Genf/Berlin – Angesichts der sich ausbreitenden extrem resistenten Form der Tuberkulose (XDR-TB) fordert Ärzte ohne Grenzen ein Umdenken der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Beibehaltung der bisherigen TB-Behandlungsstrategien wäre fatal, warnt die internationale Hilfsorganisation aus Anlass einer Tuberkulose-Konferenz, die morgen in Paris beginnt. Um XDR-TB zu bekämpfen, brauchen die Betroffenen so schnell wie möglich neue Medikamente.
Mit den bestehenden Medikamenten und Tests lässt sich die extrem resistente TB-Form nicht behandeln, macht ein jetzt erschienener Bericht von Ärzte ohne Grenzen deutlich. Auch werde keines der Medikamente, die derzeit in der Entwicklung sind, die Therapiemöglichkeiten in naher Zukunft drastisch verbessern. Die WHO müsse garantieren, dass die Forschung über Tuberkulose künftig stärkere Priorität und mehr finanzielle Mittel erhalte.
Mit jährlich 450.000 neuen Fällen resistenter Tuberkulose wächst das Problem der Medikamentenresistenz schnell. Vor allem betroffen sind Menschen mit XDR-TB, die gegen fast alle Formen der derzeit üblichen Antibiotika resistent sind. Ihre Behandlung mit den vorhandenen Medikamenten ist praktisch unmöglich.
Besonders alarmierend ist das Auftreten von XDR-TB im Kontext von HIV/Aids. Menschen mit derartigen Koinfektionen sterben häufig, bevor eine Medikamentenresistenz überhaupt festgestellt werden kann. Die Einnahme herkömmlicher, in diesem Fall wirkungsloser Medikamente kommt einem Todesurteil gleich.
“Business as usual wäre angesichts der extrem resistenten Tuberkulose eine Katastrophe”, warnt Dr. Françoise Louis, Spezialist für HIV/Aids und TB bei Ärzte ohne Grenzen, “XDR-TB kann in Gebieten mit hoher HIV/Aids-Rate verheerende Folgen haben. Aber die Krankheit mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln zu behandeln, wäre wie der Versuch, einen Waldbrand mit einem Wasserschlauch zu löschen.”
Um dem Ausbruch von XDR-TB zu begegnen und die Entwicklung neuer Medikamente zu beschleunigen, muss die WHO mit Aufsichtsbehörden und Pharmaunternehmen zusammenarbeiten. Außerdem muss die WHO die Entwicklung leicht anwendbarer Tests beschleunigen.
Das Auftauchen von XDR-TB sowie die jährlich rund zwei Millionen Tuberkulose-Toten sind ein Zeichen dafür, dass der WHO-Ansatz im Fall von TB versagt hat: Die heutigen Medikamente wurden vor mehr als 40 Jahren entwickelt, die gängigen Tests zur Feststellung der Krankheit sind über 100 Jahre alt – und versagen fast in jedem zweiten Fall.
Ärzte ohne Grenzen behandelt 17.000 TB-Patienten in fast 100 Projekten in 44 Ländern.
Der Bericht “Development of new drugs for TB Chemotherapy” ist unter http://www.aerzte-ohne-grenzen.de herunterzuladen.