeit und der Entstehung von chronischen Erkrankungen abzubilden[8].

Publikationen

Sedlmeier AM, Baumeister SE, Weber A, Fischer B, Thorand B, Ittermann T et al.: Relation of body fat mass and fat-free mass to total mortality: results from 7 prospective cohort studies. Am J Clin Nutr 2021; 113:639–46.

[1] Borga M, West J, Bell JD, Harvey NC, Romu T, Heymsfield SB et al. Advanced body composition assessment: from body mass index to body composition profiling. J Investig Med 2018; 66(5):1–9.

[2] Cornier M-A, Després J-P, Davis N, Grossniklaus DA, Klein S, Lamarche B et al. Assessing adiposity: a scientific statement from the American Heart Association. Circulation 2011; 124(18):1996–2019.

[3] Nuttall FQ. Body Mass Index: Obesity, BMI, and Health: A Critical Review. Nutr Today 2015; 50(3):117–28.

[4] Fox CS, Massaro JM, Hoffmann U, Pou KM, Maurovich-Horvat P, Liu C-Y et al. Abdominal visceral and subcutaneous adipose tissue compartments: association with metabolic risk factors in the Framingham Heart Study. Circulation 2007; 116(1):39–48.

[5] Schlecht I, Gronwald W, Behrens G, Baumeister SE, Hertel J, Hochrein J et al. Visceral adipose tissue but not subcutaneous adipose tissue is associated with urine and serum metabolites. PLoS One 2017; 12(4):e0175133

[6] Shuster A, Patlas M, Pinthus JH, Mourtzakis M. The clinical importance of visceral adiposity: a critical review of methods for visceral adipose tissue analysis. Br J Radiol 2012; 85(1009):1–10.

[7] Sedlmeier AM, Baumeister SE, Weber A, Fischer B, Thorand B, Ittermann T et al. Relation of body fat mass and fat-free mass to total mortality: results from 7 prospective cohort studies. Am J Clin Nutr 2021; 113:639–46.

[8] Fischer B, Sedlmeier AM, Hartwig S, Schlett CL, Ahrens W, Bamberg F et al. Anthropometrische Messungen in der NAKO Gesundheitsstudie – mehr als nur Größe und Gewicht. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2020; (63):290–300

Fischer B, Sedlmeier AM, Hartwig S, Schlett CL, Ahrens W, Bamberg F et al.: Anthropometrische Messungen in der NAKO Gesundheitsstudie – mehr als nur Größe und Gewicht. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2020; (63):290–300.

Cornier M-A, Després J-P, Davis N, Grossniklaus DA, Klein S, Lamarche B et al.: Assessing adiposity: a scientific statement from the American Heart Association. Circulation 2011; 124(18):1996–2019.

Stefan N. Causes, consequences, and treatment of metabolically unhealthy fat distribution. The Lancet Diabetes & Endocrinology 2020; 8(7):616–27.

Hintergrundinformationen zur NAKO Gesundheitsstudie:

Die NAKO Gesundheitsstudie ist ein gemeinsames Projekt von 27 Institutionen – Universitäten, Helmholtz-Zentren, Leibniz-Instituten sowie anderen Institutionen – die sich im NAKO e.V. zusammengeschlossen haben, um gemeinsam die bislang größte bevölkerungsbasierte, prospektive Langzeitstudie in Deutschland durchzuführen. Seit 2014 werden in der NAKO Gesundheitsstudie zufällig aus den Melderegistern gezogene Erwachsene zwischen 20 und 69 Jahren bundesweit in 18 Studienzentren medizinisch untersucht und nach ihren Lebensumständen befragt. Ziel ist es, chronische Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Infektionen und Depression genauer zu erforschen, um Prävention, Früherkennung und Behandlung dieser in der Bevölkerung weit verbreiteten Krankheiten zu verbessern.

Das multizentrische Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, den beteiligten Ländern und der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert. 205.000 Personen haben an der NAKO Studie teilgenommen, davon 30.000 an der zusätzlichen einstündigen MRT-Ganzkörperuntersuchung. Zurzeit werden die Teilnehmer*innen erneut zur Folgeuntersuchung eingeladen. Bis Ende November haben sich über 93.000 Teilnehmer*innen wieder beteiligt.

Zu den 18 Studienzentren (SZ) zählen das SZ-Augsburg, das SZ-Berlin Nord, das SZ-Berlin Mitte, das SZ-Berlin Süd/Brandenburg, das SZ-Bremen, das SZ-Düsseldorf, das SZ-Essen, das SZ-Freiburg, das SZ-Halle, das SZ-Hamburg, das SZ-Hannover, das SZ-Kiel, das SZ-Leipzig, das SZ-Mannheim, das SZ-Münster, das SZ-Neubrandenburg, das SZ-Regensburg und das SZ-Saarbrücken.

Weitere Informationen unter https://nako.de