Berlin – Bei der Behandlung mit einem therapeutischen Herzkatheter bei Patienten ohne Herzinfarkt unterscheidet sich die Qualität des Eingriffs von Klinik zu Klinik erheblich. Bei dem Viertel der Krankenhäuser mit den meisten Komplikationen oder qualitätsrelevanten Folgeeingriffen ist die Rate solcher Ereignisse laut einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) gegenüber dem Viertel mit den wenigsten Ereignissen um mindestens 51 Prozent erhöht. Im Durchschnitt kommt es bei 7,5 Prozent der Eingriffe zu Komplikationen und bei 11,4 Prozent zu qualitätsrelevanten Folgeeingriffen. Mit welcher Qualität die Kliniken therapeutische Herzkatheterbehandlungen bei Patienten ohne Herzinfarkt durchführen, ist nun erstmals im AOK-Krankenhausnavigator veröffentlicht.
Herzkatheteruntersuchungen zählen zu den häufigsten Eingriffen bei koronarer Herzkrankheit. Bei der Koronarangiographie wird ein Katheter in die Herzarterien eingeführt und die Herzkranzgefäße werden mit einem Kontrastmittel sichtbar gemacht. Sind sie verengt, können sie durch eine perkutane koronare Intervention (PCI) über den Katheter gedehnt und mit einem Stent versehen werden. Allein 2010 erfolgten in Deutschland mehr als 880.000 Koronarangiographien. Etwa bei jeder dritten Untersuchung wurde ein therapeutischer Herzkatheter, eine perkutane koronare Intervention (PCI), durchgeführt.
„In Deutschland gibt es gut die Hälfte mehr therapeutische Herzkatheterbehandlungen pro Einwohner als in der Schweiz oder Österreich. Von anderen Erkrankungen wissen wir, dass sich die Behandlungsqualität der Kliniken stark unterscheiden kann. Das war für uns Grund genug, uns diese Behandlung genauer anzusehen“, sagt Jürgen Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Deshalb hat das WIdO die Qualität von PCIs mit Hilfe des Verfahrens „Qualitätssicherung mit Routinedaten“ (QSR) für Patienten ohne Herzinfarkt untersucht. Ausgewertet wurden die Daten von 443 Kliniken. Insgesamt wurden rund 100.500 PCIs aus den Jahren 2008 bis 2010 analysiert.
„Im Ergebnis zeigte sich, dass es bei jedem sechsten therapeutischen Herzkatheter zu einer Komplikation oder einem qualitätsrelevanten Folgeeingriff kam“, so Klauber. Von Komplikationen wie Gefäßverletzungen, Blutungen oder Nierenschäden waren 7,2 Prozent der Patienten betroffen. 0,7 Prozent der Patienten verstarben gar innerhalb von 30 Tagen nach der PCI. Bei 10,0 Prozent erfolgte im Zeitraum von 91 Tagen bis zu einem Jahr eine erneute Katheterintervention. 1,7 Prozent mussten sich im Zeitraum von 31 Tagen bis zu einem Jahr nach der Erstbehandlung einer Bypass-OP unterziehen. Insgesamt kam es bei 7,5 Prozent der Patienten zu einer Komplikation, bei 11,4 Prozent zu einem qualitätsrelevanten Folgeeingriff und bei 17,7 Prozent zu mindestens einem dieser Ereignisse (Abbildung 1). Dazu kommt, dass das Risiko einer Komplikation oder eines Folgeeingriffs sehr ungleich zwischen den Krankenhäusern verteilt ist. So lag der Anteil der Komplikationen und Folgeeingriffe in 63 Kliniken bei höchstens 12 Prozent. 120 Kliniken hatten dagegen Ereignisraten von 20 Prozent oder darüber (Abbildung 2). Insgesamt gab es bei einem Viertel der Kliniken mindestens 51 Prozent mehr Komplikationen und Folgeeingriffe als bei dem Viertel der Kliniken mit den geringsten Raten. Die großen Unterschiede in der Behandlungsqualität der Kliniken bleiben auch dann erhalten, wenn die unterschiedliche Patientenstruktur berücksichtigt wird.
Klinikvergleich mit dem AOK-Krankenhausnavigator
Diese QSR-Ergebnisse werden im AOK-Krankenhausnavigator auf Basis der Weissen Liste veröffentlicht. Bei der kostenfreien Internetsuche können sich Patienten auf www.aok-krankenhausnavigator.de schnell einen Überblick verschaffen, wie gut die Krankenhäuser in ihrer Nähe die Behandlung durchführen. Anhand von Symbolen wird sowohl die Gesamtqualität als auch die Bewertung der einzelnen Indikatoren dargestellt. Je nach der Gesamtqualität der Behandlung kann ein Krankenhaus ein, zwei oder drei Lebensbaumsymbole für unterdurchschnittliche, durchschnittliche oder überdurchschnittliche Qualität erhalten. Außer für die therapeutischen Herzkatheter bei Patienten ohne Herzinfarkt bietet der AOK-Krankenhausnavigator auch Qualitätsdaten für Gallenblasen-Operationen sowie für planbare Eingriffe am Knie- und Hüftgelenk und bei Oberschenkelhalsbrüchen.
10 Jahre Qualitätssicherung mit Routinedaten
„Unsere Methode zur Qualitätsmessung ist besonders innovativ, weil wir den Blick nicht nur auf den Krankenhausaufenthalt richten, sondern auch Ereignisse im Therapieverlauf einbeziehen. Das ist wichtig, denn bei vielen Behandlungen treten qualitätsrelevante Ereignisse erst nach dem stationären Aufenthalt ein“, so Jürgen Klauber. „Außerdem verursacht unser Verfahren den Krankenhäusern keinen bürokratischen Mehraufwand, denn als Datengrundlage dienen die bundesweiten Routinedaten der 24 Millionen AOK-Versicherten.“ Dazu zählen anonymisierte Abrechnungsdaten, die Informationen u.a. zu Erkrankungen, Eingriffen, Verweildauern, Verlegungen und Entlassungsgründen enthalten. Daneben gehen anonymisierte Versichertenstammdaten wie das Alter und Geschlecht in die Analysen ein. Für einen fairen Krankenhausvergleich sorgt ein aufwendiges statistisches Verfahren, das unter anderem das Alter, das Geschlecht und Begleiterkrankungen von Patienten berücksichtigt.
Die Qualitätssicherung mit Routinedaten gibt es seit nunmehr 10 Jahren. Sie entstand Ende 2002 aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt des AOK-Bundesverbandes, der HELIOS Kliniken, des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und des Forschungs- und Entwicklungsinstituts für das Sozial- und Gesundheitswesen Sachsen-Anhalt (FEISA) und sollte die Möglichkeiten der Qualitätsberichterstattung auf der Basis von Routinedaten der Krankenkassen prüfen. Heute wird die QSR-Methodik durch das WIdO kontinuierlich weiterentwickelt. Dieser Prozess wird von Experten aus Wissenschaft und Praxis begleitet und unterstützt.
Nähere Informationen auf www.qualitaetssicherung-mit-routinedaten.de und auf www.wido.de