Berlin – Generika brauchen echten und uneingeschränkten Wettbewerb ohne Wettbewerbshemmnisse. Dieses Fazit zog Johannes Singhammer, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Bereich Gesundheit, beim 10. Berliner Dialog am Mittag, den der Branchenverband Pro Generika am 29. November 2011 veranstaltete. Davon ist die Situation in der Arzneimittelversorgung für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) derzeit jedoch weit entfernt.
Denn zahlreiche Hemmnisse sorgen dafür, dass der Generikawettbewerb in Deutschland nicht so funktioniert, wie er könnte und sollte. Das belegt aktuell die Studie Generika in Deutschland: Wettbewerb fördern Wirtschaftlichkeit stärken, die das Berliner IGES Institut im Auftrag von Pro Generika erstellt hat. Durch den fehlenden Wettbewerb geht der GKV laut IGES-Gutachten viel Geld verloren. Allein bei 10 der untersuchten Wirkstoffe hätten die Krankenkassen bei funktionierendem Wettbewerb innerhalb von zwei Jahren zusätzliche 655 Millionen Euro einsparen können.
Rabattverträge fördern Marktkonzentration
Dies erklärte Dr. Martin Albrecht, Geschäftsführer des IGES und Leiter der Studie. Als wesentliche Wettbewerbshemmnisse nannte er neben zahlreichen anderen Faktoren vor allem Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Erstanbietern, die über das Ende des Patentschutzes hinaus gelten. Obwohl deutlich preiswertere Generika zur Verfügung stünden, verlängerten diese exklusiven Verträge die Marktdominanz der Altoriginale. Dadurch würde die Wettbewerbsintensität messbar sinken, so Albrecht.
Der IGES-Geschäftsführer widersprach auch der These, dass erst die Rabattverträge den Wettbewerb im patentfreien Arzneimittelmarkt eingeführt hätten. Richtig sei hingegen, dass die Marktkonzentration im Marktsegment der generikafähigen Wirkstoffe mit Rabattvertrag erheblich höher sei als im generikafähigen Markt ohne Rabattvertrag.
Faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer
Harald Möhlmann, Geschäftsführer Versorgungsmanagement der AOK Nordost, verteidigte zwar die Rabattverträge insgesamt, Vereinbarungen mit Erstanbietern über den Patentablauf hinaus sah jedoch auch er differenziert. Er plädierte in diesem Zusammenhang für das Open-house-Prinzip, bei dem jeder mitmachen könne.
Wolfgang Späth, Vorstandsvorsitzender von Pro Generika, erläuterte, welche Folgen der eingeschränkte Wettbewerb hat. Bei den Wirkstoffen, zu denen Erstanbieter Rabattverträge abgeschlossen hätten, könnten die Generikaunternehmen trotz wesentlich günstigerer Preise kaum Marktanteile erzielen. Hinzu käme, dass die Wirkstoffe unmittelbar nach Patentablauf sehr teuer wären. Erst der intensive Wettbewerb lasse auch auf diesem Markt die Preise rasch sinken.
Wenn die Risiken eines frühen Markteintrittes nicht mehr durch starke Marktanteile belohnt würden, sei es daher rationaler, neue Generika erst später einzuführen. Dadurch unterbliebe aber der möglichst früh einsetzende Preiswettbewerb, der gesundheitspolitisch gewünscht sei.
Späth betonte, dass es unmittelbar nach Patentablauf eine Stunde Null braucht, ab der alle Krankenkassenmärkte für alle Generikaanbieter offen sein müssten. Nur so könne sich der Preiswettbewerb, von dem alle Krankenkassen profitieren, nachhaltig entwickeln. Daher müssten auch alle Rabattverträge mit Erstanbietern unmittelbar mit Ende des Patentschutzes auslaufen.
Zusätzlich forderte Späth die Einführung einer vertragsfreien Wettbewerbsphase nach Patentablauf. Denn sowohl das IGES-Gutachten als auch eine Studie im Auftrag der EU-Kommission hätten belegt, dass der Wettbewerb bei fairen und gleichen Bedingungen erst nach zwei Jahren seinen Höhepunkt erreicht hat. Wer den Wettbewerb auf dem patentfreien Arzneimittelmarkt nachhaltig gestalten will, müsse auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen, so Späth.