Berlin – Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) verspricht sich von der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands ab 1. Juli Impulse für die Stärkung des Pharmastandorts Europa. „Die Coronakrise zeigt uns, auf welch wackligen Füßen unsere Gesundheitsversorgung steht“, sagt BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. „Wir brauchen deshalb Rahmenbedingungen, die es uns ermöglichen, unsere Ressourcen zu sichern. Wir müssen in Europa jederzeit imstande sein, unabhängig und flexibel auf sich verändernde Marktbedingungen reagieren zu können. Dies sollte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im Blick haben und ihre Möglichkeiten nutzen, die Bedeutung der pharmazeutischen Industrie für die Volkswirtschaft und den Wissenschaftsstandort in den Mittelpunkt zu stellen und für den Erhalt in Europa zu werben. Wir müssen unter allen Umständen wettbewerbsfähig bleiben.“
Von zentraler Bedeutung sei es, Abhängigkeiten abzubauen, Lieferengpässe zu minimieren und die Versorgung nachhaltig zu sichern. Wie dringlich das Thema ist, zeigt auch eine interne, nicht repräsentative Umfrage bei BPI-Mitgliedern. Für die Hälfte der Befragten steht aktuell die Sicherstellung der Rohstofflieferungen im Fokus, 35 Prozent setzen auf die Beseitigung von Handelshemmnissen. „Wir können und wollen die Globalisierung nicht zurückdrehen“, betont Dr. Joachimsen. „Aktionismus ist aber das falsche Rezept. Die teilweise Rückholung der Produktion nach Europa ist eher ein Marathon als ein Sprint“. „Und sie hat ihren Preis, Versorgungssicherheit bekommt man nicht zum Nulltarif. Was allerdings schnell zu mehr Sicherheit in der Versorgung führen würde, wäre eine Änderung der Ausschreibungspraxis bei Exklusivverträgen und eine Bevorzugung europäischer Produktion. Die deutsche Ratspräsidentschaft kann und sollte die Kriterien für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen so mit verändern, dass gezielt Produktionsstandorte in Europa gefördert werden.“
Durch die Coronakrise stehen Themen wie die Weiterentwicklung eines verbindlichen HTA Prozesses auf europäischer Ebene sicher nicht ganz oben auf der Agenda. „Trotzdem sollte dies weiter verfolgt werden, um ineffiziente Doppelarbeit zu vermeiden, und allen Mitgliedstaaten die gleiche hochwertige wissenschaftliche Basis zu geben, auf deren Grundlage dann fundierte nationale Erstattungsentscheidungen getroffen werden können“, so Dr. Joachimsen. Außerdem sei es zur Innovationsförderung wichtig, die Verordnung zu öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) zeitnah zum Abschluss zu bringen.
Zudem hat die Coronakrise auch gezeigt, dass die digitale Transformation des Gesundheitswesens dringend vorangetrieben werden muss. „Wir brauchen hier mehr europäische Koordination und ein harmonisiertes Verständnis über die Nutzung von Forschungs- und Gesundheitsdaten nach den Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung“, so Dr. Joachimsen. „Und natürlich bedarf es als Voraussetzung europaweiter IT-Standards, damit zum Beispiel eRezepte oder ePatientenakten länderübergreifend nutzbar sind.“