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Gesundheitspolitik: Planlos in die Zukunft
Karikatur zum Download auf www.neue-allgemeine.de

Gesundheitspolitik: Planlos in die Zukunft

Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland / Ausgabe April 2009

Essen – Als „planvoll gegen den Mittelstand gerichtet“, im Übrigen aber in allen Bereichen planlos – so beurteilt die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland im Leitartikel der April-Ausgabe die erschreckend vielen Gesundheitsreformen der letzten Jahre. Zahlreiche, für den Bürger größtenteils völlig unverständliche Gesetze haben das Gesundheitswesen mit nahezu bemerkenswerter Kontinuität heruntergewirtschaftet. Und auch jetzt ist keine Besserung in Sicht – im Gegenteil: Marode Krankenhäuser, akuter Ärztemangel, überarbeitetes Pflegepersonal, unsichere Arzneimittelwege außerhalb der „Apotheke um die Ecke“ und drastische Leistungseinschränkungen der Gesetzlichen Krankenversicherung sind nur einige wenige Beispiele für die dramatischen Folgen, die letzten Endes jeden Patienten treffen.

Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint monatlich mit einer Auflage von einer Million Exemplaren und ist kostenlos in Apotheken erhältlich.

DIE LEBENSLÜGEN DER GESUNDHEITSPOLITIK

Heinz Rühmann sagte es als unvergessener „Schuster Voigt“ im „Hauptmann von Köpenick“: „und dann stehste vor Jott dem Vater … und der fragt dir ins Jesichte: Schuster Willem Voigt, wat haste jemacht mit dein´ Leben…, und dann muß ick sagen: Fußmatte…“.

„Wat haste jemacht mit dein´ politischet Leben?“ Fragen sich das die Politiker in Berlin, wenn sie am Ende eines Jahres, einer Legislaturperiode, einer politischen Laufbahn angekommen sind? Und wenn sie es tun, quälen sie sich mit Selbstzweifeln oder verteidigen sie ihre Lebenslügen?

Ulla Schmidt ist seit Januar 2001 Bundesministerin für Gesundheit. Von Oktober 2002 bis Oktober 2005 war sie zudem für „Soziale Sicherung“ zuständig. Sie war fleißig und durchsetzungsstark. Zahllose „Gesundheitsreformen“ hat sie auf den Weg gebracht.

„Reform“, so das beliebte Online-Lexikon Wikipedia, „bezeichnet in der Politik eine größere, planvolle und gewaltlose Umgestaltung bestehender Verhältnisse und Systeme.“

„Gewaltlos“ waren die „Umgestaltungen“ im Gesundheitswesen sicher – hunderten Krankenhäusern, tausenden Unternehmen der Gesundheitsbranche, zehntausenden Freiberuflern wie Ärzten oder Apothekern und nicht zuletzt Millionen Patienten blieb oftmals nur die Faust in der Tasche. Oder ohnmächtige Wut.

„Größer“ waren die „Umgestaltungen“ auch; so groß, dass mittlerweile sogar Krankenkassen pleitegehen können. So zerstört man nachhaltig das Vertrauen der Menschen in ein sicheres und geordnetes Gesundheitssystem.

Aber „planvoll“? Bis zum Jahre 2004 war die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ein – auch für viele andere Länder – vorbildliches Hochsicherheitssystem. Doch dann führte die Ministerin gegen den Rat zahlreicher Experten den Versandhandel von Medikamenten ein – zugunsten von „Menschen, deren Mobilität aufgrund von Alter und Krankheit eingeschränkt ist oder die größere Entfernungen zur Apotheke zurücklegen müssen … Vor allem aber chronisch Kranke, die regelmäßig bestimmte Arzneien benötigen, können von günstigeren Preisen profitieren“, berichtete „REGIERUNGonline“ im „Magazin für Soziales, Familie und Bildung“ Nr.1/2008 – so, als hätte es nie den kostenlosen Zustellservice der Apotheken gegeben, von persönlicher Beratung, Nachtdienst und der Zubereitung von individuellen Rezepturen ganz zu schweigen. Immerhin wollen einige einsichtige Politiker den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln wieder verbieten. Im Sinne des Verbrauchers kann man nur hoffen, dass sie sich durchsetzen werden.

