Berlin – Die 2009 von Deutschland ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) hat zwar in einigen Bereichen der Behindertenpolitik für ein Umdenken und positive Dynamik gesorgt. Der Ruf nach Inklusion von Menschen mit Behinderungen gewährleistet jedoch noch keine Menschenrechte. Der erforderliche Strukturwandel hin zu mehr Inklusion bei gleichzeitiger Auflösung der Sonderwelten, in denen Menschen mit Behinderungen heute noch leben und arbeiten, erfordert Durchsetzungswillen. Zwischen Bund und Ländern bedarf es enger Zusammenarbeit, um echte Fortschritte hinsichtlich der Umsetzung (etwa in Bezug auf die Eingliederungshilfe-Reform) zu erzielen.
Die unabhängige Monitoring-Stelle zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Deutschen Institut für Menschenrechte fordert deshalb von der zukünftigen Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag in der neuen Wahlperiode eine aktive Umsetzungspolitik:
Mehr Mut, mehr Entschlossenheit. Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention muss echte politische Priorität werden.
Drei Bereiche der Empfehlungen stehen exemplarisch für ein Bündel geeigneter Maßnahmen (siehe auch das Hintergrundpapier zur Pressemitteilung):
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Wahlrecht: Inklusives Wahlrecht und seine barrierefreie Ausübung sicherstellen
Die Monitoring-Stelle empfiehlt, die gesetzlichen Ausschlüsse von Menschen mit Behinderungen nach § 13 Nr. 2 und Nr. 3 Bundeswahlgesetz (BWahlG) aufzuheben und Programme aufzulegen, die diesen Menschen einen verbesserten Zugang zu politischen Informationen und politischer Bildung bieten. Für die bevorstehende Bundestagswahl empfiehlt die Monitoring-Stelle, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die einen barrierefreien Ablauf der Wahl im gesamten Bundesgebiet sicherstellen.
Das Wahlrecht in Deutschland schließt nicht alle Menschen mit Behinderungen ein. Einer schätzungsweise fünfstelligen Zahl von Menschen mit Behinderungen ist das Wahlrecht durch gesetzliche Ausschlüsse weiterhin ganz vorenthalten. Wahlunterlagen, Wahlverfahren und Wahllokale sind bei weitem noch nicht bundesweit barrierefrei, auch wenn hier in den letzten Jahren Verbesserungen erreicht werden konnten.
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Nationalen Aktionsplan (NAP) auf einer menschenrechtlichen Grundlage weiterführen und fortentwickeln
Die Monitoring-Stelle empfiehlt, den Nationalen Aktionsplan entschlossen weiterzuentwickeln. Die Rechte der Menschen mit Behinderungen, die auf Grund ihrer Lebenslage besonderen Gefährdungen ausgesetzt sind, sollten dabei Priorität haben. Die Empfehlungen aus dem internationalen Berichtsprüfungsverfahren sollten im Aktionsplan ebenfalls aufgegriffen werden.
Ein Wechsel von einer Politik der Fürsorge hin zu einer Politik der Rechte sollte Rechte gewährleisten, insbesondere der Gruppen, deren Rechte besonders unter Druck sind. 2015 werden die Fortschritte Deutschlands bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention durch den UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen überprüft.
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Reform der Eingliederungshilfe / Bundesleistungsgesetz
Die Monitoring-Stelle empfiehlt, die Reform der gesetzlichen Grundlagen von Teilhabe (Eingliederungshilfe) direkt zu Beginn der Gesetzgebungsperiode durchzusetzen. Regelungen und die damit verbundenen Konzepte mit stigmatisierenden, segregierenden und benachteiligenden Auswirkungen sollten durch allgemeine, offene, dem Prinzip der Inklusion verbundene Regelungen ersetzt werden. Teilhabeleistungen, soweit sie der Gewährleistung von Menschenrechten dienen, sind einkommens- und vermögensunabhängig zu gewähren.
Der Bund hat eine Beteiligung an der Finanzierung zugesagt und hat deshalb die besondere Verantwortung, dass durch die Reform eine wesentliche Verbesserung in der Qualität der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erreicht wird und damit Menschen mit Behinderungen eine klare Besserstellung erfahren.
Ein Hintergrundpapier zu den Empfehlungen der Monitoring-Stelle zur Umsetzung der UN-BRK finden Sie hier:
www.institut-fuer-menschenrechte.de/