Frankurt am Main – Trotz der erwarteten anfänglichen Hindernisse bei der Umstellung von AOK-Patienten auf rabattierte Arzneimittel überwiegt die Zufriedenheit nach drei Wochen “Rabattverträge im Praxistest”. Der Aufbruch des erstarrten Generika-Marktes und die daraus resultierende, langfristige Stabilisierung der Arzneikosten auf einem niedrigen Niveau sowie die Zuzahlungsbefreiung der Patienten sei höher zu bewerten als z.B. vorübergehende Probleme bei der Lieferung einzelner Arzneimittel. So lautet das Fazit der Sprecher von Bundesregierung, AOK, Kassenärzten und Versicherten sowie beteiligter Hersteller auf einer Pressekonferenz.
Aus der Sicht von Dr. Gerd W. Zimmermann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und führender Repräsentant des deutschen Hausärzteverbandes “bewerten die Ärzte die neuen Rabattverträge als positiv”, auch wenn die schnelle Umstellung anfänglich die erwarteten Probleme bereitet habe. Es sei zunächst schwierig zu erkennen gewesen, welche Arzneimittel sie den Versicherten angesichts der Vielfalt an Rabattverträgen verordnen sollten. “Mit Hilfe der neuen, noch nicht überall installierten Software ist es möglich, den Ärzten schnell und unkompliziert den richtigen Weg zu weisen.” Positiv bewertete Zimmermann auch die nachhaltige Senkung des Preisniveaus bei Generika und die Befreiung der Ärzte von der Richtgrößenprüfung, wenn sie rabattierte Arzneimittel verordnen: “Das mindert den Budgetdruck.” Zimmermann sieht die neuen Vereinbarungen im Gegensatz zu den bisherigen Rabattverträgen als zukunftsweisend, “wenn die Startprobleme schnellstmöglich behoben werden.”
Eine sehr positive Zwischenbilanz zog auch Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvize der AOK Baden-Württemberg und bundesweit federführend im Bereich aller AOKs: “Bislang wurde das Potenzial der Rabattverträge nicht ansatzweise ausgeschöpft. Das hat sich mit dem Vorgehen der AOKs deutlich geändert.” Mit den neuen Vereinbarungen wolle die AOK das hohe deutsche Preisniveau bei Generika nach unten bewegen. “Denn”, so Hermann weiter, “bei manchen Produkten, zum Beispiel Simvastatin, teilen sich bisher wenige Hochpreis-Anbieter drei Viertel des Marktes. Der Umsatz der günstigsten vier Hersteller lag Ende 2006 noch zusammen bei nur 1,5 Prozent.” Diese “Preisflöte” gelte es zu zerlegen, damit die AOK das hier vorhandene Einsparpotenzial, das sich in beitragsrelevanten Größen bewege, in Form von Entlastung und Dienstleistungen an ihre Versicherten weitergeben kann. Bei der Vorbereitung der neuen Verträge habe die AOK größte Sorgfalt an den Tag gelegt. Hermann: “Es gibt keine Situation für den Patienten, die ungeregelt ist.” Wer sich zum Thema informieren wolle, für den hat die AOK gemeinsam mit dem Deutschen Apothekerverband eine Patienteninformation herausgegeben, die kurzfristig in allen deutschen Apotheken erhältlich ist. Doch nicht nur für die Patienten ändere sich etwas, so Hermann: “Mit den Rabattvereinbarungen hat die AOK kleineren Generika-Anbietern in Deutschland die Tür zu bislang verkrusteten Marktstrukturen geöffnet. Und die daraus resultierende Marktdurchspülung vollzieht sich so rasant, wie nicht für möglich gehalten. Wir stoßen in einen neuen Bereich vor, der uns lange am Herzen liegt: Die Bezahler von gestern werden zu den Versorgern von heute.”