Planvoll? Vor Einführung des „Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV“ (GKV-WSG) im Jahre 2007 entschieden die Ärzte – durchaus nach Wirtschaftlichkeitskriterien – per Rezept, welches Arzneimittel für den Kranken das richtige war. Nach Prüfung durch den Apotheker erhielt der Patient „sein“ Arzneimittel, an das er gewöhnt war und das er vertrug. Die Therapietreue – auch „Compliance“ genannt – war dementsprechend hoch. Doch im GKV-WSG erlaubten die Gesundheitspolitiker den Krankenkassen, wie ein Wirtschaftsunternehmen Ausschreibungen für Arzneimittel durchzuführen. Die Gewinner liefern – im Extremfall – das gleiche Arzneimittel für alle Patienten einer Krankenkasse in ganz Deutschland. Millionen kranker Menschen müssen sich so an neue Packungen, neue Tabletten, neue Wirkungsweisen gewöhnen. Das ist besonders für ältere Menschen ein Problem. Sie verweigern dementsprechend oft die Einnahme ihrer Tabletten. Darauf weisen die Apotheker immer wieder hin. Doch das Interesse der Gesundheitspolitik ist gleich null.

Ein lachhafter Rückschritt in die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts ist schließlich die Aufteilung einer Ausschreibung nach Regionen, die von unterschiedlichen Arzneimittelherstellern gewonnen werden. Da passiert es denn, dass man am Wohnort nicht das gleiche Arzneimittel wie am etwas entfernteren Arbeitsplatz bekommen darf, weil man die „Grenze“ überschritten hat. Es ist der Apotheker, der dem aufgebrachten Patienten das Unerklärbare erklären muss.

Planvoll? Viele ältere Menschen leiden an Inkontinenz. Sie haben es nicht gerne, wenn man darüber spricht. Der Diskretion ihres Apothekers waren sie sicher. Sie erhielten Inkontinenzvorlagen in erstklassiger Qualität, die saugfähig waren und fest abschlossen. Waren sie bettlägerig, blieb das Bett trocken. Dieses funktionierende System wurde abgelöst durch die Zulassung von Ausschreibungen auf Hilfsmittel. Diese gewann in der Regel der billigste Hersteller. Das TV-Magazin „Frontal 21“ hat in der Sendung vom 18. November 2008 die traurigen Ergebnisse eindrucksvoll dargeboten. Und diese Zeitung erreichen immer wieder die Hilferufe alter Menschen, die sich nicht mehr wehren können. Auch eine Änderung dieser Regelung – nun dürfen Rahmenverträge aufgesetzt werden, denen auch Apotheken und Sanitätshäuser beitreten können – hat bisher nicht die dringend notwenige Verbesserung der Situation für die Betroffenen ermöglicht.

