Berlin – Die Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenkassen ist erwartungsgemäß weiter ungünstiger verlaufen als im vergangenen Jahr. Während die Kassen vom 1. bis 3. Quartal 2009 einen Überschuss von 1,4 Mrd. Euro verbuchen konnten, betrug der Überschuss im gleichen Zeitraum 2010 nur noch rd. 277 Mio. Euro. Mit Blick auf diese Entwicklung hat der Gesetzgeber mit dem GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) und dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) dafür gesorgt, die gesetzliche Krankenversicherung für die Zukunft wieder auf eine solidere finanzielle Grundlage zu stellen.
Zu den Fakten im Einzelnen: Vom 1. bis 3. Quartal 2010 standen in der gesetzlichen Krankenversicherung Einnahmen in Höhe von rd. 131,2 Mrd. Euro Ausgaben in Höhe von rd. 130,9 Mrd. Euro gegenüber. Bei der Betrachtung der zu erwartenden Finanzentwicklung im weiteren Jahresverlauf ist zu beachten, dass die Ausgaben der Krankenkassen im 4. Quartal regelmäßig höher sind als im Durchschnitt der ersten drei Quartale, während die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds in der Gesamtbetrachtung in monatlich gleichen Teilbeträgen an die Krankenkassen ausgezahlt werden. In den letzten Jahren lagen die Ausgaben für die Monate Oktober bis Dezember bei etwa 26 v.H. der jährlichen Ausgaben und damit in der Regel um rd. 0,7 bis 0,8 Mrd. Euro höher als im monatlichen Durchschnitt des 1. bis 3. Quartals. Bezogen auf das Gesamtjahr 2010 ist davon auszugehen, dass die Zusatzbeiträge und weitere Einnahmen (z. B. Zinseinnahmen) insgesamt nicht ausreichen werden, um die Unterdeckungen der Ausgaben durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds vollständig auszugleichen. Insofern müssen Defizite von Kassen in 2010 häufig aus noch vorhandenen Finanzreserven kompensiert werden.
Zusatzbeiträge, die von einer geringeren Zahl der Krankenkassen zum Teil ab dem 1. und zum Teil ab dem 2. Quartal 2010 erhoben wurden, haben bislang zu Einnahmen in Höhe von 463 Mio. Euro geführt. Ohne diese Zusatzbeiträge hätte sich schon in den ersten drei Quartalen bei der Summe sämtlicher Kassenergebnisse ein Defizit ergeben.
Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds zahlte für das das Dreivierteljahr 2010 Zuweisungen in Höhe von insgesamt rd.127,7 Mrd. Euro an die Krankenkassen aus, somit 75% des den Krankenkassen zugesicherten Jahresbedarfs. Die Einnahmen des Gesundheitsfonds aus Beiträgen und Bundeszuschüssen lagen bei 128,5 Mrd. Euro. In der zeitlichen Abgrenzung für das 1. bis 3. Quartal 2010 weist der Gesundheitsfonds einen Überschuss von 777 Mio. Euro aus. Damit konnte der Gesundheitsfonds mit seinem monatsübergreifenden Auszahlungsverfahren jederzeit seiner Verpflichtung zur Auszahlung der monatlichen Zahlungen an die Krankenkassen nachkommen.
Ausgabenzuwächse haben sich abgeflacht
Die Leistungsausgaben der Krankenkassen sind im 1. bis 3. Quartal 2010 um 3,9 Prozent je Versicherten gestiegen. Im 1. Halbjahr lag der Anstieg noch bei 4,2 Prozent, Der Schätzerkreis ist bei seiner aktuellen Jahresprognose von einem Anstieg von rd. 4,0 v.H. ausgegangen. Damit bewegen sich die aktuellen Ausgabenentwicklungen, die allerdings zu einem Teil auf Schätzungen beruhen, bislang im Rahmen der bisherigen Erwartungen für das Gesamtjahr 2010. Dem Ausgabenanstieg stand ein Zuwachs der Kasseneinnahmen (überwiegend aus Zuweisungen des Gesundheitsfonds) von 2,7 Prozent gegenüber. Dieser Einnahmezuwachs resultierte vor allem aus einem höheren Bundeszuschuss.
