Berlin – Glioblastome zählen zu häufigsten, aber auch bösartigsten Hirntumoren. Sie wachsen sehr schnell und dringen in das gesunde Gehirngewebe ein, weshalb bei einer Operation nie das gesamte Krebsgeschwür entfernt werden kann. Jetzt haben die Neurochirurgen Dr. Darko. S. Markovic (Helios Klinikum Berlin Buch) und PD Dr. Michael Synowitz (Charité) sowie Dr. Rainer Glass und Prof. Helmut Kettenmann (beide Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, MDC, Berlin-Buch) gezeigt, dass Glioblastomzellen die Immunzellen des Gehirns, die Mikrogliazellen, für ihre Ausbreitung nutzen. Zugleich klärten sie den molekularen Mechanismus dafür auf (PNAS, Early Edition)*.
Mikrogliazellen sind die Immunabwehr des zentralen Nervenssystems (ZNS). Auf ihrer Oberfläche tragen sie spezielle Antennen, Toll-like Rezeptoren genannt oder kurz TLR. Mit diesen Rezeptoren spüren sie im ZNS Erreger oder Entzündungsprozesse auf, um sie zu bekämpfen oder Reparaturmechanismen auszulösen.
Mikroglia greifen jedoch Glioblastome nicht an. Ganz im Gegenteil: diese Immunzellen unterstützen die Ausbreitung der Tumore sogar noch und verschlimmern den Krankheitsprozess. Wie, das konnten die Berliner Forscher zusammen mit Forschern aus Warschau, Polen, Amsterdam, Niederlande und Bethesda, USA jetzt zeigen. Das Projekt förderte das Bundesforschungsministerium in einem deutsch-polnischen Partnerprogramm.
Mikrogliazellen reichern sich in und um ein Gliablastom an. Tatsächlich besteht ein solcher Hirntumor in fortgeschrittenem Stadium bis zu 30 Prozent aus Mikrogliazellen, vor allem an den Tumorrändern sind diese Immunzellen konzentriert.
Glioblastomzellen manipulieren die Immunzellen
Die Glioblastomzellen schütten bestimmte Enzyme (Metalloproteasen) aus, die das Gewebe zwischen den Zellen, die extrazelluläre Matrix sowie die Zell-Zell-Verbindungen, auflösen. Die Gliome produzieren jedoch hauptsächlich einen inaktiven Vorläufer der Metalloproteasen, der erst durch Spaltung mit Hilfe eines Enzyms der Mikroglia scharf gemacht wird.
Dieses Enzym, sitzt in der Zellhülle (Membran) der Mikrogliazellen, weshalb die Forscher es Membran Typ 1 Metalloprotease (MT1-MMP) nennen. MT1-MMP macht den Glioblastomzellen den Weg frei, in das gesunde Hirngewebe vorzudringen.
Normalerweise produzieren Mikrogliazellen dieses Enzym nicht. Die Gliomzellen jedoch manipulieren die Mikroglia indem sie deren TLR stimulieren, so daß die Immunzellen das Enzym MT1-MMP auf ihrer Zelloberfläche präsentieren.
In Mäusen konnten die Forscher ihre in der Zellkultur gewonnenen Daten bestätigen. Bei den Tieren, bei denen wir das MT1-MMP-Gen oder ein zentrales Gen für die TLR-Signalgebung ausgeschaltet hatten, lockten Gliome weit weniger Mikrogliazellen an und die Tumore wuchsen erheblich langsamer, erläutert Prof. Kettenmann.
Den Nachweis von MT1-MMT auf Mikrogliazellen erbrachten die Forscher auch in Gewebeproben von Glioblastompatienten. Auffallend war, dass die Glioblastome alle in einem weit fortgeschrittenen Stadium waren und die Mikrogliazellen sich im Randbereich des Tumors befanden. Bei Mikrogliazellen in gesundem Hirngewebe sind die MT1-MMP-Werte hingegen sehr gering. Die Glioblastomzellen selbst machen kein MT1-MMP. Lösten die Forscher jedoch die Expression des Enzyms bei Glioblastomzellen experimentell aus, gingen die Krebszellen zugrunde.
Möglicherweise, so die Forscher, könnte die Blockade des TLR-Rezeptors der Mikrogliazellen oder deren intrazelluläre Signalwege in Zukunft die rasche Ausbreitung von Glioblastomen reduzieren. Prof. Kettenmann: Mikroglia wird so zu einem neuen Target der Glioblastomforscher.
* Gliomas induce and exploit microglial MT1-MMP expression for tumor expansion
D. S. Markovica,b, K. Vinnakotaa, S. Chirasania, M. Synowitza,c, H. Ragueta, K. Stocka, M. Sliwad, S. Lehmanne, R. Ka¨ linf,N. van Rooijeng, K. Holmbeckh, F. L. Heppnerf, J. Kiwitb, V. Matyasha, S. Lehnardte, B. Kaminskad, R. Glassa,1,2, and H. Kettenmanna,1
aCellular Neuroscience, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, 13125 Berlin, Germany; bDepartment of Neurosurgery, Helios Clinics, 13125 Berlin, Germany; cDepartments of Neurosurgery and fNeuropathology and eCecilie Vogt Clinic for Neurology, Charité – Universitätsmedizin Berlin, 13353 Berlin, Germany; dLaboratory of Transcription Regulation, Nencki Institute of Experimental Biology, 02-093 Warsaw, Poland; gDepartment of Molecular Cell Biology, Faculty of Medicine, Vrije Universiteit, VU University Medical Center, 1081 BT Amsterdam, The Netherlands; And and hCraniofacial Skeletal Diseases Branch, Matrix Metalloproteinase Unit, National Institute of Dental and Craniofacial Research, National Institutes of Health, Bethesda, MD 20892
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