Planvoll? Gegen Ende von Ulla Schmidts zweiter Amtsperiode liegen die Krankenhäuser auf der Intensivstation. Seit Jahren hat die Gesundheitspolitik in Bund und Ländern sie chronisch unterfinanziert und personell ausbluten lassen. Sie schieben einen lähmenden Investitionsstau von bis zu 50 Milliarden Euro vor sich her und suchen händeringend nach tausenden Medizinern. Sie haben Wartelisten einführen und Stationen schließen müssen – so das „Deutsche Krankenhausinstitut“ im „Krankenhausbarometer 2008“ – und behelfen sich mit der Halbierung des Arzt- und Pflegepersonals in den Spät- und Nachtschichten. Rudolf Henke, Vorsitzender der Ärztegewerkschaft „Marburger Bund“, warnt vor „Akkordpflege und Fließbandmedizin“, und tausende Klinikmitarbeiter gehen auf die Straße. Oder sie wandern ab ins Ausland. Rund 100 deutsche Krankenschwestern arbeiten alleine am Karolinska-Krankenhaus in Stockholm. Dort sind sie laut einem Bericht des ZDF hochwillkommen. In Deutschland wird das Pflegepersonal unterbezahlt und „verheizt“. Die 3,5 Milliarden Euro, die die Politik in diesem Jahr großzügig „spendierte“, sind da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Planvoll? „Mediziner auf der Flucht“ titelte das Magazin „Focus“ vor kurzem. Wie wahr. Mediziner fliehen ins Ausland, in die Industrie, in Krankenkassen, in Verbände. Auf Kosten der Allgemeinheit ausgebildet, können sie dieser Gesellschaft nicht dienen, weil die Politik ihnen seit Jahren einen zum Betreiben einer Hausarztpraxis angemessenen Lohn verweigert. Protestieren die Ärzte, droht ihnen die Ministerin mit dem Entzug der Zulassung. Doch die Katastrophe kommt erst noch: „In vielen ländlichen Gebieten finden viele keinen Nachfolger für ihre Praxen“ – warnt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Leonhard Hansen. Die Hausärzte selbst versuchen, der drohenden Unterversorgung mit Weiterbildungsprojekten wie „Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis – VERAH“ für ihre Praxismitarbeiterinnen zu begegnen. Die sollen in Zukunft für „Hausbesuche, bei denen keine ärztliche Kompetenz notwendig ist“ zuständig sein. Die deutschen Ärzte gehen nach Schweden.

Planvoll? Ja doch, in einem Punkt waren alle Reformen durchaus planvoll: Sie waren konsequent gegen den Mittelstand gerichtet. Sie haben die Grundlagen der Existenz von vielen Arztpraxen und Apotheken, Sanitätshäusern und Massagepraxen, mittelständischen Herstellerfirmen und kommunalen Krankenhäusern schwer erschüttert, wenn nicht gar dauerhaft vernichtet. Und da, wo es ging, haben sie den Wettbewerb ausgeschaltet und Strukturen aufgebaut, die „postsozialistisch“ zu nennen man sich nicht zu scheuen braucht – von den MVZs, den Medizinischen Versorgungszentren, über den Einheitsbeitrag aller Krankenkassen bis hin zum Moloch „Gesundheitsfonds“.

„Wat haste jemacht mit dein politischet Leben?“ Ob die Gesundheitspolitiker in Berlin mit ihrem politischen Leben zufrieden sind?

NAMEN WIE SCHALL UND RAUCH Ein Kommentar der Redaktion

Und überhaupt – hätte man in den letzten Jahren auf den Inhalt der Gesetze soviel Gehirnschmalz verwendet wie auf ihre Namen, dem deutschen Gesundheitswesen ginge es wahrlich besser. „Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetz“ (AABG), „Beitragssatzsicherungsgesetz“ (BSSG), „GKV-Modernisierungsgesetz“ (GMG), „Arzneimittelversorgungswirtschaftlichkeitsgesetz“ (AVWG), „GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz“ (GKV-WSG); Namen wie Schall und Rauch. Die Arzneimittelausgaben wurden nicht begrenzt – zum Glück für die Patienten. Der Beitragssatz wurde nicht gesichert – im Gegenteil, seit der Einführung des unsäglichen Gesundheitsfonds ist er höher denn je. Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wurde nicht modernisiert – eine sozialistische Einheitsversicherung wie den Gesundheitsfonds wird man kaum „modern“ nennen können. Wenn die Arzneimittelversorgung wirtschaftlicher hätte werden sollen, hätte man mit dem Arzneimittel sparen müssen, nicht am Arzneimittel. Und schließlich die Krönung: das „GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz“. Dieses Gesetz hat den Wettbewerb in der GKV endgültig ausgeschaltet. Für wie dumm hält man die Bevölkerung eigentlich? Aber die Frage erübrigt sich wohl.