In den größeren Leistungsbereichen ist die Entwicklung der Ausgaben sehr unterschiedlich verlaufen:
Der Zuwachs von 3,7 v.H. je Versicherten bei den Ausgaben für ambulante ärztliche Behandlung nach einem Zuwachs von 7,4 v.H. im gesamten Jahr 2009 zeigt, dass sich die Honorarsituation für Ärzte auch in diesem Jahr verbessern wird.
Der Anstieg bei den Ausgaben für die Krankenhausbehandlung lag je Versicherten bei 4,5 v.H. Auch dieser Zuwachs setzt bereits auf einen Anstieg von 6,6 v.H. im Jahr 2009 auf.
Der Anstieg der Arzneimittelausgaben (ohne Impfkosten) lag bei 4,2 v.H. je Versicherten. Im 1. Halbjahr lag der Zuwachs noch bei 4,8 v.H. Die deutliche Ausgabenabflachung nach den hohen Ausgabenanstiegen der letzten Jahre ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass erste Maßnahmen des Arzneimittelsparpakets bereits ab 1. August 2010 wirksam wurden. Durch die Anhebung des Pharmarabatts für Nicht-Festbetragsarzneimittel werden die Kassen ab diesem Zeitpunkt monatlich um rd. 100 Mio. Euro entlastet. Im vierten Quartal wird diese Entlastung für sämtliche Monate wirksam werden und zu einer weiteren deutlichen Abflachung der Ausgabenzuwächse beitragen. Mit den weiteren ausgabenbegrenzenden Maßnahmen des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes werden die Voraussetzungen für mehr Wirtschaftlichkeit und Preiswettbewerb in der Arzneimittelversorgung und Impfstoffen dauerhaft verbessert.
Der Ausgabenzuwachs beim Krankengeld hat sich mit einem erneuten Plus von 9,8 v.H. nach den zweistelligen Zuwachsraten der Jahre 2008 und 2009 nahezu unverändert fortgesetzt. Hierzu haben u.a. eine zunehmende Zahl von Krankengeldberechtigten bei steigendem Renteneintrittsalter sowie eine starke Zunahme langwieriger psychischer Erkrankungen beigetragen. Dieser Ausgabenbereich bedarf nach wie vor einer eingehenden Beobachtung, auch aufgrund wechselseitiger Abhängigkeiten zu anderen Entgeltersatzleistungen im Bereich der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Die Verwaltungskosten der Kassen sind im bisherigen Jahresverlauf nach längerer Stabilität deutlich gestiegen. Der Zuwachs lag im 1. bis 3. Quartal bei rd. 3,9 Prozent. Vor diesem Hintergrund erscheint die Begrenzung der Verwaltungskosten der Kassen in den Jahren 2011 und 2012 auf das Niveau des Jahres 2010 als unverzichtbarer Beitrag der Krankenkassen zur notwendigen Ausgabenbegrenzung in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Perspektive für 2011
Ohne Gegensteuern hätte der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2011 trotz der unerwartet günstigeren konjunkturellen Entwicklung ein Defizit von bis zu 9 Mrd. Euro gedroht. Dieses Defizit wird durch das vom Gesetzgeber beschlossene ausbalancierte Maßnahmenpaket aus Einnahmeverbesserungen und Ausgaben-begrenzungen verhindert. Dazu zählen die Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes auf das Niveau vor der Wirtschaftskrise sowie ausgabenbegrenzende Maßnahmen bei Arzneimitteln, Krankenhäusern, Ärzten und Zahnärzten und die Nullrunde bei den Krankenkassen. Im nächsten Jahr ist auch nach der aktuellen Einschätzung des GKV-Schätzerkreises sichergestellt, dass die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds ausreichen werden, die voraussichtlichen Ausgaben der Krankenkassen zu decken. Insofern wird der auf Basis der Schätzerkreisergebnisse zu berechnende durchschnittliche Zusatzbeitrag im Jahr 2011 bei Null liegen. Das schließt nicht aus, dass einzelne Krankenkassen im nächsten Jahr – wie schon 2010 – einen Zusatzbeitrag erheben müssen.
Der zusätzliche Bundeszuschuss von 2 Mrd. Euro, den die gesetzliche Krankenversicherung im Jahr 2011 einmalig erhält, kann in vollem Umfang der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zugeführt werden und steht in den Jahren ab 2012 für die Finanzierung des Sozialausgleichs bei einer Erhebung von Zusatzbeiträgen zur Verfügung.
Weitere Informationen unter: http://www.bundesgesundheitsministerium.de.