Kiel – Die Mehrheit der Bevölkerung in Schleswig-Holstein bewertet die Gesundheitsversorgung während der ersten Hochphase der Corona-Pandemie positiv. Das zeigt eine von der AOK NORDWEST heute in Kiel veröffentlichte repräsentative forsa-Umfrage. Danach gaben 79 Prozent der Befragten an, dass die wohnortnahe medizinische und pflegerische Infrastruktur auch in Pandemiezeiten gut funktioniert habe. Und 78 Prozent bestätigten diesen Eindruck auch für die Notfallversorgung. „Das zeigt, dass die Menschen in diesen schwierigen Zeiten dem Gesundheitswesen vertrauen und sich auf Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten und Krankenhäuser verlassen können“, sagt AOK-Vorstandsvorsitzender Tom Ackermann.
Das Thema Gesundheit nimmt nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert in der schleswig-holsteinischen Bevölkerung ein. Bei der Frage, um welche Themen sich die Bundesregierung am meisten kümmern sollte, steht die Stärkung des Gesundheitssystems, der Gesundheitsberufe und -forschung mit 83 Prozent auf dem ersten Platz. Gleich dahinter rangiert die Forderung nach mehr Investitionen in Schulen, Bildung und Kinderbetreuung (80 Prozent) und die Belebung von Wirtschaft und Erhalt von Arbeitsplätzen (75 Prozent). „Das Corona-Virus hat unsere Gesellschaft aufgerüttelt und den Wert unseres Gesundheitswesens wieder in den Fokus gerückt. Die Menschen reagieren viel sensibler auf Themen der Gesundheitspolitik und Gesundheitsversorgung“, so Ackermann.
Und die Befragten haben deutliche Präferenzen, welche Bereiche und Maßnahmen ganz oben auf die Agenda gehören: 100 Prozent der Befragten ist es sehr wichtig, dass die Versorgungsangebote für Pflegebedürftige unter Pandemiebedingungen aufrechterhalten werden. Der flächendeckende Ausbau guter Gesundheitsversorgung vor allem in ländlichen Regionen muss nach Meinung von 99 Prozent der Befragten zukünftig mehr Gewicht bekommen. Eine gesteigerte Wertschätzung und mehr Anerkennung für Medizin- und Pflegepersonal erwarten 97 Prozent.
Die forsa-Befragung bringt aber auch Kritikpunkte an den Tag: So sehen es 56 Prozent der Befragten mit Sorge, dass Krankenhäuser nicht zwingend notwendige Operationen in der ersten Hochphase der Pandemie verschieben mussten. Die Mehrfachbelastung für pflegende Angehörige empfand 41 Prozent der Befragten während des ersten und zu Beginn des zweiten Lockdowns als problematisch.
Gesundheitsversorgung wichtiger als Einkaufsmöglichkeiten
Darüber hinaus machen die Umfrage-Ergebnisse deutlich, dass die Gesundheitsversorgung für die Menschen in Schleswig-Holstein unter allen Infrastruktureinrichtungen nach wir vor am wichtigsten ist. Danach liegt die Verfügbarkeit von Hausärzten in der Bedeutung mit 95 Prozent ganz vorn, noch vor Schulen und anderen Bildungseinrichtungen (90 Prozent), dem Internet (90 Prozent) oder Einkaufsmöglichkeiten (87 Prozent). Dies gilt sowohl für Städter als auch für die Landbevölkerung. Dabei ist der Bevölkerung bei der Arzt- oder Krankenhauswahl eine gute Behandlungsqualität allerdings deutlich wichtiger als eine schnelle Erreichbarkeit.
