Berlin – Im ersten Halbjahr 2014 haben die 131 gesetzlichen Krankenkassen durch Prämienzahlungen und freiwillige Leistungen Reserven in Höhe von 517 Millionen Euro an ihre Versicherten zurückgeführt. Die gesetzlichen Krankenkassen verfügen damit über Finanz-Reserven in Höhe von 16,2 Milliarden Euro.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: “Mit mehr als 16 Milliarden Reserven ist die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenkassen weiterhin stabil. Die Kassen tun gut daran, ihre hohen Finanz-Reserven im Sinne der Versicherten zu nutzen. Unser Ziel bleibt eine weiterhin qualitativ gute Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger mit hochwertigen Leistungen und Arzneimitteln.
Dass der Kostenanstieg im Arzneimittelbereich gedämpft werden konnte, liegt daran, dass die Bundesregierung bereits Anfang des Jahres gehandelt hat. Das spart der gesetzlichen Krankenversicherung und damit den Beitragszahlern rund 650 Millionen Euro im Jahr. Wir werden die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge behalten, denn wir wissen, dass die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung immer wieder auch Schwankungen unterworfen sind.”
Einnahmen in Höhe von rund 101,7 Milliarden Euro standen nach den vorläufigen Finanzergebnissen des 1. Halbjahres 2014 Ausgaben von rund 102,3 Milliarden Euro gegenüber. Die Differenz von rund 630 Millionen Euro geht zu einem Großteil darauf zurück, dass die Kassen ihre Versicherten über Prämien und freiwillige Leistungen an ihren hohen Finanz-Reserven beteiligt haben. So wurden im 1. Halbjahr Ausgaben für Prämienzahlungen an Krankenkassenmitglieder in Höhe von 393 Millionen Euro und Aufwendungen für freiwillige Satzungsleistungen (z.B. professionelle Zahnreinigung, Osteopathie) in Höhe von 124 Millionen Euro geleistet. Zudem wurden von den Krankenkassen im 1. Halbjahr per Saldo insgesamt 73 Millionen Euro im Zuge des Risikostrukturausgleichs zwischen den Krankenkassen einnahmemindernd ausgewiesen. Ohne diese Sonderfaktoren ergibt sich für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im 1. Halbjahr bei einem Ausgabenvolumen von 102,3 Milliarden Euro ein nahezu ausgeglichenes Finanzergebnis.
Die Zahlen des 1. Halbjahres sprechen dafür, dass die Zuweisungen, die die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds erhalten auch im Jahr 2014 ausreichen werden, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken.
Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten unterschiedlich
Bei einer differenzierten Betrachtung nach Krankenkassenarten zeigt sich eine unterschiedliche Entwicklung: Der größere Teil der Krankenkassen erzielt offenkundig auch im laufenden Jahr ein Plus. So erzielten die AOKen und die Knappschaft-Bahn-See Überschüsse von rund 167 bzw. 121 Millionen Euro. Bei den Ersatzkassen überstiegen hingegen die Ausgaben die Einnahmen um rund 681 Millionen Euro; bei den Betriebskrankenkassen um 166 Millionen Euro, und bei den Innungskrankenkassen um 62 Millionen Euro. Diese Defizite erklären sich zu einem erheblichen Teil durch Prämienzahlungen, die diese Krankenkassen an ihre Mitglieder geleistet haben. In diesen Werten sind zudem Forderungen und Verpflichtungen, die sich durch die mit dem GKV-FQWG vorgesehenen Änderungen und aus der Rechtsprechung zum Risikostrukturausgleich im Jahr 2014 ergeben, anteilsmäßig bereits berücksichtigt.
Saisonbedingtes Defizit beim Gesundheitsfonds
Zehn Jahre nach dem Rekord-Schuldenstand in Höhe von damals 8,3 Milliarden Euro (Anfang 2004) steht die GKV 2014 weiterhin auf einem sehr soliden finanziellen Fundament. Gesundheitsfonds und Krankenkassen verfügen rechnerisch am Ende des 1. Halbjahres 2014 insgesamt über Finanzreserven in einer Größenordnung von rund 26,6 Milliarden Euro, davon rund 16,2 Milliarden Euro bei den Krankenkassen und rund 10,4 Milliarden Euro beim Gesundheitsfonds.
Im 1. Halbjahr 2014 verzeichnete der Gesundheitsfonds ein saisonübliches Defizit von 3,24 Milliarden Euro. Dieses saisonübliche Defizit resultiert aus der Auszahlungssystematik des Gesundheitsfonds.
