Neuherberg – Ein internationales Wissenschaftskonsortium mit Dr. Arne Pfeufer vom Helmholtz Zentrum München an der Spitze hat im menschlichen Genom häufig vorkommende Genvarianten identifiziert, welche die elektrische Aktivität des Herzmuskels beim Menschen beeinflussen und damit in Zusammenhang mit Herzrhythmusstörungen und plötzlichem Herztod gebracht werden können. Darauf aufbauend wollen die Helmholtz-Wissenschaftler und ihre klinischen Partner weitere Erkenntnisse über die Mechanismen der Krankheitsentstehung und damit Perspektiven für Früherkennung und Therapie gewinnen. Die Ergebnisse der genomweiten Studie werden in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.
Zusammen mit Wissenschaftlern des internationalen Forschungskonsortiums QTSCD (QT-Interval-and-Sudden-Cardiac-Death) hat Dr. Arne Pfeufer vom Institut für Humangenetik am Helmholtz Zentrum München zehn Genvarianten identifiziert, die für ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen und den plötzlichen Herztod stehen. Im Zusammenspiel mit weiteren, bisher nicht entdeckten, Faktoren beeinflussen diese Genvarianten die Erregungsrückbildung des Herzschlags und erhöhen bzw. erniedrigen das Risiko für Herzrhythmusstörungen. Dafür untersuchten die Wissenschaftler die Elektrokardiogramme von mehr als 15.000 Personen aus Deutschland, Italien und den USA.
“Ein zweites Wissenschaftskonsortium, das QTGEN, ist zu nahezu identischen Resultaten gelangt wie wir”, hebt Pfeufer hervor. So kann das Münchner Forscherteam um Prof. Thomas Meitinger, Institutsdirektor am Helmholtz Zentrum München und Inhaber des Lehrstuhls für Humangenetik an der Technischen Universität München sowie Privatdozent Dr. Stefan Kääb, Oberarzt am Klinikum der Universität München, Campus Großhadern, gemeinsam mit seinen italienischen und amerikanischen Kollegen sicher sein, dass ihr Ansatz richtig war und die Ergebnisse absolut zuverlässig sind.
“Als wichtiger Messwert für ein erhöhtes Risiko, Herzrhythmusstörungen zu bekommen, gilt dem Kliniker im EKG das QT-Intervall”, erklärt Kääb. Das QT-Intervall beschreibt die Zeitspanne, die nötig ist, um den elektrischen Impuls in die Herzkammern zu schicken und sich anschließend wieder aufzuladen. Ein verlängertes QT-Intervall kann – in Abhängigkeit von der Grunderkrankung – das Risiko für Herzrhythmusstörungen und den plötzlichen Herztod um das bis zu Fünffache erhöhen.
Die Wissenschaftler fahndeten nicht nach seltenen Varianten, die nur wenige Menschen in sich tragen. Vielmehr richteten sie ihr Augenmerk auf häufige Genvarianten, die in jedem Menschen Einfluss auf die Länge seines QT-Intervalls nehmen können. Sie erhöhen das persönliche Krankheitsrisiko nicht als Einzelgene, sondern in ihrer individuellen Konstellation und im Kontext mit anderen Risikofaktoren wie Medikamenten oder Ischämie.
“Diese Form der genomweiten Suche nach häufigen Varianten für verbreitete Krankheitsbilder erweist sich für uns als ein sehr erfolgversprechender Ansatz, in bislang gänzlich unbekanntem Terrain fündig zu werden”, beschreibt Meitinger die Methode. “Im Gegensatz zum Studium einzelner Gene bietet der genomweite Ansatz völlig neue Anhaltspunkte für die Erforschung so verbreiteter Krankheitsbilder wie dem plötzlichen Herztod.”
Die Bereitstellung gut untersuchter bevölkerungsbezogener Probandendaten aus der KORA-Studienplattform unter Leitung von Prof. H.-Erich Wichmann, dem Direktor des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München, bildete eine wesentliche Basis für die erfolgreiche Durchführung des Forschungsprojektes.
