Berlin – Sozialgerichte sollen für alle Angelegenheiten der GKV zuständig sein Privatrechtliches Kartellrecht und gesetzliche Krankenversicherung passen nicht zusammen
Die Ersatzkassen fordern den Gesetzgeber auf, für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) eigene sozialrechtsspezifische Wettbewerbsregeln zu entwickeln. Statt – wie in der geplanten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (8. GWB-Novelle) vorgesehen – das Kartell- oder Wettbewerbsrecht undifferenziert auf die gesetzlichen Krankenkassen auszudehnen, sollte der Gesetzgeber den Besonderheiten der GKV Rechnung tragen. Für alle Rechtsstreitigkeiten in der GKV, auch für solche, die das Wettbewerbsrecht betreffen, sollten grundsätzlich die Sozialgerichte zuständig sein, erklären die Ersatzkassen in einem gemeinsamen Positionspapier des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek).
Christian Zahn, Vorsitzender des vdek, sagte hierzu: “Die Krankenkassen haben einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag. Sie sind in der Leistungsgewährung strikt an den Gleichheitsgrundsatz gebunden und unterliegen einem sozialrechtlichen Kooperationsgebot zur Gewährleistung einer guten und wirtschaftlichen Versorgung. Sie handeln zudem nach den Grundprinzipien der Solidarität, Subsidiarität, Sachleistung und Selbstverwaltung.” Dies komme zum Beispiel zum Ausdruck durch:
– den einheitlichen Leistungskatalog – gemeinsames (Vertrags)Handeln, dass sich auch auf freiwillige Projekte und Zusammenarbeit bezieht (zum Beispiel Mammografiescreening, Endoprothesenregister, Förderung der Selbsthilfe und Prävention usw.) – das Gebot zum wirtschaftlichen Handeln und Gleichmäßigkeit der Versorgung – den Kontrahierungszwang bei der Aufnahme von Versicherten – die verpflichtende Bildung von Haftungsgemeinschaften konkurrierender Krankenkassen – Bildung gemeinsamer Arbeitsgemeinschaften für unterschiedliche Aufgabenstellungen
Die in der GKV eingeführten Wettbewerbselemente sollten Effizienz und Qualität der Leistungserbringung erhöhen, sie seien aber weder Selbstzweck noch Leitmotiv für die GKV, betonte Zahn. Das Wettbewerbsrecht dürfe daher den Versorgungsauftrag und die Gestaltungskompetenz der Krankenkassen nicht behindern. “Die vorgesehene, nahezu uneingeschränkte Übertragung des Kartellrechts auf die Krankenkassen passt nicht zum Versorgungsauftrag der Krankenkassen. Die Ersatzkassen lehnen daher die geplante 8. GWB-Novelle strikt ab.” Mit den geplanten Änderungen wäre auch verbunden, dass zur Durchsetzung des Kartellrechts- und Kartellverbots zukünftig das Bundeskartellamt zuständig sein soll. Bei Wettbewerbsstreitigkeiten der Krankenkassen untereinander sollen zudem die Zivilgerichte zuständig sein. Auch das lehnen die Ersatzkassen ab und fordern dagegen eine vollständige Zuständigkeit der Sozialgerichte, die auch das Wettbewerbsrecht mit einbezieht.
Hintergrund zur 8. GWB-Novelle: Mit der Entscheidung des Bundeskabinetts vom 28.3.2012 liegt ein Gesetzentwurf für die Überarbeitung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (8. GWB-Novelle) vor. Dieser enthält auch Regelungen über die Ausdehnung der Anwendbarkeit des Kartellrechts auf die gesetzlichen Krankenkassen. Dabei ist Folgendes vorgesehen: – Das Absprachenverbot und die Missbrauchsaufsicht werden auch auf das Verhältnis der Krankenkassen untereinander und im Verhältnis zu den Versicherten für entsprechend anwendbar erklärt. Gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen der Kassen oder ihrer Verbände sowie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sollen davon ausgenommen bleiben. Die Durchsetzung dieser Normen soll in der Zuständigkeit der Kartellbehörden liegen. – Den Krankenkassen wird mit der entsprechenden Geltung des § 12 Abs. 1-3 Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) die Möglichkeit eingeräumt, gegen unlautere Wettbewerbsmaßnahmen mittels Abmahnungen und gerichtlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorzugehen. – Es wird eine gesetzliche Regelung zur entsprechenden Anwendung der Zusammenschlusskontrolle des Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die Vereinigung von gesetzlichen Krankenkassen geschaffen. Für die Zusammenschlusskontrolle soll auch das Bundeskartellamt zuständig sein. – Die Zuständigkeit der Zivilgerichte wird sowohl auf die entsprechende Anwendbarkeit der Kartellaufsicht (§ 4 Abs. 3 SGB V -neu-) als auch auf die Zusammenschlusskontrolle (§ 172a SGB V -neu-) ausgedehnt. Für die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände nach § 69 SGB V besteht diese Zuständigkeit bereits seit 1.1.2011.
Anlass ist ein Urteil des Landessozialgerichtes (LSG) Hessen vom 15.9.2011, das zum gemeinsamen Handeln einzelner Krankenkassen bei der Ankündigung von Zusatzbeiträgen feststellt, dass es für die Anwendung des Kartellrechts auf die Wettbewerbsbeziehungen der gesetzlichen Krankenkassen untereinander an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung als auch an der Unternehmenseigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen fehlt. Ein Auskunftsverlangen des Bundeskartellamtes gegenüber Krankenkassen sei insofern rechtswidrig.
Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) ist Interessenvertretung und Dienstleistungsunternehmen aller sechs Ersatzkassen, die zusammen mehr als 25 Millionen Menschen in Deutschland versichern:
– BARMER GEK – Techniker Krankenkasse – DAK-Gesundheit – KKH-Allianz – HEK – Hanseatische Krankenkasse – hkk
Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) ist die Nachfolgeorganisation des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e. V. (VdAK), der am 20. Mai 1912 unter dem Namen “Verband kaufmännischer eingeschriebener Hilfskassen (Ersatzkassen)” in Eisenach gegründet wurde. In der vdek-Zentrale in Berlin sind rund 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
In den einzelnen Bundesländern sorgen 15 Landesvertretungen und eine Geschäftsstelle in Westfalen-Lippe mit insgesamt weiteren rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die regionale Präsenz der Ersatzkassen.