Bei der Festlegung der monatlichen Zuweisungen sind die Mehrausgaben, die den Krankenkassen durch die Abschaffung der Praxisgebühr auch in 2014 entstehen, sowie gesetzlich induzierte Mehrausgaben für Krankenhäuser in einer Größenordnung von rund 0,5 Milliarden Euro entsprechend berücksichtigt worden. Sie konnten ebenso wie die Absenkung des Bundeszuschusses durch eine Entnahme aus der Liquiditätsreserve gedeckt werden, die zum Jahresende 2013 rund 13,6 Milliarden Euro betrug und zur Jahresmitte 2014 nunmehr bei 10,4 Milliarde Euro liegt. Durch die weiterhin günstige Entwicklung der Beitragseinnahmen mit einem Plus von 3,5 Prozent im 1. Halbjahr wird allerdings nur ein Teil des potenziellen Entnahmebetrages von rund 5,8 Milliarden Euro im Jahr 2014 auch tatsächlich benötigt. Die Einnahmesituation des Gesundheitsfonds wird sich im weiteren Jahresverlauf deutlich verbessern. Gründe dafür sind beitragspflichtige Einmalzahlungen wie Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld, höhere Tarifabschlüsse sowie höhere Renten zum 1. Juli 2014, wobei auch die rentenrechtlichen Verbesserungen im Bereich der Mütterrenten zu Mehreinnahmen der in der GKV führen.
Ausgabenzuwächse bei 5,2 Prozent
Je Versicherten gab es im 1. Halbjahr 2014 einen Ausgabenzuwachs von 5,2 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen um 5,3 Prozent je Versicherten; die Verwaltungskosten um rund 2,2 Prozent. Dabei ist im 1. Halbjahr zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen in hohem Maße von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten häufig noch nicht vorliegen. Deutlich steigende Versichertenzahlen haben dazu geführt, dass die absoluten Ausgabenzuwächse um rund 0,5 Prozentpunkte höher ausgefallen sind als die Pro-Kopf-Ausgaben.
Zu den Ausgabensteigerungen haben im 1. Halbjahr steigende Arzneimittelausgaben sowie im Kassenartenvergleich deutlich höhere Veränderungsraten bei den Innungskrankenkassen beigetragen, die erheblich von den Veränderungsraten der übrigen Krankenkassenarten abweichen.
Entwicklungen in den einzelnen Leistungsbereichen
In den Monaten Januar bis Juni 2014 sind die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen nach drei Jahren mit moderaten Zuwächsen um 8,9 Prozent gestiegen. Dieser Ausgabenzuwachs dürfte zu einem Teil auf das Auslaufen des bis 31. Dezember 2013 befristeten erhöhten Herstellerrabatts für patentgeschützte Arzneimittel von 16 Prozent zurückzuführen sein. Zudem führt die Versorgung mit neuen innovativen Arzneimitteln zu Mehrausgaben in der GKV. Bereits zum Jahresbeginn hat die Bundesregierung wichtige ausgabenbegrenzende Regelungen umgesetzt. Das bestehende Preismoratorium wurde bis Ende 2017 nahtlos verlängert. Mit Wirkung zum 1. April 2014 wurde der Herstellerabschlag von 6 Prozent auf 7 Prozent für alle Arzneimittel angehoben. Ohne diese ausgabenbegrenzenden Regelungen wäre der Anstieg der Arzneimittelausgaben deutlich im zweistelligen Bereich gewesen.
Durch Rabattvereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmern verzeichneten die Krankenkassen weitere Entlastungen. Im Vergleich zum 1. Halbjahr 2014 konnten die Einsparungen durch vertraglich vereinbarte Rabatte von rund 1,3 Milliarden Euro um rund 200 Millionen Euro auf rund 1,5 Milliarden Euro erhöht werden.
Im Bereich der vertragsärztlichen Vergütung stiegen die Ausgaben je Versicherten um 4,1 Prozent, bei den Ausgaben für zahnärztliche Behandlung und Zahnersatz um 4,4 bzw. 2,8 Prozent. Da für das 1. Halbjahr in diesen Leistungsbereichen noch kaum Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen bei den Krankenkassen vorliegen, haben die ausgewiesenen Veränderungsraten jedoch überwiegend Schätzcharakter.
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlung stiegen je Versicherten um 4,3 Prozent. Damit hat sich der Zuwachs gegenüber der Veränderungsrate von 5,1 Prozent im 1. Quartal abgeflacht. Der aktuelle Anstieg ist zu einem Teil auf die vom Gesetzgeber im Laufe des vergangenen Jahres eingeführten Finanzhilfen für Krankenhäuser zurückzuführen, die ab August 2013 wirksam wurden. Insgesamt erhielten die Krankenhäuser allein von den gesetzlichen Krankenkassen in den Monaten Januar bis Juni 2014 um rund 1,6 bis 1,7 Milliarden Euro höhere Finanzmittel als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Beim Krankengeld hat sich nach mehreren Jahren mit hohen oftmals zweistelligen Zuwächsen der Anstieg mit einem Plus von 6,7 Prozent auf hohem Niveau der Vorjahre nur etwas verlangsamt. Als maßgebliche Ursachen für diesen Anstieg beim Krankengeld sind weiterhin eine Zunahme der Krankengeldbezieher in höheren Altersgruppen bei steigendem Renteneintrittsalter sowie der Anstieg von lang andauernden psychischen Erkrankungen zu nennen. Hier sind nicht zuletzt die Unternehmen und die Krankenkassen gemeinsam gefordert, diesem Trend im Rahmen einer verstärkten betrieblichen Gesundheitsförderung entgegen zu wirken. Mit den maßgeblichen Faktoren der Ausgabenentwicklung beim Krankengeld und den Steuerungsmöglichkeiten soll sich auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem nächsten Gutachten befassen. Hierzu wird das Expertengremium demnächst vom Bundesministerium für Gesundheit den Auftrag für ein Sondergutachten erhalten.
