Berlin – Die Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung verläuft nach wie vor deutlich besser als im vergangenen Jahr. Nach einem Plus von 112 Mio. Euro im 1. Halbjahr 2010 haben die Krankenkassen im 1. Halbjahr 2011 einen Überschuss von 2,417 Mrd. Euro erzielt. Im 1. Quartal betrug das Plus 1,468 Mrd. Euro. In den Monaten Januar bis Juni 2011 standen bei sämtlichen Krankenkassen Einnahmen in Höhe von rd. 91,7 Mrd. Euro Ausgaben in Höhe von rund 89,3 Mrd. Euro gegenüber.
Bei der Betrachtung der Finanzentwicklung im Jahresverlauf ist zu beachten, dass die Ausgaben in der ersten Jahreshälfte regelmäßig niedriger sind als im 2. Halbjahr, während die Auszahlungen der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds in monatlich gleichen Teilbeträgen erfolgen. Die GKV hatte in der zweiten Jahreshälfte des letzten Jahres rund. 1,5 Mrd. Euro mehr an Ausgaben zu finanzieren als in der ersten Jahreshälfte. Vor diesem Hintergrund kann in den Monaten Juli bis Dezember 2011 nicht mit entsprechenden Überschüssen der Krankenkassen gerechnet werden wie in den Monaten Januar bis Juni. So wurde aus dem Überschuss im 1. Halbjahr des vergangenen Jahres im Gesamtjahr noch ein Defizit von rd. 445 Mio. Euro. Bei einer differenzierten Betrachtung der Krankenkassenarten verbuchten die beiden großen Krankenkassenarten AOK und Ersatzkassen ähnlich hohe Überschüsse von rd. 971 bzw. 954 Mio. Euro. Bei den kleineren Krankenkassenarten erzielten die Betriebskrankenkassen Überschüsse von 221 Mio. Euro, die Innungskrankenkassen von 156 Mio. Euro und die Knappschaft-Bahn-See von 98 Mio. Euro. Die positive Finanzentwicklung verschafft einer Reihe von Krankenkassen, die bislang noch nicht über ausreichende Finanzreserven verfügten, die Möglichkeit, ihre Finanzsituation zu verbessern.
Finanzentwicklung des Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds zahlte für das erste Halbjahr Zuweisungen in Höhe von insgesamt rund 89,47 Mrd. Euro an die Krankenkassen aus. Die Einnahmen des Gesundheitsfonds aus Beiträgen und Bundeszuschüssen lagen bei 89,95 Mrd. Euro. In den Einnahmen ist anteilsmäßig auch die Hälfte des Bundeszuschusses von 2 Mrd. Euro für Mittel enthalten, die in den Jahren 2012 bis 2014 für Zwecke des Sozialausgleichs und der Finanzierung der Zusatzbeiträge von ALG-2-Empfängern vorgesehen sind.
In der zeitlichen Abgrenzung für das 1. Halbjahr 2011 weist der Gesundheitsfonds damit einen Überschuss von rund 0,46 Mrd. Euro aus. Im Unterschied zur Finanzentwicklung bei den Kassen sind die Beitragseinnahmen des Gesundheitsfonds regelmäßig zum Ende eines Jahres (“Weihnachtsgeldeffekt”) höher als in den Monaten zuvor.
In der Summe der Überschüsse der gesetzlichen Krankenkassen und des Gesundheitsfonds ergibt sich somit für die GKV insgesamt im 1. Halbjahr ein Plus von rund 2,9 Mrd. Euro.
Liquiditätsreserve größtenteils gebunden
Nach den bisherigen Annahmen des GKV-Schätzerkreises wird der Gesundheitsfonds Ende 2011 über eine Liquiditätsreserve von rund 6,9 Mrd. Euro verfügen. Davon sind wesentliche Teile bereits gebunden, nämlich derzeit rund 3 Mrd. Euro durch die zwingend vorzuhaltende Mindestreserve in Höhe von 20 v.H. einer durchschnittlichen Monatsausgabe, deren Höhe bei steigendem Ausgabenvolumen in den nächsten Jahren noch anwachsen wird, und 2 Mrd. Euro für Mittel, die in den Jahren 2012 bis 2014 für Zwecke des Sozialausgleichs und der Finanzierung der Zusatzbeiträge von ALG-2-Empfängern vorgesehen sind. Die derzeitige maßvolle Überschreitung der Mindestgrenze der Liquiditätsreserve ist für ein nachhaltig finanziertes Gesundheitssystem unter den derzeitigen Bedingungen ökonomisch sinnvoll und zugleich im Interesse der Versicherten. Zu bedenken ist hierbei auch, dass die gegenwärtige erfreuliche konjunkturelle Entwicklung vor dem Hintergrund der derzeitigen Unruhen an den Finanzmärkten sowie den fiskalischen Problemen einzelner Euro-Länder mit Risiken behaftet ist. Eine aktuelle Einschätzung zur weiteren Finanzentwicklung der GKV im Jahr 2011 sowie einer ersten Prognose zur Entwicklung im Jahr 2012 wird der gemeinsame Schätzerkreis aus Experten des Bundesversicherungsamts, des GKV-Spitzen-verbands und des Bundesgesundheitsministeriums unter Berücksichtigung der neuesten gesamtwirtschaftlichen Eckdaten Mitte Oktober vornehmen.
