Berlin – Wissenschaftler des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch haben für die Funktionsweise eines bestimmten Genschalters, des Transkriptionsfaktors C/EBPb, einen neuen Mechanismus entdeckt, der darüber entscheidet, welches seiner Zielgene im Genom aktiviert wird und welche stumm bleiben. Die Ergebnisse von Dr. Elisabeth Kowenz-Leutz, Dr. Ole Pless, Dr. Gunnar Dittmar, Maria Knoblich und Professor Achim Leutz tragen zum grundlegenden Verständnis der Genregulation bei und liefern Ansatzpunkte für die Entwicklung medizinischer Wirkstoffe (EMBO Journal, doi:10.1038/emboj.2010.3)*
Alle Körperzellen, ob Fettzellen, Hautzellen oder Leberzellen, verfügen über die gleiche Erbinformation (Gene) im Genom, die auf der DNA-Sequenz kodiert ist. Die Ausprägung verschiedener Zelleigenschaften und Erfüllung ihrer Funktionen steht unter der Kontrolle so genannter Transkriptionsfaktoren. Das sind DNA bindende Proteine, die das Ablesen ihrer Zielgene mit hoher Spezifität kontrollieren. Sie steuern das Anschalten aber auch Stilllegen verschiedener Gene, um für die Festlegung unterschiedlicher Zell-Programme zu sorgen.
Das Ablesen der Erbinformation und die Frequenz mit der diese abgerufen wird, basiert entscheidend auf Veränderungen an der Verpackung der DNA im Zellkern. Diese vererbbaren Veränderungen, sozusagen das zelluläre Gedächtnis, die sich auf die Zelleigenschaften (Phänotyp) auswirken, ohne die DNA-Sequenz zu verändern (Genotyp), bezeichnen Wissenschaftler als Epigenetik. Viele Krankheiten werden inzwischen auf Defekte in der epigenetischen Regulation zurückgeführt.
Die DNA ist im Zellkern mit Nucleosomen wie auf einer Perlenkette aufgewickelt (Wissenschaftler sprechen hier auch von Chromatin) und ist mehr oder weniger komprimiert. Ist die Wicklung nur lose, können die Gene gut abgelesen werden. Ist die Verpackung dagegen fest, sind die Genorte dort stillgelegt. Um wichtige Gene und deren Verpackung zu markieren, ist das Chromatin mit molekularen Lesezeichen durch Anheftung biochemischer Veränderungen ausgestattet. Dieser sogenannte Histon-Code verschlüsselt neben der DNA-Sequenz des Genoms eine zweite, übergeordnete Informationsebene: das Epigenom. Es entscheidet darüber, welche Gene zur Funktion, beispielsweise einer Fettzelle, Leberzelle, oder Muskelzelle notwendig sind.
Die MDC-Forscher haben jetzt auf C/EBPb einen epigenetischen Mechanismus entdeckt, der möglicherweise eine ähnlich wichtige Rolle wie der Histon-Code spielt: den so genannten Transkriptionsfaktor-Code. Einflüsse von außen werden über Signalkaskaden an C/EBPb weitergegeben und üben einen direkten Einfluss auf die Struktur und die Funktion des Transkriptionsfaktors aus. So wird festgelegt, wie und wann der Transkriptionsfaktor mit epigenetisch wirkenden Proteinkomplexen interagiert, die den Verpackungszustand des Chromatins ändern.
Die Studie ist nach Ansicht der MDC-Forscher ein wichtiges Beispiel dafür, wie extrazelluläre Information in epigenetische Information übersetzt wird. Die Forschungsergebnisse liefern nach Auffassung der Forscher außerdem interessante medizinische und pharmakologische Ansatzstellen für Wirkstoffe, die möglicherweise die Funktion von Transkriptionsfaktoren auf epigenetischer Ebene beeinflussen und so die Genregulation steuern können.
*Crosstalk between C/EBPb phosphorylation, arginine methylation, and SWI/SNF/Mediator implies an indexing transcription factor code
Elisabeth Kowenz-Leutz1, Ole Pless1, Gunnar Dittmar1, Maria Knoblich1 and Achim Leutz1*
1Max Delbrueck Center for Molecular Medicine , Berlin , Germany
*Corresponding author. Institute of Biology, Berlin-Brandenburg Center for Regenerative Therapies, Humboldt-University, Berlin, Germany or Tumorigenesis and Cell Differentiation, Max Delbrueck Center for Molecular Medicine, Robert-Roessle-Strasse 10, Berlin 13125, Germany,