Hohe Zuwachsraten von 9,5 Prozent wiesen im 1. Halbjahr die Ausgaben für Hilfsmittel aus. Dieser Zuwachs ist maßgeblich auf Verbesserungen im Bereich der Hörgeräteversorgung zurückzuführen, in dem die Krankenkassen die Festbeträge für Hörhilfen bei hochgradig schwerhörigen Personen in Folge eines Urteils des Bundessozialgerichts annähernd verdoppelt haben. Die Ausgaben in dem Leistungssegment der Hörgeräteversorgung sind demzufolge um rund 59 Prozent gestiegen.
Positiv zu bewerten sind die Zuwächse von rund 28 Prozent bei der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung und den Zuschüssen der Krankenkassen für ambulante und stationäre Hospize zu bewerten, die insgesamt um rund 7 Prozent gestiegen sind. Dies zeigt, dass sich die Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland stetig verbessert und an Breite und Tiefe gewinnt.
Die Ausgaben der Krankenkassen für Präventionsleistungen nach §§ 20 ff. SGB V haben einen deutlichen Zuwachses von ca. 15,2 Prozent je Versicherten erfahren. Insgesamt wendeten die Krankenkassen für diese Leistungen im 1. Halbjahr rund 146 Millionen Euro auf. Für primäre Prävention der Krankenkassen nach dem Individualansatz wurden 96 Millionen Euro (1,38 Euro je Versicherten und Jahr, plus 10 Prozent), für betriebliche Gesundheitsförderung 33 Millionen Euro (47 Cent je Versicherten, plus 26 Prozent) und für die Prävention in nichtbetrieblichen Lebenswelten 16 Millionen Euro (23 Cent je Versicherten, plus 30 Prozent) ausgegeben. Allerdings bleibt gerade in den betrieblichen und nicht-betrieblichen Lebenswelten, also in Bereichen, in denen wichtige Weichenstellungen für ein gesundheitsbewusstes Leben vorgenommen werden können (z.B. in Kitas und Schulen), das Ausgabevolumen trotz geringfügiger Steigerungen noch weit hinter dem Finanzvolumen zurück, das für eine dringend notwendige Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention erforderlich ist. Hier müssen im Zusammenwirken mit allen Beteiligten die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Dies wird eine der vorrangigen Aufgaben des Präventionsgesetzes sein, zu dem die Bundesregierung noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf vorlegen wird.
Die Netto-Verwaltungskosten der Krankenkassen, sind im 1. Halbjahr 2014 mit +2,2 Prozent je Versicherten weiterhin moderat gestiegen. Rückläufige Verwaltungskosten bei den Ersatzkassen von minus 1,7 Prozent zeigen, dass Krankenkassen mit bislang deutlich überproportionalen Verwaltungskosten durch Einsparungen versuchen, ihre Wettbewerbsposition zu verbessern.
Weitere Perspektive
Die Zahlen des 1. Halbjahres sprechen dafür, dass auch im Jahr 2014 die Zuweisungen mit einem zugesicherten Volumen von 199,6 Milliarden Euro, die die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, insgesamt ausreichen können, um die voraussichtlichen zuweisungsrelevanten Ausgaben zu decken. Das schließt nicht aus, dass Krankenkassen etwa durch die Gewährung von Prämien oder freiwillige zusätzliche Satzungsleistungen ihre laufenden Ausgaben nicht nur durch die Einnahmen des laufenden Jahres decken, sondern auf Rücklagen, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurden, zurückgreifen. Das Abschmelzen von Finanzreserven bei den Krankenkassen, die hohe Reserven besitzen, ist politisch gewollt und im Interesse der Versicherten.
Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG) starten Krankenkassen und Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2015 in eine neue Finanzarchitektur. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen stehen seit Mitte dieses Jahres fest. Alle Beteiligten können, sich rechtzeitig auf das neue Finanzierungssystem einstellen. Mit dem Gesetz, werden die Rahmenbedingungen für einen fairen Preis- und Qualitätswettbewerb gestärkt. Es liegt im Interesse der Krankenkassen, sich um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu bemühen und die Höhe der Zusatzbeiträge durch eine wirtschaftliche Verwendung der Mittel gering zu halten.