Digitale Lösungen
AOK-Chef Ackermann kündigte an, sich weiterhin für innovative Versorgungsformen einzusetzen. Ein gutes Beispiel sieht Ackermann vor allem in Videosprechstunden als Alternative zum Praxisbesuch. Etwa zwei Drittel der Schleswig-Holsteiner können sich inzwischen vorstellen, sich mit Fragen zu ihrer Gesundheit per Videosprechstunde an einen Arzt zu wenden. Die Werte aus der letzten Befragung in 2019 lagen noch deutlich darunter. Während im ersten Quartal 2020 in Schleswig-Holstein nur 771 AOK-Versicherte eine Videosprechstunde nutzten, waren es im zweiten Quartal bereits 4.098.
Gesundheit vernetzt denken
Nach Worten des AOK-Chefs habe die Corona-Pandemie gezeigt, wie dringend digitale Lösungen im Gesundheitswesen benötigt werden. „An allen Ecken und Enden offenbart sich, was digitale Vernetzung und intersektorale Plattformen leisten können. Gerade die telemedizinischen Services wie die digitale Fernuntersuchung, -diagnose und -überwachung zeigen, wie gefragt und unverzichtbar sie sind. Aber auch unabhängig von der derzeitigen Pandemie können sie mit dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum sicherzustellen. So stehen zum Beispiel einer sinkenden Anzahl verfügbarer Pflegefachkräfte steigende Bedarfe unserer älter werdenden Gesellschaft gegenüber. Vernetzung, Telemedizin und sektorübergreifende Versorgung tragen dazu bei, dieser Herausforderung zu begegnen“, so Ackermann.
Medizinische Versorgung flexibel koordinieren
Der AOK-Chef kündigte an, neue Wege in der medizinischen Versorgung der Menschen in Schleswig-Holstein zu gehen. „Dabei wollen wir eine intelligente und qualitativ hochwertige telemedizinische Struktur im Land mit aufbauen, künstliche Intelligenz noch stärker nutzen und mit innovativen auch digitalen Projekten Versorgung aktiv mitgestalten“, so Ackermann.
Die derzeitige Ausnahmesituation mache deutlich, dass die medizinische Versorgung bislang zwar gut funktioniert habe, sie künftig aber noch viel stärker sektorübergreifend organisiert und flexibel koordiniert werden müsse. „Ohne entsprechende Reformen ist davon auszugehen, dass wir auch nach der Pandemie zum alten Auslastungsrad mit unnötigen Doppel- und Mehrfachuntersuchungen, unwirtschaftlichen Strukturen, zu viel Krankenhausbetten und Defizite in der Notdienst- und Notfallversorgung zurückkehren werden. Denn die Corona-Ereignisse haben weder die Verhältnisse noch das Verhalten von Patienten nachhaltig verändert.“
Kehrtwende in Krankenhausplanung eingeleitet
Im Krankenhausbereich in Schleswig-Holstein wurde nach Meinung von Ackermann bereits die Kehrtwende für eine bedarfsgerechte Klinikplanung mit dem ersten Landeskrankenhausgesetz (LKHG) zum 1. Januar 2021 eingeleitet. „Wir begrüßen, dass erstmals auch Qualitätsaspekte als fester Bestandteil für die Krankenhausplanung berücksichtigt werden“, so der AOK-Chef. Das Kieler Gesundheitsministerium wird erstmals die Rechtsaufsicht über die Krankenhäuser im Land übernehmen. So soll sichergestellt werden, dass die neuen Regelungen tatsachlich eingehalten werden. Damit kommen wir dem Ziel, die Patientensicherheit zu stärken und die Qualitätssicherung in den Krankenhäusern auszuweiten, ein großes Stück näher“, so Ackermann.
AOK NORDWEST im Profil
Die AOK NORDWEST mit Sitz in Dortmund zählt mit 2,9 Millionen Versicherten (davon 2,2 Millionen in Westfalen-Lippe und fast 700.000 in Schleswig-Holstein) zu den zehn größten gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland. Das Haushaltsvolumen beläuft sich auf 11,8 Milliarden Euro. Über 95 Prozent der geplanten Ausgaben werden direkt in die Gesundheit der Versicherten investiert.