Das Vorhaben entstand aus einer langjährigen engen Kooperation zwischen Humangenetikern, Kardiologen, Epidemiologen und Informatikern des Helmholtz Zentrums München, des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München und des Klinikums der Universität München (LMU),Campus Großhadern. Partner des Helmholtz Zentrums München im QTSCD-Konsortium waren zudem Wissenschaftler der Heinz-Nixdorf Recall Studie in Essen sowie des Forschungszentrums Life & Brain der Universität Bonn. Die Leitung des Projekts hatte Prof. Aravinda Chakravarti von der John Hopkins Universität in Baltimore.
In einem nächsten Schritt sollen weitere Untersuchungen den Zusammenhang zwischen den neuen Genvarianten und dem plötzlichen Herztod bestätigen. “Wir wollen an einer großen Zahl von Patienten weitere Daten über das jeweilige individuelle genetische Risiko für Herzrhythmusstörungen sammeln und auswerten”, sagt Kääb. Gemeinsames Ziel der Helmholtz-Wissenschaftler und ihrer klinischen Partner ist es, dadurch weitere Erkenntnisse über die Mechanismen der Krankheitsentstehung und damit Perspektiven für eine verbesserte Risikoerkennung und erfolgreichere Therapie zu gewinnen.
Die Studie wurde auf deutscher Seite im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Hinzu kamen Mittel aus der Exzellenzinitiative der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der französischen Leducq Foundation zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. +++++++++++++++++++++++++++++++
Das Institut für Humangenetik am Helmholtz Zentrum München (Direktor: Prof. Dr. Thomas Meitinger) beschäftigt sich mit der Identifizierung von Erkrankungsgenen und deren funktioneller Charakterisierung. Im Mittelpunkt der Forschungsprojekte stehen genomweite DNA- und RNA-Untersuchungen, durchgeführt zur Aufklärung der genetischen Ursachen komplexer Erkrankungen vor allem auf dem Gebiet der Neurologie und der Kardiologie. Ein weiterer Schwerpunkt ist die systemische Analyse des Zusammenwirkens von genetischer Varianz und Umweltfaktoren über proteomische Methoden. Weitere Informationen: http://www.helmholtz-muenchen.de
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Das Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München (Direktor: Prof. Dr. H.-Erich Wichmann) Das Institut beschäftigt sich mit methodischen Fragen der Quantifizierung kleiner Risiken, mit der Auswirkung von Partikeln und Luftschadstoffen auf die Lunge und das Herzkreislaufsystem sowie der regionalen Verteilung und Entwicklung von Atemwegserkrankungen und Allergien. Ein neuer Schwerpunkt des Instituts ist die molekulare Analyse von komplexen Erkrankungen (z.B. Asthma, Typ 2 Diabetes, Herzinfarkt). Zentrales Ziel ist es, die Rolle von Umwelteinflüssen und genetischen Veranlagungen auf die menschliche Gesundheit mit epidemiologischen Methoden zu untersuchen. Weitere Informationen: http://www.helmholtz-muenchen.de
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KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) stellt eine Untersuchungs-Plattform für bevölkerungsbasierte Gesundheitsforschung in Epidemiologie, Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung dar. KORA ist ein Netzwerk von bevölkerungsrepräsentativen Surveys und darauf aufbauenden Follow-up-Studien. Die Besonderheit dieser Plattform ist die breite Beteiligung externer Partner an der Planung, Durchführung und Finanzierung der einzelnen Vorhaben. Weitere Informationen: http://www.helmholtz-muenchen.de
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Das Helmholtz Zentrum München ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1680 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 15 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit insgesamt 26500 Beschäftigten zusammengeschlossen haben. Weitere Informationen: http://www.helmholtz-muenchen.de
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Originalpublikationen:
QTSCD-Konsortium: Pfeufer, A. et al: Common variants at ten loci modulate the QT interval duration in the QTSCD Study. Nature Genetics online -Veröffentlichung 22 March 2009 (DOI 10.1038/ng.362)
QTGEN-Konsortium: Newton-Cheh, C. et al. Common variants at ten loci influence QT interval duration in the QTGEN Study. Nat. Genet. advance online publication 22 March 2009 (DOI: 10.1038/ng.361