Berlin – Grundsätzlich sollten alle Menschen, die den beschwerlichen Weg der künstlichen Befruchtung wählen, die Möglichkeit zur PID haben. Dies geht aus einer Stellungnahme der Ethikkommission der Giordano-Bruno-Stiftung hervor, die heute den Mitgliedern des Deutschen Ethikrats zugestellt wurde.
In dem Gutachten, an dem führende deutsche Ethikexperten mitgewirkt haben, heißt es: “In einem liberalen Gemeinwesen sollten mündige Bürgerinnen und Bürger tun und lassen dürfen, was sie wollen, solange es ihnen nicht mit guten Gründen verboten werden kann.” Solche “guten, verallgemeinerungsfähigen Gründe” gebe es weder für ein Verbot der PID noch für die von einigen Politikern vorgeschlagene Beschränkung der PID etwa auf Paare, deren erbliche Vorbelastung erwiesen ist.
Um dies nachzuweisen, widerlegt die Kommission die wichtigsten Argumente, die in der politischen Debatte bislang gegen die Zulässigkeit der PID vorgebracht wurden. So führen die Autoren aus, dass die Annahme, frühe Embryonen besäßen “Menschenwürde”, auf religiösen Überzeugungen beruhe, die keine Allgemeingültigkeit beanspruchen könnten. Zwar stehe es jeder Bürgerin und jedem Bürger frei, Präimplantationsdiagnostik als “Sünde” zu verurteilen, doch niemand habe das Recht, diese Sichtweise Andersdenkenden aufzuzwingen. Mit den Grundsätzen einer liberal-pluralistischen Demokratie sei es nicht vereinbar, “dass der Staat seinen Bürgern eine bestimmte weltanschaulich gebundene Vorstellung vorschreibt”. Daher sollte die Gesetzgebung so beschaffen sein, dass “die Autonomie der Bürger maximiert und staatliche Eingriffe minimiert werden”.
Kritik äußert die Kommission insbesondere an der Überzeugung, dass aussondernde Präimplantationsdiagnostik dem “Lebensinteresse von Embryonen” zuwiderlaufe. Denn es sei offensichtlich, dass Embryonen, die nichts spüren und bei -196 Grad kryokonserviert werden können, kein subjektives Lebensinteresse besitzen. Auch das häufig vorgebrachte Argument, die Auswahl gesunder Embryonen laufe auf eine Herabsetzung von Behinderten hinaus, hält die Kommission für verfehlt: “Die Annahme, dass die Vernichtung befruchteter Eizellen mit genetischen Defekten zur Diskriminierung von Behinderten führt, ist ähnlich absurd wie die Forderung nach Abschaffung der Impfung gegen Kinderlähmung, weil diese eine Diskriminierung von Menschen mit Kinderlähmung zur Folge haben könnte. Wer eine rationale, humanistische Sichtweise vertritt, dem sollte klar sein, dass Behinderte und Kranke unsere volle Unterstützung verdienen, Behinderung und Krankheit jedoch nicht”.
Insbesondere im Interesse der Mütter empfiehlt die Kommission, nur die Embryonen einzupflanzen, die die besten Aussichten auf eine gesunde Entwicklung haben. Außerhalb Deutschlands würden Mediziner bereits routinemäßig nach dem Embryo mit den besten Entwicklungschancen fahnden. Es sei nicht einzusehen, warum eine solche Praxis nicht auch in Deutschland möglich sein soll: “Wenn sich Eltern gegen einen genetischen Defekt entscheiden, dann liegt ihr Motiv darin, Belastungen ihres künftigen Kindes zu vermeiden, ihm optimale Startbedingungen für das Leben zu schenken und selbst zusätzlichen Mühen zu entgehen. Hieran ist nichts verwerflich.”
Angesichts der Möglichkeit, PID in den Nachbarländern durchführen zu lassen, würden die geplanten Restriktionen nach Ansicht der Kommission ohnehin nur jene Bürgerinnen und Bürger betreffen, die sich eine PID im Ausland nicht leisten können. Dies sei sozial ungerecht und auch rechtspolitisch bedenklich: “Der Gesetzgeber sollte davon absehen, ein Gesetz zu beschließen, das den Glauben an allgemein verbindliche Normen untergraben könnte.”
Lesen Sie die vollständige Stellungnahme unter: http://www.giordano-bruno-stiftung.de