Heidelberg – Die Darmschleimhaut erneuert sich alle zwei bis fünf Tage. Darmeigene Stammzellen ersetzen dabei Darmwandzellen, die durch Verletzungen oder normale Abnutzung verloren gegangen sind, durch neue Zellen. Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universität Heidelberg haben nun gemeinsam mit Kollegen vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle herausgefunden, dass hierbei der zelleigene EGFR-Signalweg eine wichtige Rolle spielt: Er regt die Stammzellen zur Teilung an, so dass ihre Tochterzellen das zerstörte Darmepithel ersetzen. Der Signalweg könnte auch an der Entwicklung von Darmkrebs beim Menschen beteiligt sein.
“Damit sich das Darmepithel dynamisch erneuern kann, müssen die Stammzellen des Darms auf die Bedürfnisse des Darmgewebes reagieren”, erklärt Professor Bruce Edgar, der eine Brückenprofessur am Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg inne hat. “Sie dürfen sich nur in dem Maß teilen und neue Darmzellen bilden, wie Zellen des Darmepithels absterben. Wie die Stammzellen aktiviert werden, war jedoch bisher weitgehend unklar.”
Ihre Versuche führten die Wissenschaftler an der Taufliege Drosophila durch. In diesem Insekt erneuert sich das Darmepithel, ähnlich wie beim Menschen, regelmäßig mithilfe von Stammzellen. Die Wissenschaftler trieben die Zellen der Darmwand mit genetischen Methoden in den Tod oder fütterten die Tiere mit dem giftigen Bakterium Pseudomonas entomophila. Dadurch lösten sie gezielt die Erneuerung des Darmepithels aus. Die angegriffenen Zellen der Darmschleimhaut produzierten in erhöhtem Maße Botenstoffe, die den Epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) aktivieren. Parallel dazu stieg die Aktivität des zellulären EGFR-Signalwegs in den Stammzellen des Darms.
Weitere Experimente zeigten, dass der EGFR-Signalweg die Stammzellen über die Botenstoffe Ras, RAF und MAPK aktiviert. Diese Moleküle bringen die Stammzellen dazu, sich zu teilen und den beschädigten Darm zu erneuern. “Unsere Ergebnisse zeigen, dass der EGFR/Ras/MAPK-Signalweg eine zentrale Rolle bei der Erneuerung und der Erhaltung des Darms spielt”, fasst Bruce Edgar zusammen.
Allerdings könnte dieser Signalweg auch an der Entstehung von Darmkrebs beteiligt sein. “Die Hinweise mehren sich, dass der Signalweg auch dann aktiviert wird, wenn Darm-Polypen entstehen”, ergänzt der Wissenschaftler. Solche Polypen neigen dazu, in bösartigen Darmkrebs überzugehen. “In den Darmkrebszellen sind die beiden Signalmoleküle Ras und BRAF, die auch zum EGFR-Signalweg gehören, häufig übermäßig aktiv. Die genaue Funktion des EGFR-Signalwegs bei der Krebsentstehung ist aber noch unverstanden”, betont Edgar. Es gibt allerding bereits Medikamente, so genannte Antikörper, die gegen den Epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor EGFR gerichtet sind und zur Therapie bei Darmkrebs eingesetzt werden, bei durchaus gutem Erfolg.
In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun aufklären, wie der EGFR-Signalweg in Stammzellen angeschaltet wird, um zu verstehen, was genau dazu führt, dass Stammzellen verloren gegangenes Gewebe ersetzen.
Der Biologe und Krebsforscher Bruce Edgar wurde für seine Arbeiten kürzlich mit dem European Research Grant in Höhe von 2,6 Millionen Euro ausgezeichnet.
Huaqi Jiang, Marc Grenley, Maria-Jose Bravo, Rachel Blumhagen und Bruce Edgar: EGFR/Ras/MAPK signaling mediates adult midgut epithelial homeostasis and regeneration in Drosophila. Cell Stem Cell 2010, DOI: 10.1016/j.stem.2010.11.026
Ein Bild zur Pressemitteilung steht im Internet zur Verfügung unter: http://www.dkfz.de
Bildunterschrift: Schnitt durch den Darm der Taufliege Drosophila (Fluoreszenzmikroskopie): Die Darmepithelzellen sind grün mit blau-grünem Zellkern; die Stammzellen des Darms sind an ihrem dunkelblauen Zellkern zu erkennen.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Ansätze, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Daneben klären die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Krebsinformationsdienstes (KID) Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Das Zentrum wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.
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