Nürnberg – „Ein staatsfernes Gesundheitssystem mit freiberuflichen Ärzten und Wahlmöglichkeiten für die Patienten ist ein demokratiestabilisierender Faktor, den es zu erhalten gilt.“ Mit dieser Aussage erntete der Ökonom und Europaexperte Prof. Günter Danner großen Beifall beim politischen Samstagvormittag des 19. Bundeskongresses Chirurgie. Mit ihrem Status als Freiberufler in einem Kammersystem seien deutsche Ärzte europaweit allerdings die Ausnahme, erklärte Prof. Danner und warnte vor Bestrebungen hin zu einer EU-weiten Angleichung und Vergemeinschaftung der Sozialsysteme. Doch auch in Deutschland ist der Wert der ärztlichen Freiberuflichkeit nicht jedem Politiker bewusst, so Dr. Dirk Heinrich vom Spitzenverband Fachärzte: „Viele verwechseln Freiberuflichkeit mit selbstständiger Tätigkeit.“ Anders als Gewerbetreibende erfüllten Freiberufler aber einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag, ob nun als Angestellte oder selbstständig tätige Ärzte.
Die ausrichtenden Berufsverbände kritisierten, dass der für eine freiberufliche Tätigkeit erforderliche Handlungsspielraum immer weiter beschnitten wurde. So erklärte BDC-Präsident Prof. Hans-Joachim Meyer: „Insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss ist mittlerweile ein Apparat, dessen Machtbefugnisse dringend hinterfragt werden müssen.“ BAO-Präsident Dr. Axel Neumann beobachtet eine weitere Entwicklung mit Sorge: „Wir niedergelassenen Fachärzte werden kaum noch von Politikern und Institutionen wahrgenommen, obwohl die Vorteile unserer Arbeit für den Patienten unbestritten sind. Sogar wir selbst argumentieren nur noch mit unseren Kosten – der Wert unserer ärztlichen Leistung, der auf Ausbildung, Erfahrung und Verantwortung basiert, fällt dabei unter den Tisch!“ Der BNC-Vorsitzende Dr. Christoph Schüürmann ergänzte: „Ob im ambulanten oder stationären Bereich – in allen Gebührenordnungen ist der Anteil des Arztlohns im internationalen Vergleich viel zu niedrig angesetzt und muss endlich angepasst werden!“ Er riet seinen Kollegen, ihren Anteil an der Volkswirtschaft nicht zu unterschätzen: „Niedergelassene Vertragsärzte haben 20 Milliarden Euro in ihre Praxen und damit in das Gesundheitssystem investiert!“
Echten Gegenwind aus der Politik gab es nicht. Die anwesenden Politiker aus SPD, CSU und FDP bekannten sich klar zur ärztlichen Freiberuflichkeit. Doch ihre Lösungsansätze harmonieren nur bedingt mit den Forderungen der Ärzteschaft. So rechtfertigte die SPD-Bundestagsabgeordnete Martina Stamm-Fibich die Forderung nach einer Bürgerversicherung damit, dass die Politik endlich Lösungen für einkommensschwache Menschen anbieten müsse, die sich ihre Krankenversicherung nicht mehr leisten können: „Hier fehlen mir bislang konstruktive Lösungsvorschläge aus den Reihen der Ärzteschaft.“ Der CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seiderath bekräftigte die Haltung seiner Partei, mithilfe der unter Ärzten unpopulären Landarztquote den Nachwuchs auf’s Land locken zu wollen. Der FDP-Bundestagskandidat Prof. Andrew Ullmann wiederum versprach, die flächendeckende wohnortnahe Versorgung auch ohne derartige Regularien zu stärken und das Zwei-Säulen-Modell aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung nicht anzutasten, obwohl das FDP-Wahlprogramm für die Bundestagswahl noch nicht verabschiedet wurde.