Diese Einschätzung teilte Michael Ewers, Chef der deutschen Niederlassung von Teva, dem weltgrößten Generikahersteller, der einen “Paradigmenwechsel im Gesundheitssystem” kommen sieht. Aus seiner Sicht brechen die Rabattverträge den starren Wettbewerb auf dem Markt für Generika, der in Deutschland bisher fest in der Hand einiger großer Anbieter mit hochpreisigen Nachahmermedikamenten liege. “Wir rütteln an den Fundamenten eines verkrusteten Systems. Das mögen manche nicht. Aber allen Rabattpartnern ist klar: An dieser Preisstruktur im Generika-Markt muss sich etwas ändern.” Und das tut es mit einer massiven Dynamik: Aktuelle IMS-Daten belegen den beachtlichen Anstieg der Marktanteile rabattierter Präparate in wenigen Wochen nach Umsetzung – und vice versa drastische Umsatzeinbrüche bei den großen Generika-Herstellern. Dass es beim rasanten Tempo der Implementierung der Verträge zu kurzfristigen Lieferproblemen kommen konnte, war abzusehen: “Wir hatten nur wenige Wochen Zeit, unsere Lieferungen an den Großhandel zu vervielfachen”, so Ewers, “und Arzneimittel sind keine Schokolade”, die sich schnell von einem Land ins andere transportieren lasse. Inzwischen seien die Warenvorgänge adaptiert und Teva aufgrund seiner weltweiten Produktionskapazitäten voll lieferfähig. “Teva sieht der weiteren Umsetzung mit größter Zuversicht entgegen.”
Zuversichtlich sah auch Franz Knieps, Abteilungsleiter Gesundheitsversorgung im Bundesministerium für Gesundheit, die Preisvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern. Knieps betonte seine Neutralität den einzelnen Abmachungen gegenüber und machte klar, dass er die unterschiedliche Umsetzung der Rabattverträge “aller Kassen und deren Partner” wohlwollend betrachte. Seiner Meinung nach sei der Markt überreguliert und es werde Zeit für den “effizienten Einsatz verfügbarer Mittel.” Dabei habe der Gesetzgeber mit den Rabattverträgen “in ein Wespennest gestochen und tradierte Verhältnisse aufgebrochen”, die in kürzester Zeit “zu einer massiven Verschiebung der Marktverhältnisse” geführt haben. Den Anfragen von Patienten beim BMG nach zu urteilen gebe es dabei entgegen mancher Berichterstattung auch keine Versorgungsprobleme. “Die neuen Möglichkeiten der Rabattverträge sind eine überaus interessante Pionierleistung: Die wird den Generika-Markt ordentlich in Bewegung bringen und das Preisgefüge in einem Jahr komplett anders aussehen lassen”, so sein Fazit.
Den Vorteil, den die Versicherten davon haben, machte Dr. med. Richard Barabasch, Allgemeinarzt, Diabetologe und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten e.V. deutlich: “Langfristig sollen die Rabattverträge mithelfen, die GKV-Beitragssätze für die Patienten stabil zu halten.” Die AOK und ihre Rabattpartner hätten die Vorreiterrolle übernommen, um dauerhafte Stabilität eines niedrigen Preisniveaus bei Generika zu gewährleisten. Auch das sei zum Vorteil der AOK-Versicherten, die dadurch vielfach “für alle AOK-Rabattprodukte komplett von der Zuzahlung befreit werden.” Barabasch wies aber darauf hin, das es einen Unterschied mache, ob die Aufklärung zur Rabattthematik sich an (gesunde) Versicherte oder an (kranke) Patienten richte. Er appellierte daher an alle Beteiligten zur “kontinuierlichen, aber zielgruppengerechten Aufklärungsarbeit durch Arzt, Apotheker, Krankenkassen und Hersteller, damit Patienten und Versicherte als wesentliche Partner im Krankenversicherungswesen den Sinn und die Chancen der Rabattverträge verstehen.”