Heidelberg – Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und vom Universitätsklinikum Essen entdeckten eine bislang unbekannte genetische Ursache für den bösartigen schwarzen Hautkrebs: Eine Genmutation führt zu übermäßiger Aktivität des Unsterblichkeitsenzyms Telomerase. Die bei familiärem Krebs entdeckte mutierte Genregion ist auch bei bis zu 74 Prozent der nicht-erblichen Melanome verändert – hier aber als Folge von Sonnenstrahlung. Wirkstoffe, die die Telomerase hemmen, könnten ein neuer therapeutischer Ansatz gegen den aggressiven Hautkrebs sein. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift Science veröffentlicht.
Etwa zehn Prozent aller Fälle von bösartigem schwarzem Hautkrebs sind familiär bedingt. Das Erbgut betroffener Familien verrät Wissenschaftlern viel über die Entstehung der Krebserkrankung. Im Deutschen Krebsforschungszentrum untersuchte Prof. Dr. Rajiv Kumar gemeinsam mit Prof. Dr. Dirk Schadendorf vom Universitätsklinikum Essen eine Familie, in der 14 Angehörige am bösartigen schwarzen Hautkrebs, dem Melanom, erkrankt waren.
Bei der Analyse des Erbguts der Familienmitglieder entdeckten die Forscher bei allen untersuchten Personen eine identische Veränderung im Gen für die oft als “Unsterblichkeitsenzym” bezeichnete Telomerase. Bei der Zellteilung schützt die Telomerase die Chromosomenenden vor dem Abbau und damit die Zelle vor Alterung und Tod. Durch die vererbte Genmutation entsteht in der Schalterregion des Telomerase-Gens eine Bindungsstelle für Proteinfaktoren, die das Gen übermäßig aktivieren. Als Folge bilden die mutierten Zellen vermehrt Telomerase und erlangen dadurch quasi Unsterblichkeit.
Das spektakuläre Ergebnis der Familienanalyse veranlasste die Wissenschaftler, auch bei den wesentlich häufigeren nicht-erblichen Melanomen nach veränderten Telomerase-Genen zu fahnden. Tatsächlich fanden sich in einem Großteil der Gewebeproben von Melanomen aller Krankheitsstadien Veränderungen im Telomerase-Genschalter, die die Forscher ganz eindeutig als typische Folge von Sonnenstrahlung erkannten. Diese Mutationen waren zwar nicht identisch mit denen der betroffenen Familie – hatten aber dieselbe Konsequenz: eine übermäßige Telomerase-Aktivität.
“Wir glauben nicht, dass das Telomerase-Gen in Melanomen rein zufällig verändert ist, sondern dass es sich dabei um eine so genannte Treiber-Mutation handelt, die die Krebsentstehung ankurbelt”, sagt Rajiv Kumar. Dafür spricht auch die überraschende Häufigkeit der Veränderung: Das Telomerase-Gen ist das am häufigsten mutierte Gen beim Melanom. Bereits metastasierte Tumoren tragen die Veränderung sogar in 74 Prozent aller Fälle. “Das hatten wir nicht erwartet, da der schwarze Hautkrebs bereits gründlich genetisch analysiert worden ist. Dabei ist diese Mutation aber offenbar immer übersehen worden”, so Kumar.
Rajiv Kumar, Dirk Schadendorf und ihre Teams hoffen nun, dass die Veränderungen im Telomerase-Gen den Weg für die Entwicklung neuer Behandlungsverfahren gegen den schwarzen Hautkrebs weisen könnten. Dass dies grundsätzlich möglich ist, wurde kürzlich erst für eine bestimmte Veränderung im B-RAF-Gen gezeigt, die etwa die Hälfte aller Melanome charakterisiert. Die Mutation führte zur Entwicklung eines zielgerichteten Medikaments, das den Krebs erfolgreich aufhalten kann. “Wirkstoffe gegen die Telomerase sind bereits entwickelt, einige werden bei anderen Tumorerkrankungen sogar schon in klinischen Studien der Phase III geprüft”, sagt Rajiv Kumar. Eine Blockade des Unsterblichkeitsenzyms kann möglicherweise auch das Wachstum von Melanomen bremsen.
Susanne Horn, Adina Figl, P. Sivaramakrishna Rachakonda, Christine Fischer, Antje Sucker, Andreas Gast, Stephanie Kadel, Iris Moll, Eduardo Nagore, Kari Hemminki, Dirk Schadendorf und Rajiv Kumar: TERT Promoter Mutations in Familial and Sporadic Melanoma. Science 2013,
DOI: 10.1126/science.1230062
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.