Ausgabenzuwächse bislang unterhalb der Erwartungen für das Gesamtjahr 2011
Die Leistungsausgaben der Krankenkassen sind im 1. Halbjahr 2011 um 2,8 v.H. je Versicherten gestiegen. Der Schätzerkreis ist bei seiner letzten Jahresprognose von einem Anstieg von rund 4,3 v.H. ausgegangen. Damit bewegen sich die aktuellen Ausgabensteigerungen unterhalb der bisherigen Erwartungen für das Gesamtjahr.
Während die Einnahmenentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung – wie auch in den anderenSozialversicherungszweigen – in erheblichem Umfang von der positiven konjunkturellen Entwicklung profitiert, wird die Ausgabenseite maßgeblich von der günstigen Entwicklung bei den Ausgaben für Medikamente geprägt.
Arzneimittel-Sparpaket entlastet die Kassen
Das Arzneimittel-Sparpaket, das die Bundesregierung im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht hat, wirkt: Nach Jahren des ungebremsten Ausgabenanstiegs können hier in diesem Jahr erstmals Ausgabensenkungen verzeichnet werden. Der Rückgang der Arzneimittelausgaben um minus 6,3 Prozent zeichnete sich bereits seit August 2010 ab, als die Krankenkassen durch die Anhebung des Pharmarabatts für Nicht-Festbetragsarzneimittel jeden Monat um mehr als 100 Mio. Euro entlastet wurden. Durch das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes, das Anfang des Jahres 2011 in Kraft getreten ist, haben die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, für jedes neue Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen Erstattungsbeträge zu vereinbaren. Für Impfstoffe dürfen die Arzneimittelhersteller in Deutschland keine höheren Preise abrechnen als in anderen EU-Nachbarländern. Damit wird der Preiswettbewerb dauerhaft gestärkt. Zudem wurden die Krankenkassen durch die Festsetzung neuer Festbeträge deutlich entlastet. Außerdem haben die Krankenkassen durch die Rabatt-Vereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmen im 1. Halbjahr 2011 zusätzliche Einsparungen von 689 Mio. Euro erzielt, somit fast das Doppelte wie im 1. Halbjahr 2010 (347 Mio. Euro). Befürchtungen der Krankenkassen, dass durch die Veränderungen der Rahmenbedingungen die die Einsparpotenziale bei Arzneimitteln diesem Bereich eingeschränkt werden könnten, haben sich nicht bestätigt.
Im weiteren Jahresverlauf ist allerdings im Arzneimittelbereich nicht mehr mit Ausgabenrückgängen in dieser Größenordnung zu rechnen. Denn ab August 2011 werden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum keine zusätzlichen Einsparungen aus der Anhebung des gesetzlichen Pharmarabatts für Nicht-Festbetrags-Arzneimittel mehr entstehen. Das wird sich dann voraussichtlich auch in einer etwas höheren Steigerungsrate bei den gesamten Leistungsausgaben widerspiegeln.
Unterschiedliche Entwicklung in anderen Leistungsbreichen
In den anderen größeren Leistungsbereichen ist die Entwicklung der Ausgaben sehr unterschiedlich verlaufen:
Der Zuwachs von 2,3 v.H. je Versicherten bei den Ausgaben für ambulante ärztliche Behandlung und von 5,2 v.H. bei ärztlichen Früherkennungs-maßnahmen lässt noch keine validen Schlüsse auf die Ausgabenentwicklung im Gesamtjahr zu, da für das 1. Halbjahr den Krankenkassen noch keine den gesamten Zeitraum betreffenden Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen vorliegen.
Der Anstieg bei den Ausgaben für Krankenhausbehandlung lag je Versicherten bei 4,6 v.H.. Auf das Gesamtjahr 2011 hochgerechnet entspräche eine solche Veränderungsrate einem Zuwachs von ca. 2 ½ Mrd Euro. Trotz moderater Preisentwicklung bei den Vereinbarungen über die Landesbasisfallwerte haben hier offensichtlich Zuwächse bei den Leistungsmengen zu einem deutlichen Anstieg der Ausgaben der Krankenkassen geführt. Der Ausgabenzuwachs beim Krankengeld hat sich mit einem erneuten Plus von 9,6 v.H. nach den zweistelligen Zuwachsraten in den letzten Jahren auch in 2011 nur geringfügig abgeflacht. Maßgebliche Ursachen für diesen Anstieg sind insbesondere eine Zunahme der Krankengeldbezieher in höheren Altersgruppen vor der Verrentung sowie der Anstieg von lang andauernden psychischen Erkrankungen. Die Netto-Verwaltungskosten der Kassen sind um 1,3 Prozent je Versicherten gestiegen. Hier muss es im weiteren Jahresverlauf noch zu einer Abflachung der Ausgabenentwicklung kommen, da die Verwaltungskosten nach den Regelungen des GKV-Finanzierungsgesetzes in den Jahren 2011 und 2012 im Vergleich zu 2010 nicht steigen dürfen.