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Familienpflegezeit ist Kulanzsache

Beruf und Pflege unter einen Hut bringen

Düsseldorf – Seit Anfang des Jahres gibt es zumindest auf dem Papier Erleichterun­gen für Beschäftigte, die einen Angehörigen pflegen: Wer fest in Lohn und Brot steht, kann im Fall einer verantwortlichen Pflege seine wöchentliche Arbeitszeit für die Dauer von zwei Jahren ohne allzu hohe Gehaltseinbußen reduzieren. Allerdings muss ein Arbeitnehmer in den darauf folgenden zwei Jahren den finanziellen Vorschuss so lange abar­beiten, bis sein Geldkonto wieder ausgeglichen ist. Der Haken an der Sache: “Arbeitgeber können ihren Beschäftigten einen solchen Vorzug für die Pflege eines Angehörigen einräumen, aber sie sind nicht gesetz­lich dazu verpflichtet”, erklärt die Verbraucherzentrale NRW. Wer die neue halbherzige Regelung der Familienpflegezeit gerne in Anspruch nehmen möchte, sollte sich mit folgenden Hinweisen für ein Gespräch mit dem Arbeitgeber wappnen:

Anspruchsberechtigte: Jeder Beschäftigte, der zu Hause einen Angehörigen pflegt, kann die Vorteile der Familienpflegezeit nutzen. Vorausgesetzt, die Pflegeperson verfügt mindestens über Pflege­stufe 1. Ansonsten muss erst ein Antrag bei der zuständigen Pflege­kasse gestellt und genehmigt werden. Ob eine berufliche Auszeit für die Pflege im Anschluss daran gewährt wird, richtet sich nicht nach der Größe eines Unternehmens, sondern ist abhängig von der Kulanz des jeweiligen Arbeitgebers. Ein Rechtsanspruch besteht nicht. Stimmt ein Unternehmen der vorübergehenden Familien­pflegezeit zu, müssen alle Einzelheiten über Dauer, Stundenreduk­tion, den späteren Ausgleich über Lohnverzicht oder zusätzliche Arbeitsstunden mit dem Arbeitgeber ausgehandelt und in einer schriftlichen Vereinbarung festgehalten werden.

Regeln des Lohn- und Arbeitszeitausgleich: Während der Pflege­phase muss ein Beschäftigter weiterhin mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten. Dabei vermindert sich der Lohn um die Hälfte der reduzierten Stunden. Für die andere Hälfte und die tatsächlich geleistete Arbeit wird weiterhin ein Gehalt bezahlt – und zwar solan­ge, bis Arbeitsstunden und Lohnzahlungen wieder ausgeglichen sind. Ein Beispiel: Der Arbeitgeber zahlt einem Pflegenden, der seine Arbeitszeit um 50 Prozent verringert, weiterhin 75 Prozent des Bruttogehalts. Kehrt der Berufstätige nach zwei Jahren auf eine volle Stelle zurück, bekommt er die nächsten 24 Monate weiterhin nur 75 Prozent seines Gehalts.

Dauer: Die Familienpflegezeit gliedert sich in zwei Phasen. Inner­halb der ersten Pflegephase wird die Arbeitszeit für maximal zwei Jahre reduziert. Unmittelbar daran schließt sich die Nachpflege­phase an, in der das reduzierte Arbeitszeit- und Entgeltkonto eben­falls in maximal zwei Jahren wieder ausgeglichen werden muss. Eine erneute Familienpflegezeit für denselben Pflegebedürftigen ist erst wieder möglich, wenn die Ausgleichsphase komplett abge­schlossen ist. Stirbt die Pflegeperson oder zieht sie in ein Heim, endet die Familienpflegezeit in einem solchen Fall mit Ablauf des zweiten Monats. Der Auszeitnehmer muss seinen Arbeitgeber unverzüglich über die veränderte Situation informieren.

Risikoabsicherung: Da ein Beschäftigter in der Pflegephase mehr Lohn beziehungsweise Gehalt für weniger Arbeit bezieht, geht der Arbeitgeber bei dem Deal durchaus ein finanzielles Risiko ein. Für den Fall, dass vorübergehende Aussteiger wegen Berufsunfähigkeit oder Tod nicht wieder voll in den Betrieb einsteigen, müssen sie vor­bauen und zwingend eine Versicherung abschließen. Diese Versi­cherung macht circa zwei Prozent des Lohnvorschusses aus. Bei einem Teilgehalt von 500 Euro im Monat sind dies 10 Euro. Dieser Betrag muss solange gezahlt werden, bis Lohn- und Zeitkonto wie­der ausgeglichen sind. Arbeitnehmer, die während der Familienpfle­gezeit kündigen oder die nach Ablauf der Pflegephasen nicht die vertraglich vereinbarte Zeit nacharbeiten, werden jedoch zur Kasse gebeten: Sie müssen den Lohnvorschuss in festgelegten Monatsra­ten abstottern. Ein Arbeitgeber hingegen darf in der Pflege- und Nachpflegephase grundsätzlich nicht kündigen. Tut er dies dennoch, sind die Betroffenen von den Nachleistungen im Anschluss an die Pflege befreit.

Argumente für Arbeitgeber: Unternehmen, die der Familienpflege­zeit zustimmen, bekommen vom Bundesamt für Familie und zivilge­sellschaftliche Aufgaben ein zinsloses Darlehen für den Lohnaus­gleich. Weitere Vorteile: Trotz der vorübergehenden Auszeit bleibt ein eingearbeiteter Mitarbeiter langfristig im Betrieb. Fehlzeiten auf­grund von Krankheit und Überlastung werden vermieden. Und Arbeitszufriedenheit und Motivation erhalten einen positiven Schub.