Berlin – Uwe Lübking, Beigeordneter für Soziales im deutschen Städte- und Gemeindebund erläutert die Rolle der Kommunen bei der Gestaltung der Senioren und Pflegepolitik. „Nirgendwo sonst zeigt sich die Entwicklung der Gesellschaft deutlicher, als in der Kommune – denn da werden die Probleme offensichtlich und angesprochen.“
Die größte Herausforderung sieht Lübking in den zunehmenden Disparitäten der alternden Gesellschaft zwischen den Regionen: Daraus folge die Notwendigkeit, für Ausgleich zu sorgen. Dabei dürfte in den Kommunen, wie z. B. bei der integrierten Stadtentwicklungs-planung, nicht nur interdisziplinär gedacht werden – „wir brauchen vielmehr auch eine interkommunale Zusammenarbeit.“ Lübking mahnte eine kontinuierliche Sozialplanung und Sozialberichterstattung an sowie integrierte Versorgungskonzepte: „Wir müssen überlegen, ob die heutigen Strukturen noch richtig sind – Stichwort Telemedizin: Da sind wir noch viel zu konservativ.“ Eine Kommune brauche nicht nur eine Demografie-Strategie, sondern eine Generationenpolitik – sozusagen einen Masterplan für Generationen. Lübking: „Niemand darf sich ausgeschlossen fühlen!
Gestaltungsansätze im demographischen Wandel präsentierte Dr. Matthias von Schwanenflügel, Abteilung Demographischer Wandel im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Demografie ist nicht nur eine Frage der alten Menschen, sondern der gesamten Gesellschaft“, so Schwanenflügel. Deshalb baue die Demografie-Strategie der Bundesregierung auch auf partnerschaftliche Gestaltung. „Wir haben zehn Arbeitsgruppen auf den Weg gebracht – davon alleine vier im BMFSJ.“ Im kommenden Jahr werde man anlässlich des Demografie-Gipfels hoffentlich „verlässliche Antworten auf die nicht ganz einfachen Antworten“ haben. Im Rahmen der Demografie-Werkstatt arbeite man mit den Kommunen sehr eng zusammen: „Hier entwickeln wir gemeinsam Werkzeuge für das kommunale Leben der Zukunft.“ Als wichtiges Instrument bezeichnete Schwanenflügel die Mehrgenerationenhäuser: „Mit ihnen kann es gelingen, stabile Netzwerke in den Kommunen zu schaffen.“
Prof. Dr. Ursula Münch von der Akademie für Politische Bildung Tutzing gab einen spannenden Einblick in eine Politiksimulation – dem „Parlament der Generationen“: „Bei einer Politiksimulation geht es darum, dass die Teilnehmer in bestimmte Rollen hineinschlüpfen. „Uns war es wichtig, zu zeigen, wie politische Entscheidungen getroffen werden – und wir wollten wissen, wie sich der demografische Wandel auf die Entscheidungen der Gesellschaft auswirken kann.“ Dabei wurden zwei Themen diskutiert: regionale Infrastruktur und Bildungsmaßnahmen. Es wurden unterschiedlichen Gruppen gebildet: Eine Gruppe in der Abbildung der Gesellschaft von 2016 und der prognostizierten von 2060. Die spannende Frage war: Geraten die Interessen der Jugend in den Hintergrund – und werden die Themen der Älteren dominieren? Die Erkenntnis: Den Jungen und Alten fiel es leichter, Partnerschaften zu schmieden, die mittlere Generation fand dagegen kaum Unterstützer. „Meine Empfehlung hier“, so Münch, „die dürfen wir nicht vernachlässigen, weil sie ja eine tragende Säule sind und das Ganze auch finanzieren!“
Ihr Fazit: „Eine Herrschaft der Alten wird nicht eintreten, weil sich die Alten auch immer in die Interessen der Jungen hineinversetzen könne. Und wenn schon die Jungen so wenig werden, dann müssen sie auch richtig gut sein. Wenn ihnen das gelingt, dann bin ich optimistisch, dass sie sich auch in Zeiten des demographischen Wandels Gehör verschaffen können!“
Prof. Dr. Thomas Langhoff von der Hochschule Niederrhein Krefeld beschäftigte sich mit dem Thema der Innovationskompetenz im demographischen Wandel: Alleine die Wechselschichten in der Pflege führen dazu, dass die dort Beschäftigten acht Jahre früher sterben als andere Menschen. Deshalb brauche man soziale Innovationen in der Pflege, um die Anforderungen zu bewältigen. Stichwort Empowerment und Capability: Die Werkzeuge dafür seien bekannt, müssten aber für die Pflege weiterentwickelt werden.
In den sich anschließenden Workshops, standen demgegenüber unmittelbar praxisbezogene Themen im Fokus. So wurde u.a. das Für und Wider der generalistischen Ausbildung in der Pflege mit allen Teilnehmern kontrovers diskutiert. Und auch die eingehende Erörterung der jüngsten Pflegereformen zeigte, dass diese – neben deutlichen Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige- auch mit höheren Anforderungen an die Qualität der Pflegeberatungen verbunden sei.
In seinem Schlusswort betonte Yves Rawiel, Initiator der Berliner Pflegekonferenz, nochmals: „Wir in Deutschland haben kein Geldproblem, sondern ein Problem damit, dass wir das, was wir haben, effizient einsetzen!“ Es sei daher so wichtig, den aktiv pflegenden Menschen, mit vorbildlichen Projekten und innovativen Ideen Anregungen und Hilfe für ihre tägliche Arbeit zu geben und lud alle Teilnehmer herzlich ein, die angestoßenen Diskussionen im Rahmen der 4. Berliner Pflegekonferenz am 9. und 10. November 2017 fortzusetzen.