Regensburg – Am 20. März 2025 wurde vor dem Landgericht (LG) Regensburg zwischen einem geschädigten Nierenlebendspender und dem Universitätsklinikum Regensburg ein Vergleich geschlossen. Dieser Vergleich wurde vor Kurzem nach Ablauf der Widerspruchfrist rechtswirksam. Die Klinik zahlt an den Spender 65.000 €.
Der seinerzeit 53-jährige Kläger hatte im Jahr 2011 am Universitätsklinikum Regensburg eine Niere an seine erkrankte dialysepflichtige Tochter gespendet. In den Voruntersuchungen zur Spende wurde eine bereits eingeschränkte Nierenfunktion – entsprechend dem Stadium II nach den international gültigen KDIGO-Guidelines – festgestellt. Die Organlebendspende wurde dennoch durchgeführt.
Dem Kläger wurde versichert, dass er zwei gesunde Nieren habe. Zudem würde die verbleibende Niere wachsen und die Funktion der fehlenden Niere übernehmen, so die aufklärenden Mediziner. Hierbei wurde jedoch verschwiegen, dass die Nierenfunktion nach der Spende um 30 bis 40 % dauerhaft unter der Ausgangsfunktion liegen wird, da die verbleibende Niere die reduzierte Funktion nicht vollständig ersetzen kann.
Entsprechend wurde der Kläger auch nicht darüber aufgeklärt, dass er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen Verlust der Nierenfunktion zu erwarten hatte, den die internationalen KDIGO-Guidelines als chronische Nierenerkrankung Stufe III einordnen. Er ist seit der Spende niereninsuffizient.
Der Kläger leidet unter den typischen Folgen dieser Nierenfunktionsstörungen: Kognitiven Beeinträchtigungen, Erschöpfung, Müdigkeit. Zudem trug er weitergehende Einschränkungen entsprechend einem Chronic-Fatigue-Syndrom (CFS) vor.
Den Medizinern wird fehlerhafte und unvollständige Aufklärung vorgeworfen. Der Kläger ist der Meinung, dass die Spende daher rechtswidrig vorgenommen wurde.
Die beklagten Mediziner bestritten die Vorwürfe nicht, sondern beriefen sich auf die Verjährung der Ansprüche. Das LG folgte dem nicht, da dem Kläger nach eigener Aussage erst im Jahre 2016 über die Website der Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. (IGN e. V.) der Zusammenhang des CFS mit der Nierenlebendspende klar wurde.
Hingegen bestätigte ein vom LG berufener Gutachter vom Universitätsklinikum Tübingen eine korrekte Aufklärung. Er führte weiter aus, dass eine eingeschränkte Nierenfunktion nach Nierenentnahme nicht mit der eingeschränkten Nierenfunktion aufgrund einer Nierenerkrankung vergleichbar wäre. Diese Aussage entspricht jedoch nicht den wissenschaftlichen Fakten und widerspricht den gültigen Leitlinien. Nach Auffassung der IGN e. V. verstößt dieser Gutachter hier gegen sein Neutralitätsgebot und betreibt durchsichtigen Kollegenschutz.
Das LG nahm in seiner ersten Sitzung eine sehr deutliche Ersteinschätzung vor. Die Aufklärung über die sinkende Nierenfunktion und deren mögliche Folgen sei fehlerhaft gewesen. Da der Bundesgerichtshof 2019 die Möglichkeit der Einrede der sogenannten „hypothetischen Einwilligung“ bei Organlebendspenden verneint hat, sei der Eingriff mangels wirksamer Einwilligung nach jetzigem Stand des Verfahrens rechtswidrig gewesen.
In Richtung des Gutachters merkte das LG an, dass dieser sich nicht zur Aufklärung äußern könne, da diese juristischer Natur sei.
Die Beklagtenseite stimmte mit einem Vergleich sichtbar widerwillig zu, offensichtlich um so ein Urteil gegen das renommierte Universitätsklinikum Regenburg zu vermeiden. Gegenüber dem Kläger und seinem Rechtsanwalt Martin Wittke, sowie dem als sachkundigem Beistand der Klägerseite anwesenden 1. Vorsitzenden der IGN e. V., Ralf Zietz, wurde durch einen der Beklagten geäußert, dass „so bald gar keine Nierenlebendspenden mehr durchführbar“ seien. Sowohl die Vorsitzende Richterin Trautsch des LG, als auch der Klagevertreter reagierten darauf sichtbar empört.
Mit dieser Reaktion zeigten die anwesenden Transplantationsmediziner ihre nach wie vor weit verbreitete Uneinsichtigkeit für die Notwendigkeit einer umfassenden Risikoaufklärung potenzieller Organlebendspender. Leider, so die Erfahrung der IGN e. V., ist der Anspruch auf Schutz und Absicherung der Organlebendspender immer noch nicht im Bewusstsein vieler Mediziner angekommen. Dies steht im Gegensatz zum inzwischen angepassten aktuellen Aufklärungsformular des beklagten Universitätsklinikums Regensburg, welches der 1. Vorsitzende der IGN e. V. als „in Deutschland führend“ positiv hervorhebt.
Eine faktenbasierte umfassende Risikoaufklärung bietet die IGN e. V. auf ihrer Webseite www.nierenlebendspende.com im Magazin unter „Risikomanagement“.
Aktenzeichen Landgericht Regensburg 43 O 3037/19
Auskunft zum Verfahren erteilt:
Rechtsanwalt Martin Wittke LL.M.
Fachanwalt für Medizinrecht, Versicherungsrecht und Sozialrecht
Wittke und Schwer Rechtsanwälte
Rheinstr. 1
77815 Bühl
Tel. +49 7223 80033-0
E-Mail: anwaelte@wittkeundschwer.de
Die vom Gesetzgeber bewusst streng formulierten und in § 19 Abs. 1 Nr. 1 TPG gesondert strafbewehrten Aufklärungsvorgaben sollen den potentiellen Organspender davor schützen, sich selbst einen größeren persönlichen Schaden zuzufügen; sie dienen dem „Schutz des Spenders vor sich selbst.“
Bundesgerichtshof am 29. Januar 2019 (VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17)