Bonn – Der Vorstand der Initiative chronische Wunden e.V. erklärt:
Der Gesetzgeber hat im Juli 2016 einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung. Wider Erwarten ist in diesem Gesetzesentwurf zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung auch die Versorgung mit Verbandmitteln zur Therapie von Menschen mit chronischen Wunden aufgeführt. Die im GKV-Bereich verordneten Verbandmittel fallen bisher in den gleichen Topf wie Medikamente und gehören nicht zu den Heil- und Hilfsmitteln. Was den Gesetzgeber zu dieser Änderung bewegt hat, ist unklar.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) läuft Sturm gegen diesen Gesetzesentwurf und versucht hohe Hürden für Verbandmittel in diesem Gesetz zu verankern, die die bisherige Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden deutlich verschlechtern und die Einführung neuer Entwicklungen erheblich erschweren.
Im Gesetzesentwurf heißt es: „Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten aufzusaugen oder beides zu erfüllen.“ Später wird weiter spezifiziert: „Die Verbandmitteleigenschaft entfällt aber nicht, wenn der Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen hat, die der Wundheilung dienen, beispielsweise indem er eine Wunde feucht hält, reinigt oder geruchsbindend bzw. antimikrobiell wirkt.“ Dem gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) kommt jetzt die Aufgabe zu, dieses Gesetz mit belastbaren Formulierungen zu fühlen. Er tagt dazu in einer öffentlichen Sitzung am 30.11.2016.
Der Spitzenverband der GKV fordert in seiner Stellungnahme vom 15.11.2106:
„Durch die ursprüngliche begrüßenswerte Formulierung der Regelung wäre es möglich gewesen, Klarheit über die Abgrenzung von klassischen und feuchten Wundverbänden zu Produkten mit angeblichen, darüber hinausgehenden Eigenschaften, wie antimikrobieller Wirkung oder desinfizierender Wirkung, zu schaffen. Diese nicht klassischen Verbandmittel sollten im G-BA bewertet werden, um ihren Nutzen zu beurteilen, bevor sie in die GKV-Versorgung kommen.“
Diese vom Spitzenverband der GKV geforderte Nutzenbewertung durch den GBA entspricht der Einführung eines ANMOG (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz) für Wundprodukte. Vor dem Hintergrund, dass Verbandmittel nach dem Medizinproduktegesetz zugelassen werden und nicht nach dem Arzneimittelgesetz, bedeutet dies eine so hohe Hürde, dass in absehbarer Zeit kein innovatives Verbandmittel mehr die Erstattungsfähigkeit der GKV erhält. Außerdem ist die Unterteilung von klassischen und feuchten Wundverbänden überaltert. Sie ist im Gesetzesentwurf nicht vorgesehen und wird dem heutigen klinischen Standard nicht gerecht.
Wunden durchlaufen bis zur Heilung verschiedene Stadien und benötigen hierfür verschiedene Verbände mit unterschiedlichen Eigenschaften. Individuell ausgewählte Produkte mit beispielsweise reinigenden, geruchsbindenden oder antimikrobiellen Eigenschaften erhöhen den Behandlungserfolg und verbessern die Lebensqualität der Betroffenen. Insbesondere die Ignoranz gegenüber zeitgemäßen antimikrobiell-wirksamen Wundprodukten von Seiten der GKV ist ein herber Rückschlag für den 10-Punkte-Plan zu der Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen von Gesundheitsminister Gröhe.
Das neue Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung sollte dem Patienten eine bessere Versorgung sichern und nicht den vorhandenen Standard in der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden herabsetzen.